Am 16. Juni 1870 kaufte die Königliche Staatssammlung vaterländischer Kunst- und Altertumsdenkmäler ein „Bildniss […] in Oel gemalt“ an. Man zweifelte nicht, es mit „der Reichsgräfin v. Hohenheim (spätere Herzogin zu Würtemberg)“ zu tun zu haben und zahlte daher wohl den vergleichsweise hohen Preis von 100 Gulden – Franziska von Bernedin (1748–1811), geschiedene Freifrau Leutrum von Ertingen, war ab 1785 die zweite Ehefrau des Herzogs Carl Eugen (Abb. 1). Noch 60 Jahre später war das Porträt Teil eines Franziska von Hohenheim gewidmeten Ensembles, zu bewundern im Schlossmuseum, das ab 1921 im Neuen Schloss eingerichtet worden war (Abb. 4).
Irgendwann aber ist es aufgefallen: Das Bild zeigt weder Carl Eugens bekannte Partnerin noch stammt es vom Hofmaler Nicolas Guibal. Unter dessen Namen war es zwischenzeitlich nach Darmstadt ausgeliehen worden. Im Katalog der epochalen „Jahrhundert-Ausstellung“ zur Kunst des Barock und Rokoko (1914) wurden beide Namen korrigiert, sodass die Angaben wenigstens im Handexemplar des späteren Landesmuseums stimmten (Abb. 2). Auch der rückseitig angebrachte Zettel mit der alten Identifikation auf der Gemälderückseite wurde gestrichen und durch die neuen Erkenntnisse ergänzt (Abb. 3).
Tatsächlich geht die Dargestellte der Franziska von Hohenheim – deren authentisches Porträt noch heute in der Schausammlung „LegendäreMeisterWerke“ zu sehen und in der Sammlung online veröffentlicht ist – modisch um einige Jahrzehnte voraus: Es handelt sich um Fürstin Christiane von Waldeck und Pyrmont (1725–1816). Ihr Bildnis wurde bereits in Franziskas Geburtsjahr 1748 geschaffen – und zwar von einem der besten Porträtisten seiner Zeit, Johann Georg Ziesenis. Das für Stuttgart angekaufte Gemälde ist eine verkleinerte Kopie des Originals, das sich in Schloss Arolsen befindet. Der unbekannte Maler veränderte das Vorbild interessanterweise, indem die Dame nun ihren Umhang kokett anhebt.
Nicht allwissend
Museen sind nicht allwissend. Sie sind da, um Objekte zu bewahren, zu erforschen und zugänglich zu machen: Objekte, die einst für relevant erachtet wurden und – im Falle des Landesmuseums Württemberg, das seine Wurzeln in der Staatssammlung für „vaterländische Kunst- und Altertumsdenkmäler“ besitzt – die Kulturgeschichte des Landes erzählen sollten. Sie sind Gedächtnisorte: Jeder bewahrte Gegenstand kann eine kostbare Erinnerung bergen, die es wert ist, neu vergegenwärtigt zu werden. Sein früherer Zusammenhang kann allerdings auch völlig vergessen worden sein, oder es haben sich nur wenige Hinweise darauf überliefert.
Bei dem 1870 erworbenen Bildnis war die Mitteilung auf dem rückseitigen Zettel schlicht falsch. Dies mögen aber weder der Verkäufer aus der bayerischen Familie von Branca noch die in den Ankauf einbezogenen Personen gewusst haben. Solche Falschinformationen haften nicht unbedingt durch täuschende Absicht an einem Objekt, sondern sind häufig durch Missverständnisse in der Überlieferung entstanden. Auch Datierungen und Vergleiche können sich im Nachhinein als fehlerhaft herausstellen – das ist nicht schlimm, muss aber selbstverständlich korrigiert werden, sobald neue Erkenntnisse vorliegen. Einschätzungen verändern sich mit dem Blick in ein neu erschienenes Buch, wenn man – heute – etwa in Bilddatenbanken schneller auf Vergleiche stößt oder technologische Untersuchungen zu neuen Bewertungen führen.
