Zuletzt berichteten wir an dieser Stelle über unser Projekt „Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten im Landesmuseum Württemberg – ein Erstcheck“. Das vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste (DZK) geförderte Projekt lief von 1. Februar bis 15. Juli 2023 und beinhaltete die Untersuchung unterschiedlicher Objekte aus unserer Sammlung. Im heutigen Bericht beschäftigen wir uns mit Geld – auch das war Gegenstand des „Erstchecks“.
Münzen, geprägt für die deutschen Kolonien
Untersucht wurden insgesamt 14 Münzen, die zwischen 1890 und 1916 vorrangig – aber nicht nur – in Berlin geprägt wurden. Sie wurden während der Zeit der deutschen Kolonialherrschaft vom Deutschen Reich als Zahlungsmittel in den Kolonien „Deutsch-Ostafrika“ und „Deutsch-Neuginea“ sowie in dem deutschen Pachtgebiet im chinesischen Kiautschou (heute Jiaozhou) eingesetzt.
Eine 5-Mark-Münze für „Deutsch-Neuguinea“
Im Februar 1919 erwarb das Stuttgarter Münzkabinett etwa eine Kolonialmünze für „Deutsch-Neuguinea“ (Inv . Nr. MK 4252). „Deutsch-Neuguinea“ stand von 1889 bis 1919 unter deutscher Kolonialherrschaft. Die Kolonie im Südpazifik umfasste Gebiete der heutigen Inselstaaten Papua-Neuguinea und Salomonen sowie die Inselgruppen Marshallinseln, Nauru, Nördliche Marianen, Palau und Karolinen. Bevor das Territorium im Jahr 1889 unter deutsche Kolonialherrschaft gestellt wurde, war es ab 1885 in Teilen unter Verwaltung der deutschen Neuguinea-Kompanie gewesen. Die Gründung der Kompagnie ging auf deutsche Bankiers und Großfinanziers zurück, deren Ziel es war, im Südpazifik Kolonialbesitz zu erwerben und deutsche Wirtschaftsinteressen gegen die britisch-australische Konkurrenz durchzusetzen. Ab 1885 erhielt die Kompagnie mit kaiserlichem „Schutzbrief“ Hoheitsrechte in dem Gebiet der späteren Kolonie.
Die Kompagnie hatte auch das Recht, Münzen auszugeben, wie die Umschrift „NEU-GUINEA COMPAGNIE“ zeigt. Daneben sind auf der Vorderseite zwischen zwei gekreuzten Palmwedeln die Wertangabe (5 Mark) und das Prägejahr (1894) angegeben. Ganz unten findet sich der Buchstabe A, der bis heute auf die Prägestätte Berlin verweist.
Die sogenannte Neuguinea-Mark war von 1894 bis 1911 offizielles Zahlungsmittel in der Kolonie. Auf der Rückseite ist ein Großer Paradiesvogel bei der Balz abgebildet, der prächtige Singvogel ist bis heute in den tropischen Regenwäldern Neuguineas beheimatet.
Ab 1889 übernahm das Deutsche Reich die Verwaltung der Gebiete. Die deutsche Kolonialherrschaft endete faktisch 1914 mit Beginn des Ersten Weltkriegs und offiziell nach dessen Ende und mit der Unterzeichnung des Versailler Vertrags am 28. Juni 1919. Zwischen 1885 und 1914 erfolgten in Deutsch-Neuguinea mehr als 160 Militäreinsätze, in denen unter Anwendung exzessiver Gewalt deutsche Machtansprüche geltend gemacht wurden. Zudem kam es zu unzähligen Plünderungen von Kulturgütern und menschlichen Überresten und deren Verbringung nach Europa.
Von Eugen Wörner erworben
Angekauft wurde die Münze im Februar 1919 in Stuttgart bei Hofbaurat Eugen Wörner (1882–1959) für 5 Reichsmark. Wörner wurde 1911 im Königlichen Hofbauamt in Stuttgart tätig und war von 1914 bis 1918 dessen Vorstand. In dieser Zeit leitete er das gesamte Bauwesen des württembergischen Hofes und schuf u. a. Entwürfe für Bauvorhaben im Neuen Schloss sowie für Umbauten in den Schlössern Bebenhausen und Friedrichshafen. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde er als Baurat im württembergischen Finanzministerium tätig.
Im Nationalsozialismus wurde Eugen Wörner Oberbürgermeister in Plauen (heute Kreis Vogtlandkreis in Sachsen). Dort war er seit 1928 als Stadtbaurat tätig gewesen. Nach dem Beginn der NS-Herrschaft war Wörner aktiv an der Absetzung des dortigen Oberbürgermeisters Max Schlotte (1877–1952) beteiligt, übernahm im März 1933 dessen Amt und behielt dieses bis ins Jahr 1944. Nach 1945 zog er wieder nach Stuttgart, wo er 1959 starb. (1)
Wann und wo Eugen Wörner in den Besitz der Münze gelangte, ist nicht bekannt. Offensichtlich ist aber, dass dieses 5-Mark-Stück zur Verwendung in „Deutsch-Neuguinea“ hergestellt wurde und dort im Geldumlauf zirkulierte. Das Objekt steht somit in direktem Zusammenhang mit der deutschen Kolonialherrschaft im Südpazifik. Nur wenige Monate nach dem Ende des Ersten Weltkriegs erwarb das Stuttgarter Münzkabinett diese Prägung. Über die Beweggründe kann aufgrund fehlender Quellen nur spekuliert werden. Doch hielt man die Münze für so bedeutend, um sie für die Sammlung anzukaufen.
Fazit
Die antike Kohelröhre aus Jaffa aus dem ersten Teil unseres Berichts und die Kolonialmünze aus „Deutsch-Neuguinea“ stehen beispielhaft für die unterschiedlichen Objekte des LMWs mit kolonialem Kontext. Recherchen zu ihren Vorbesitzern ermöglichten die Rekonstruktion eines Teils der Objektgeschichte und bieten weitere Rechercheansätze, denen nachzugehen ist.
Wenngleich noch viele Fragen offen sind und wahrscheinlich auch offen bleiben werden, wollen wir den kolonialgeschichtlichen Hintergrund der Objekte oder ihrer Herkunftsgebiete sichtbar machen. Bei unseren Recherchen haben wir die Erkenntnis gewonnen, dass im Umgang mit diesen Objekten besondere Sensibilität gefordert ist.
Schlussendlich zeigt sich: Auch bei uns gibt es noch viel zu tun. Nur durch die Zusammenarbeit verschiedener Kolleg*innen und Expertisen innerhalb und außerhalb des Hauses wird diese Auseinandersetzung in Zukunft gelingen.
(1) Zu Eugen Wörner: Stuttgarter Zeitung Nr. 227 vom 2.10.1959 („Zum Tode von Hofbaurat Wörner“); Andreas Wagner, „Machtergreifung“ in Sachsen, Köln 2004, S. 141.