Mehr als 280 Fastnachtskostüme und Masken befinden sich bereits in der volkskundlichen Sammlung des Landesmuseums Württemberg. Einige davon sind dauerhaft im Museum der Alltagskultur ausgestellt. Viele weitere der Fastnachtsobjekte werden – gut verpackt – in den Depoträumen aufbewahrt. Passend zur Faschingszeit fanden nun kürzlich zwei neue Masken ihren Weg in unsere Sammlung. Aber warum sammeln wir heute überhaupt noch Masken? Eine berechtigte Frage.
Tradition ist Wandel
Traditionen wie die schwäbisch-alemannische Fastnacht sind per se nichts Festgeschriebenes. Denn nichts ist immer so da gewesen und lief schon gar nicht immer gleich ab. Auch die schwäbisch-alemannische Fastnacht zeugt von diesem Wandel. Denn: Wer etwa feiert diese heute noch, weil anschließend die Fastenzeit beginnt? Wer isst eigentlich Fastnachtskrapfen, weil er nach Aschermittwoch auf Schmalz und Eier verzichtet? Und wer will mit seiner Verkleidung heute noch tatsächlich den Winter verjagen?
Warum wir neue Masken brauchen
Besonders an der Verkleidung, den vielfältigen Typen und Figuren der Fastnacht, deren Masken und Häs, zeigt sich dieser Wandel. Sie haben sich im Laufe der Zeit herausgebildet, weiterentwickelt oder wurden vergessen und verdrängt durch andere Fastnachtsgestalten. Die Masken der Fastnacht zeugen nicht nur von deren Vielfalt, sondern stehen auch für gesellschaftliche Veränderungsprozesse, die oftmals einen Wandel der Traditionen erst begründen. Dieser Wandel soll sich auch in unserer Fastnachts-Sammlung abbilden. Deswegen erwerben wir nicht nur ausgewählte Masken, sondern erforschen zusammen mit der Landesstelle für Volkskunde auch immer wieder exemplarisch das dazugehörige Umfeld. Wir wollen dabei etwas über diejenigen erfahren, die diese Masken schnitzen und sie tragen. Denn es ist wichtig, deren Geschichte zu kennen und die dazugehörigen Erzählungen zu sammeln, um die gesellschaftlichen und kulturellen Veränderungen fassen, beschreiben und analysieren zu können. Die Objekte, das Materielle, d.h. die Masken allein bleiben stumm. Erst über den Kontext, durch das Immaterielle werden sie lebendig und es erschließt sich ihre Bedeutung.
Erfindung der Falken-Hexen
Die Hexen, eine der größten Figurengruppen, sind seit dem 19. Jahrhundert bekannt. Deren Popularität nahm rasant zu, nachdem sich 1936 in Offenburg die erste Hexenzunft gegründet hatte. Eine Verkleidung als Hexe ist besonders für junge Hästräger überaus attraktiv und beliebt. Dies führte zu einem regelrechten Gründungsboom von Hexen-Zünften, dessen Ende nicht abzusehen ist.
Bei unseren Neuzugängen handelt es sich um zwei sogenannte Falken-Hexen des Maskenschnitzers Ergun Can. Can wurde 1958 in Istanbul geboren. Als Fünfjähriger kam er mit seiner Familie nach Schramberg. Dort lernte er als Jugendlicher das traditionelle Handwerk gemeinsam mit ein paar Freunden von einem bekannten Maskenschnitzer. Um freier in der Gestaltung der Masken zu sein und aktiv an der Fastnacht teilhaben zu können, beschlossen die drei Freunde kurzerhand einen eigenen Maskentypus zu entwerfen. So entstanden die Schramberger Falken-Hexen als neue Figur. Den Namen der Figur leiten die Schnitzer dabei von dem Ortsteil Falkenstein in Schramberg ab.
Seit Ende der 1970er Jahre sind die Falken-Hexen nun ein fester Bestandteil der Schramberger Fastnacht. Der Verein, der Anfang der 1980er Jahre schon über 60 Mitglieder zählte, feiert in diesem Jahr sein 40jähriges Jubiläum und ist aktiver denn je.
Falken-Hexen im Museum
Die Masken von Ergun Can ergänzen die bisherige Fastnachts-Sammlung des Landesmuseums Württemberg um zwei wichtige Objekte, die Auskunft geben, über gesellschaftliche und kulturelle Wandlungsprozesse. Zwar unterscheiden sich die Masken in der Gestaltung nicht wesentlich von denen anderer Hexenzünfte. Sie fügen sich vielmehr mühelos in das Bildrepertoire südwestdeutscher Bräuche ein. Dennoch zeugen sie von gesellschaftlichen Transformationsprozessen, weil sie von Ergun Can geschnitzt wurden. Seine Persönlichkeit und seine Geschichte(n) spielen in diesem Zusammenhang eine zentrale Rolle und machen die Masken zu etwas Besonderem: Denn Can wurde als Zugezogener und Kind eines „Gastarbeiters“ durch das Maskenschnitzen Teil der Schramberger Fastnacht, er gab ihr sein Gesicht und begründete damit eine neue Tradition.
Ab dem 1. März 2018 wird eine der neuerworbenen Masken im Museum für Alltagskultur in Waldenbuch ausgestellt.
1 Kommentar zu “Fastnacht, Hexen und kein Ende?”