Nicht alles glauben, was man sieht
Museen verwalten aber nicht nur. Sie sind dazu da, mittels räumlicher Inszenierung einer Auswahl von Objekten (historische) Zusammenhänge sinnlich erfahrbar zu machen. Eine Ausstellung, die wie jene im Schlossmuseum der Zwischenkriegszeit (Abb. 4) auf eine gewisse Dauer angelegt ist, konserviert notwendigerweise die Urteile, auf deren Grundlage sie geplant worden ist.
Die so geschaffenen Raumbilder haben Autorität, ob man will oder nicht. Werden Veränderungen von Erkenntnissen oder Sichtweisen notwendig, ist diese Beharrungskraft nicht unproblematisch. Schon deswegen ist es gut, wenn Besuchende kritisch auf Vorhandenes schauen.
Heute sind nur maximal 3 % aller Objekte des Landesmuseums Württemberg in unseren Schausammlungen im Alten Schloss und den Zweigmuseen ausgestellt. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass sich die kuratorische Arbeit nun hauptsächlich mit anderem beschäftigt: Es gibt Neuankäufe, Sonderausstellungen, Leihvorgänge und nicht zuletzt die große Zahl jener Objekte, die in der Vergangenheit mit guten Gründen gesammelt worden sind, aber nicht gezeigt werden können. Heute können wir sie mit der Sammlung Online digital zugänglich machen und die Daten so vernetzen, dass sich der Raum unseres Museums spürbar erweitert.
Nun erreichte uns eine kritische Anfrage zur Schausammlung „LegendäreMeisterWerke“ im zweiten Obergeschoss des Alten Schlosses. Worum es geht, können Sie im zweiten Teil lesen. Ein Hinweis: Es hat auch mit einer „falschen Herzogin“ zu tun…
Abbildungsnachweis und Nutzungsbedingungen
Abb. 1: Bildnis der Christiane von Waldeck und Pyrmont (veränderte Kopie nach Johann Georg Ziesenis), Leinwand, 67 x 49,2 cm, Landesmuseum Württemberg, Stuttgart (gemeinfrei / Public Domain Mark 1.0)
Abb. 2: Deutsches Barock und Rokoko, herausgegeben von Georg Biermann im Anschluss an die Jahrhundert-Ausstellung deutscher Kunst 1650–1800, Darmstadt 1914, Leipzig 1914, Bd. 2, Abb. 708, Exemplar des Landesmuseums Württemberg (CC BY-SA 4.0)
Abb. 3: Detail der Rückseite des Bildnisses der Christiane von Waldeck und Pyrmont, Landesmuseum Württemberg, Stuttgart (gemeinfrei / Public Domain Mark 1.0)
Abb. 4: Ausstellung der Kunstsammlungen des Württembergischen Staates – Schloßmuseum, Altertümersammlung II, Stuttgart 1930, S. 30, Exemplar des Landesmuseums Württemberg
Spannend!!! Die andere „falsche Herzogin“ ist Friederike Dorothea Sophie von Brandenburg-Schwedt, Mutter des späteren Königs Friedrich. Ich hab gesehen, dass da jetzt ein anderes Bild hängt. Schade, auf dem vorigen hat sie besser ausgesehen. Weiß man eigentlich, wer die Abgebildete wirklich ist? Und der kleine Junge? Ich bin gespannt auf Teil 2!
Sehr geehrte Frau Gündert,
gut gesehen! Der zweite Teil der „falschen Herzoginnen“ ist nun online – darin werden alle ihre Fragen beantwortet. Kleiner Hinweis: Es gibt einen Grund, warum sich die Damen auf den beiden Bildern optisch so unterscheiden… Ihr Team vom Landesmuseum Württemberg