Von falschen Herzoginnen und der Macht der Ausstellung I Teil 2: Friederike Sophie Dorothea von Württemberg

Die Schausammlung „LegendäreMeisterWerke“ thematisiert im Durchgang von der Herzogs- zur Königszeit, an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert, das vorletzte Herzogspaar: Friedrich Eugen (1732–1797), der jüngste Bruder Carl Eugens, regierte Württemberg ab 1795 für zweieinhalb Jahre. Seine Büste von Philipp Jakob Scheffauer steht nicht nur für den ästhetischen Wandel vom Barock zum Klassizismus, sondern auch für die gesellschaftliche Veränderung im Zeichen der Aufklärung. Sie steht für das idealisierte Bild eines menschlichen, gerechten und bürgernahen Fürsten, der sich nicht mehr anmaßte, losgelöst von den Landständen zu regieren (und es angesichts der militärischen Bedrohung durch das revolutionäre Frankreich auch nicht mehr konnte).

Der Büste gegenüber hing ein Bild, das die Bedeutung von Friedrich Eugen und seiner Ehefrau Friederike Sophie Dorothea für den Fortbestand der Dynastie der Württemberger versinnbildlichen sollte: Das Paar bekam zwölf Kinder. Unter ihnen war der spätere König Friedrich (1754–1816), dessen Krone das Zentrum des folgenden Raums bildet. Als Kind sei Friedrich auch auf dem Gemälde abgebildet; „mit mütterlichem Stolz“ präsentiere Dorothea den zukünftigen Thronfolger, war in der Objektbeschriftung und online zu lesen (Abb. 1).

Foto: Ausstellungsraum mit Gemälden. Ganz vorne ist das Gemälde einer Frau.

Abb. 1: Ausstellungsbereich in „LegendäreMeisterWerke“, bis Februar 2024

Die Überzeugung, es handele sich um die Mutter des ersten württembergischen Königs, bestand schon seit über 60 Jahren. Entsprechend wurde es 1995 als Bildnis der Dorothea (1736–1798), geborene Prinzessin von Brandenburg-Schwedt, für das Landesmuseum angekauft. Dies aber stimmt nicht. Die Dargestellte ist vielmehr Maria Franziska von Pfalz-Sulzbach (1724–1794), die auf das Porträt ihres Erstgeborenen Karl August (1746–1795) zeigt. Es ist damit Teil einer außergewöhnlich engmaschigen Abfolge von Bildnissen, mit denen die genealogische Sicherung des Hauses Wittelsbach betont wird (Abb. 2 und 3).

Gemälde: Eine stehende Frau mit Kleid. Sie hält ein Gemälde mit einem kleinen Jungen darauf.

Abb. 2: Maria Franziska von Pfalz-Sulzbach mit dem Gemälde ihres Sohnes

Denn ähnlich, wie dies bei Friedrich Eugen und Dorothea der Fall war, wurden die Kinder der Nebenlinie Pfalz-Zweibrücken, in welche Maria Franziska einheiratete, gebraucht. Die Thronfolge war in beiden Linien des Hauses Wittelsbach, in der Kurpfalz und in Bayern, offen. Die hierfür bestimmten Söhne starben allesamt früh. Neben der politischen kommt die persönliche Tragödie: So hatten die zwei älteren Schwestern Maria Franziskas, die eigentlich bestimmt waren, die zukünftigen Kurfürsten zu gebären, den Tod ihrer Kinder zu betrauern. Maria Anna (1722–1790), die nach München geheiratet hatte, verlor zwischen 1748 und 1756 – also innerhalb von nur acht Jahren – vier Kinder!

Gemälde: Eine Frau mit einem Jungen, der das Bild eines Babys hält. Die Frau zeigt auf den Jungen.

Abb. 3: Johann Georg Ziesenis, Studie für ein ganzfiguriges Porträt der Pfalzgräfin

In Anbetracht der hohen Kindersterblichkeit in der engsten Familie war es wichtig, dass Karl August von Pfalz-Birkenfeld-Zweibrücken gesund aufwuchs. Dies dokumentieren seine Porträts im Alter von zwei und etwa fünf Jahren, die sich heute häufig in mehreren Versionen erhalten haben. Ein halbfiguriges Bildnis der Mutter mit ihrem Sohn – die hier gezeigte Version in Heidelberg, eine andere in Bayern –, stammt aus der frühen Zeit (Abb. 2). Etwas älter war Karl August auf einem repräsentativen Porträt seiner Mutter, auf dem er ein Gemälde seines jung verstorbenen Bruders Klemens August (1749–1750) hält (Abb. 3).

Geschaffen hat sie niemand geringerer als Johann Georg Ziesenis, der bis 1760 in Mannheim wohnte. Der „Hofporträtmaler“ hatte bereits das Bildnis der Christiane von Waldeck und Pyrmont gemalt, Thema im ersten Teil dieses Blogs: Christiane war eine geborene Pfalzgräfin von Zweibrücken-Birkenfeld und damit eine Tante des jungen Karl August.

