Bon anniversaire à moi!

„Einmal erschien an unserem Horizont ein fremdes Meteor – M[adame]e Terbusch …“
Uexüll, 1821

200 Jahre nach diesem Zitat, rien, nada, niente, nix … Ausstellung? Fehlanzeige! Jubiläumsveranstaltungen? Von wegen.

Schade, dass so wenig in Erinnerung geblieben ist. Eben noch ein Meteor und da sitze ich nun auf meiner Wolke und blicke hinab auf Stuttgart, Paris und Berlin, den wichtigsten Stationen in meinem irdischen Leben, in dem ich am 23. Juli 1721 an der Spree das Licht der Welt erblickte. Danach ging es turbulent weiter, denn ich wurde als 7. Kind in eine Künstlerfamilie geboren und nicht nur mein Bruder, sondern auch meine Schwestern, Nichten und Neffen wurden Künstler.

Pardon, ich vergaß mich vorzustellen, gestatten: Anna Dorothea Therbusch geborene Lisiewska. Porträtmalerin mit dem starken Willen auch andere Themen in meinen Bildern darzustellen.

Akademiestudium – für Frauen keine Option

Zum Studium an eine Kunstakademie durfte ich im 18. Jahrhundert nicht, aber die Ausbildung im väterlichen Atelier war sowieso immer der erste Weg in die Kunstszene, und Patenschaften und Künstlerfreundschaften sind da umso wichtiger. Mein Pate war der Berliner Porträtmaler und Kupferstecher Modestinus Eccardt (1684-1768), mein Vater Georg Lisiewski (1674-1751) war preußischer Hofmaler und auch Porträtmaler. Er war mein erster Lehrer, aber auch von Antoine Pesne (1683-1757) habe ich viel gelernt, vor allem durch die Kopien, die ich nach seinen Porträts angefertigt habe. Überhaupt das Selbststudium, unermüdliches Üben, lesen und probieren halfen mir, vor allem in der Zeit nach meiner Heirat mit dem lieben Ernst. Da war ich doch sehr auf unsere Gastwirtschaft zur „Weißen Taube“ in der Heiliggeiststraße im Zentrum von Berlin reduziert, vor allem auch durch die Geburt unserer fünf Kinder. Aber als die aus dem Gröbsten waren, konnte ich endlich reisen!

Beziehungen sind alles!

Gut war, dass ich ein paar Empfehlungen hatte und schon Bekanntschaften, auf die ich zurückgreifen konnte, denn die Beziehungen zwischen Preußen und dem damals ausländischen Stuttgart in Württemberg waren gut. So wurden die drei württembergischen Prinzen Carl Eugen, Friedrich Eugen und Ludwig Eugen ab 1741 mehrere Jahre hier bei Friedrich dem Großen (1712-1786) in Berlin erzogen. Ihren Erzieher, den damaligen Oberhofmarschall Gustav Adolf Graf von Gotter (1692-1762), hatte ich gerade in einem sehr sprechenden Porträt festgehalten. Er war den schönen Seiten des Lebens zugetan und das wollte ich zeigen.

Die spätere Frau von Friedrich Eugen, eine Nichte Friedrich des Großen, Friederike Dorothea Sophia von Brandenburg-Schwedt, hatte ich bereits Anfang der 1740er Jahre als Kind gemalt. Ihr kennt sie wahrscheinlich als Erwachsene von dem Porträt, dass heute im Alten Schloss im Landesmuseum Württemberg in Stuttgart hängt. Friedrich Eugen stand wie sein Bruder Ludwig Eugen in militärischen Diensten.

Friederike Dorothea Sophia von Brandenburg-Schwedt (1736-1798) mit ihrem Sohn Friedrich von Württemberg (1754-1816), später König von Württemberg, Johann Georg Ziesenis?

Ein Freund, ein guter Freund, das ist das Beste …

Aber auch Berliner Künstler waren schon in Stuttgart, an die ich mich wenden konnte, wie mein lieber Freund, der Landschaftsmaler Adolf Harper (1725-1806). Von ihm habe ich als Dank auch ein Freundschaftsbildnis gemalt, das er nach seiner Pensionierung der Berliner Akademie der Künste schenkte. Der Absolvent der Hohen Karlsschule Jakob Christian Schlotterbeck (1757-1811) hat noch nach meinem Tod einen Kupferstich nach diesem Gemälde gestochen.

Es war mir eine Ehre!

