Vorbildhafte Motive und Techniken: Druckstoffe aus den Sammlungen des Stuttgarter Landesgewerbemuseums

Derzeit widmet sich die Abteilung Kunst- und Kulturgeschichte in unterschiedlichen Teilprojekten der Erforschung der Sammlungen des ehemaligen Stuttgarter Landesgewerbemuseums. Über 4.000 Objekte konnten im Rahmen des Förderprojektes LGM-Online erfasst und digital veröffentlicht werden. Auch an der Erschließung zugehöriger Quellen und Inventaren wird seit zwei Jahren kontinuierlich gearbeitet.

Zu den vielseitigen Sammlungen des ehemaligen Stuttgarter Landesgewerbemuseums gehörte auch eine umfangreiche Textilsammlung. Innerhalb derer bilden die Druckstoffe einen besonders interessanten Bereich: Das Stuttgarter Landesgewerbeamt sammelte auch hier alles, was technisch neuartig und historisch bedeutend erschien.

Dekorationsstoff „Histoire de Psyche“, Manufacture Oberkampf (Jouy-en-Josas), um 1810, Baumwolle bedruckt, Inv.Nr. 1986-337

Die Technik des Druckstoffs reicht zwar bis in die Antike zurück, spielte aber erst ab dem späten 17. Jahrhundert eine Rolle, bevor er im 18. und 19. Jahrhundert seine Blütezeit erlebte.

Beim Durcharbeiten und dem Transkribieren der in Sütterlinschrift verfassten Inventarblätter des Landesgewerbemuseums erschließt sich die Vielfalt der Sammlung: So kann man Motivgeschichten und Techniken ausmachen oder verschiedene Zentren des Druckstoffes und damit verbunden eine Wirtschafts- und Handelsgeschichte erarbeiten. Einige des aus mehreren hunderten Druckstoffen bestehenden Konvoluts sollen hier vorgestellt werden.

Jouy – Zentrum des Druckstoffs

Das nahe bei Versailles gelegene Jouy-en-Josas gilt als Zentrum des Druckstoffs und hat heute ein ganz eigenes Museum für Druckstoffe. Die Toile-de-Jouy (französisch für Stoff aus Jouy) ist bekannt für ihre Dessins, die mittels Kupferstichplatte auf Baumwollstoff aufgebracht worden. Im Frankreich des 17. Jahrhunderts waren die pflegeleichten Baumwollkattune aus Indien und dem mittleren Osten sehr beliebt, da bis 1759 Handel mit heimischen Baumwollstoffen in Frankreich verboten war. Mitte des 18. Jahrhunderts begann man verstärkt, eine heimische Produktion aufzubauen.

Bedruckter Dekorationsstoff „Les Monuments du Rome“, Manufacture Oberkampf (Jouy-en-Josas), 1821, Baumwolle bedruckt, Inv.Nr. 1986-339

Eine der ersten und bekanntesten Manufakturen war die des aus Wiesenbach im Landkreis Schwäbisch Hall kommenden Christophe-Philippe Oberkampf, 1760 gegründete „Manufacture Oberkampf“. Häufige Motive sind ländliche Szenerien, Vögel, Fabelfiguren. Traditionell ist das Dessin der Toile de Jouy zweifarbig: Auf weißen Stoff wird entweder in Rot oder Blau gedruckt. Besonders auffällig sind die vielen Blumenmuster in den verschiedensten Ausführungen: von zarten und filigran Darstellungen über zahlreiche Rankendarstellungen, bis zu stilisierten und farbintensiven Blumenmotiven.

Gemäldestile

Viele der Motive auf den Druckstoffen erinnern an den Stil des Malers Jean-Antoine Watteau (1684–1721). Die auf den Druckstoffen dargestellten Schäferszenen und ländlichen Vergnügungsszenen erinnern an die von ihm geschaffene Bildgattung. Häufig sind jedoch nur noch Fragmente der Stoffe erhalten.

Bedruckter Atlasstoff mit Akanthusranken, Frankreich, Mitte 18. Jahrhundert, Seide bedruckt, Inv.Nr. GT 5607

Auch der Stil des von Watteau beeinflussten François Boucher (1703–1770) lässt sich vielfach widerfinden. Die Werke des französischen Malers des Rokokos zeichnen sich durch idyllische, ruhige und mythologisch-allegorische Szenen mit zarten Farben und sanften Formen aus.

Geschichte eines Sammlers

Neben Techniken, Motivgeschichten und Künstlerbiographien lassen sich über die Druckstoffe auch Sammlungsgeschichten erforschen. So wurden mehr als ein Dutzend der Druckstoffe von einem Robert Forrer angekauft. Doch wer war die Person und warum kamen so viele Druckstoffe aus seinem Besitz? Der Schweizer Robert Forrer (1866–1947) vereinte eine Vielzahl von Professionen: Er war Kunsthändler, Kunsthistoriker, Archäologe, Museumsdirektor, Denkmalschützer und Sammler.

Druckstoff mit Rundfeldern mit romanischem Ornament, Niederrhein, 17. Jh., aus der Sammlung Robert Forrer 1899 ins Landesgewerbemuseum gekommen, Inventarnummer GT 6539

Tapetenstoff mit Blumen- und Gebäudemuster, flämisch 17. Jahrhundert, aus der Sammlung Robert Forrer Ende des 19. Jh. ins Landesgewerbemuseum gekommen, Inventarnummer GT 5884

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Bei seiner Sammeltätigkeit beschränkte er sich nicht auf einen bestimmten Bereich, sondern auf ein extrem breites Spektrum, das von Fliesen-Keramiken über Schmuck bis zu Textilien reichte. Hatte er über die Sammeltätigkeit einen Themenbereich für sich genügend erschlossen und dazu publiziert, verkaufte er die Sammlungen meist gewinnbringend. Er war europaweit gut vernetzt und pflegte Kontakte zu Kunsthändlern und Museen gleichermaßen. Auch viele andere Museen in Frankreich und Deutschland bezogen Objekte aus seinen Sammlungen.

Für unsere weiteren Forschungen zu den textilen Sammlungen des Stuttgarter Landesgewerbemuseums wird weiter die Frage zu bearbeiten sein, wie genau der Kontakt des Landesgewerbemuseums zum Schweizer Kunsthändler Forrer zustande kam und nach welchen Kriterien Druckstoffe gesammelt wurden. Aber auch welche Sammlungsschwerpunkte die textile Sammlung generell hatte, die schon ab 1849 mit Gewebemustern ihren Anfang nahm, sind Themen, deren Untersuchung sicher weitere Erkenntnisse mit sich bringen werden.

Blick in die Abteilung für Textilien im Landesgewerbemuseum Stuttgart, um 1930

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