Etwas später, vielleicht um 1752/53, muss eine weitere Porträtkampagne erfolgt sein. Die Züge des dann sechs oder sieben Jahre alten Prinzen wirken auf einem Brustbild in Heidelberg gereifter (Abb. 4). Das ovale „Bild-im-Bild“ auf unserem Gemälde zeigt ihn womöglich noch ein wenig mehr verändert (Abb. 5 und 6). Der Brustharnisch, den Karl August nun trägt, verweist auf seine Zukunft als Militär. Auf seiner blauen Uniformjacke ist bereits der Bruststern des Wittelsbacher Hausordens aufgenäht, der Bayerische Hubertusorden (ein Vergleich ist hier). Aufgrund der spiegelbildlichen Haltung des Dargestellten ist der Bruststern im LMW nicht gut zu sehen, wohl aber ein anderes Detail: Der Wittelsbacher Hausorden musste an einem roten Seidenband mit grüner Einfassung getragen werden – tatsächlich kann man einen entsprechenden grünen Strich erkennen.

Gemälde: Ein Junge in Gehrock mit Orden.

Abb. 4: Johann Georg Ziesenis, Karl II. August von Pfalz-Zweibrücken

Gemälde: Eine sitzende Frau in Kleid. Sie zeigt auf ein Brustporträt mit einem Jungen.

Abb. 5: Bildnis der Maria Franziska von Pfalz-Sulzbach im LMW

Detail eines Gemäldes: Das Porträt eines Jungen in Brustharnisch.

Abb. 6: Detail aus Abb. 5 mit dem Gemälde des Karl August im Brustharnisch

Der auf Ziesenis’ Gemälde präsentierte Erbfolger hatte Aussichten auf den Thron – nur eben nicht in Württemberg. Da Karl August allerdings schon 1795 und damit vor seinem Onkel, Karl Theodor von der Pfalz und Bayern, starb, trat sein jüngerer Bruder die Nachfolge an. Er wurde Kurfürst und 1806 als Maximilian I. König in Bayern.

Was jetzt?

Erkenntnisse verändern sich. Dank der der digitalen Vernetzung sind Literatur und Quellen noch besser, schneller und bequemer zugänglich als früher. So ist das grundlegende Buch zum Maler Ziesenis heute nicht nur in Bibliotheken, sondern auch online verfügbar. Aber um auf die richtige Spur zu kommen, dürfen und müssen gewohnte Inszenierungen hinterfragt werden, auch die Ausstellung „LegendäreMeisterWerke“.

Foto: Eine Frau und ein Mann hängen zusammen ein Gemälde an die Wand.

Abb. 7: Neuhängung in der Ausstellung „LegendäreMeisterWerke“, März 2024

Das einst als Bildnis der Herzogin Friederike Dorothea von Württemberg angesehene Gemälde bleibt ein sehr gutes Beispiel für die höfische Porträtkunst des 18. Jahrhunderts. Durch die Konsultation der Expertin konnte die Malerei immerhin wirklich Johann Georg Ziesenis selbst zugewiesen werden, es ist ihm nun nicht mehr nur „zugeschrieben“. Dennoch passt es nicht mehr in unsere Ausstellung, so wie sie jetzt ist. Wir haben es daher ersetzt – durch ein Pastell, das die „richtige“ Herzogin zeigt, Friederike Sophie Dorothea, die Mutter des württembergischen Königs Friedrich I.

Mein Dank geht an den aufmerksamen Hinweisgeber, an Dr. Karin Schrader (Nauheim) für den Austausch zu Johann Georg Ziesenis und an Dr. Julia Carrasco vom Kurpfälzischen Museum Heidelberg. Zum Schluss bin ich gespannt, was man später über die von mir betreuten Ankäufe, Zuschreibungen und vermeintlich erkannte Personen sagen wird. Welche Erkenntnisse werden sich in Zukunft verändern? Und wie wird ausgestellt?

Abbildungsnachweis und Nutzungsbedingungen

Abb. 1: Übergang Herzogszeit zum Königreich in „LegendäreMeisterWerken“ mit dem vermeintlichen Bildnis der Herzogin Friederike Sophie Dorothea, Februar 2024, Landesmuseum Württemberg, J. Leliveldt / A. Lohmann (CC BY-SA 4.0)

Abb. 2: Johann Georg Ziesenis, Bildnis der Maria Franziska von Pfalz-Sulzbach mit dem Gemälde ihres Sohns Karl August, Leinwand, 94,5 x 73 cm, Heidelberg, Kurpfälzisches Museum

Abb. 3: Maria Franziska von Pfalz-Sulzbach mit ihrem Sohn Karl August und vermutlich einem Gemälde des jung gestorbenen Klemens, um 1750/51, Leinwand, 32 x 19 cm, Heidelberg, Kurpfälzisches Museum

Abb. 4: Johann Georg Ziesenis, Bildnis des Karl II. August von Pfalz-Zweibrücken, um 1752/53, Leinwand, 68,4 x 52 cm Heidelberg, Kurpfälzisches Museum

Abb. 5: Die vermeintliche Friederike Sophie Dorothea: Johann Georg Ziesenis, Bildnis der Maria Franziska von Pfalz-Sulzbach mit einem Gemälde ihres Sohnes Karl August, um 1753–55, Leinwand, 97 x 74 cm, Landesmuseum Württemberg (gemeinfrei / Public Domain Mark 1.0)

Abb. 6: Vermeintlich Erbfolger Friedrich von Württemberg: Detail aus Johann Georg Ziesenis, Bildnis der Maria Franziska von Pfalz-Sulzbach mit einem Gemälde ihres Sohnes Karl August, Landesmuseum Württemberg (gemeinfrei / Public Domain Mark 1.0)

Abb. 7: Neuhängung des Pastells von Friederike Sophie Dorothea, März 2024, Landesmuseum Württemberg, A. Pollmer-Schmidt (CC BY-SA 4.0)

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