Es diente als Unterrichtsmittel in der Académie des Arts, die im Jahr meiner Ankunft in Stuttgart 1761 gegründet worden war, ein Jahr später wurde ich dann erstes weibliches Ehrenmitglied. Studieren durften wir zwar nicht, aber wenn man gut war und entsprechende Empfehlungen hatte, konnten wir Frauen wenigstens Mitglieder werden. Unterrichten durften wir eigentlich nur privat. Aber unsere Aufnahmestücke waren Vorbilder im Studium der Akademien. Mein Aufnahmestück war ein Selbstporträt, in dem man den ganzen Elan, den dieser Neuanfang für mich bedeutete, sehr gut sehen kann.

Selbstbildnis, 1761 © Staatsgalerie Stuttgart

Gefragt bei Hofe und der besseren Gesellschaft

Und der werte Herr Ueküll berichtete weiter über die Stuttgarter Zeit: „Da liess sich alles, was den damals hohen Preis bezahlen konnte, mahlen.“ Ja, stolze Preise habe ich genommen, aber ein repräsentatives Leben und Reisen waren in der Zeit auch nicht billig. Schließlich musste ich ja entsprechend gekleidet bei Hofe auftreten. So war es mir sehr recht, dass neben dem großen Suppraporten-Auftrag für das Neue Schloss – ein Flügel des Neubaus war kurz nach der Fertigstellung abgebrannt – auch die Hofgesellschaft zu meinen Auftraggebern gehörte, z. B der Herr von Graisberg, der Philipp Heinrich war es, glaube ich, man bringt die vielen Vornamen, die damals üblich waren ja schnell mal durcheinander; er war geheimer Rat, Kammerherr und Landoberjägermeister, deshalb habe ich ihn auch mit seinem Jagdorden porträtiert.

Philipp Heinrich (?) von Gaisberg von Anna Dorothea Therbusch, um 1766

Wie gut, dass man jemanden kennt, der jemanden …

Vieles von dem, was ich damals gemalt habe, ist verschollen, so auch die 18 schönen Gemälde für´s Neue Schloss, die die Künste, die Tugenden und die vier Jahreszeiten darstellten. Aber eine schöne Zeit war es mit all den Feierlichkeiten, die damals am Hofe Herzog Carl Eugens geboten wurden. Mein Freund Niccolò Jommelli hat wunderbare Musik komponiert, die meist an den Geburtstagen des Herzogs uraufgeführt wurden. Mit seinem Porträt habe ich mich dann auch an der Akademie in Bologna beworben und hatte Erfolg! Praktisch, dass er das Privileg hatte, sich vom Hof zu entfernen um in Italien Urlaub zu machen, nicht selbstverständlich in jener Zeit, denn als Hofkünstler hatte man Residenzpflicht! Durfte sich also nicht einfach so vom Hof entfernen, um jemanden zu besuchen, nur mit der Erlaubnis des Herzogs. Mit meinen Freunden habe ich damals auch Geburtstag gefeiert, da hatte man schließlich die beste Übung in Stuttgart und Umgebung. Wie meine Karriere dann weiterging wurde schon an anderer Stelle in diesem Blog berichtet.

Vielleicht denken ja, an ein paar Orten, ein paar Leute an meinen 300. Geburtstag, ich stoße auf jeden Fall hier oben mit meinen alten Freunden nicht nur aus der Stuttgarter Zeit an. Harper, Jommelli, Guibal und Philippe de La Guêpière sitzen ein paar Wolken weiter und die Mannheimer Kollegen Peter Anton Verschaffelt und Nicolas de Pigage sehe ich auch weiter hinten. Schön, dass man sich nicht aus den Augen verliert hier oben, das wird ein schöner Tag, den wünsche ich Euch auch! Ach ja, ein paar Berliner*innen lassen mich auch hochleben und gedenken meiner, sehr nett, merci beaucoup.

P.S.: Lust noch mehr von mir zu erfahren? Dann lest dieses Interview im Online-Frauen-Magazin AVIVA-BERLIN!

1 Kommentar zu “Bon anniversaire à moi!”

  1. Schön, dass Katharina Küster an diese bedeutende Künstlerin mit einem kompetenten Text erinnert. Je nach Talent und Ausbildungsmöglichkeit gibt es aus dieser Zeit auch manche bescheidene Malerei, Aber Therbusch hat internationales Niveau auf der Höhe der Anforderungen der Pariser Akadamie. Schauen Sie selbst: die psychologische Tiefe des späten, schonungslosen Selbstporträts oder das auch technisch brillante Bildnis des Kollegen und Freundes Harper.

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