„Jedes Mal, wenn ich ins Lager gehe, überkommt mich das heulende Elend; sobald ich wieder draußen bin, ist dieser Ort meine Heimat.“
– Gosia Musielak
Gosia Musielak lebt in Brzezinka, zu deutsch: Birkenau, Auschwitz.
Auschwitz: Ein Wort, das bei vielen Menschen Schaudern auslöst. Denn es ist ein Ort, der exemplarisch für die Verbrechen des deutschen Nationalsozialismus steht. Von 1940 bis 1945 wurden in dem dort errichteten Konzentrationslager über 1 Millionen Menschen ermordet. Auschwitz (pl. Oświęcim) ist und war aber auch Wohnort.
Erstmals erwähnt wurde der Ort im 13.Jahrhundert. Seitdem lebten Familien über Generationen in der Stadt im Süden Polens. 1939 marschierte die deutsche Wehrmacht ein und besetzte das Gebiet.
Wegen der geplanten Errichtung des Konzentrationslagers wurden 1941 die Bewohner*innen vertrieben. Die meisten Häuser ließ die SS abtragen und neue Gebäude für das Konzentrationslager errichten. Nach der Befreiung des Lagers im Jahr 1945 kamen viele der Vertriebenen zurück und bauten das Dorf neu auf. Dabei nutzen sie teilweise Ziegel und Balken aus dem geräumten Lager, weil es in dem kriegszerstörten Land kaum anderes Baumaterial gab.
Dennoch: Wie leben die Menschen im Schatten der einstigen Mordstätte? Wie kann ein alltägliches Leben an einem Ort des Grauens stattfinden?
Dokumentation der Nachbarschaften
Diese Frage stellten sich die Stuttgarter Fotografen, Kai Loges und Andreas Langen (die arge lola).
Sie haben die Nachbarschaften der ehemaligen Lager intensiv bereist. Vor Ort entstanden Fotografien von Gebäuden, Landschaften und den Bewohner*innen. Wichtig waren für die Fotografen auch die intensiven Gespräche mit den Bewohner*innen und Interviews, die daraus entstanden.
Alles dies ist in die neue Sonderausstellung im Museum der Alltagskultur eingeflossen. Gemeinsam mit den Fotografen wurde die Präsentation erarbeitet. Gezeigt werden nun die Fotografien, die das heutige Zusammenspiel zwischen Alltag und Grauen zeigen. Abgelichtet ist ein Kinderspielplatz – am Horizont sieht man einen Schornstein des Vernichtungslagers. Oder der Blick von der Terrasse auf die Gleise, auf welchen Deportationszüge fuhren.
„Ich habe einen Wald gepflanzt zwischen meinem Haus und dem Lager. Es ist besser so.“
– Bewohner aus Brzezinka
Und auch die Menschen kommen zu Wort, welche hier wohnen. Die einen setzen sich aktiv mit der Geschichte des Ortes auseinander. Andere möchten mit der Geschichte nichts zu tun haben und pflanzen eine Hecke im Garten, um nicht mehr auf das ehemalige Lager blicken zu müssen.
Nebenan im Baden-Württemberg
Wie soll an die Zeit des Nationalsozialismus erinnert werden? Dieser Frage können sich die Bewohner*innen von Auschwitz nicht entziehen. Aber auch in der Ausstellung wird die Frage den Besucher*innen gestellt. Denn auch in Baden-Württemberg gibt es diese Orte:
ehemalige Konzentrations- und Vernichtungsorte, Orte der Vertreibung und der Zwangsarbeit.
Wie gehen wir hier mit diesen um? Kennen wir sie überhaupt? In der Ausstellung werden die Besucher*innen dazu eingeladen sich mit ihrem eigenen Umgang mit Erinnerung auseinanderzusetzen. An was möchte man sich erinnern und wie?
Wie ist Erinnerung mit dem Alltag verwoben? Diese Frage ist gerade im Museum der Alltagskultur relevant. Letztlich zeigen die Fotografien, dass an jedem Ort dieser Welt Alltag gelebt wird – unabhängig der eigenen Geschichte.
Die Ausstellung ist vom 26. November bis zum 8.Mai 2022 im Museum der Alltagskultur zu sehen.
interessanter Artikel
Mich nervt das Gegendere darin ….. muss man Sprache so misshandeln?