Krieg, Belagerung und Zerstörung haben heute wie vor über 300 Jahren nichts von ihrem Schrecken verloren. Der Dreißigjährige Krieg (1618-1648) hatte Württemberg zerstört, geplündert und entvölkert hinterlassen.
1693 sah sich Stuttgart während der Franzoseneinfälle erneut großer Gefahr ausgesetzt. Wegen ausstehender Kontributionszahlungen drohte die Zerstörung Stuttgarts. Da die Zahlungen nicht aufgebracht werden konnten, mussten als Sicherheit Geiseln aus der Spitze von Verwaltung und Geistlichkeit gestellt werden. Als sich die Ankunft der benannten Geiseln verzögerte und die zu zahlenden Gelder noch nicht entrichtet worden waren, drohten die Franzosen mit der Einäscherung Stuttgarts.
Um die Stadt zu retten, fassten vier mutige Stuttgarter den Entschluss, sich als Interimsgeiseln freiwillig zur Verfügung zu stellen, darunter der Angehörige der „Landschaft“, der politischen Vertretung Stuttgarts, Johann Heinrich Sturm (1645-1709). Da der als Vertreter der Geistlichkeit bestimmte Prälat Bardili (1633-1705) aus Blaubeuren unterwegs erkrankt war, nahmen die Franzosen den Göppinger Vogt Georg Sigmund Schott (1655-1695) fest. Er hatte freiwillig die Franzosen in bester Absicht aufgesucht, um sie mit Lebensmitteln und Wein milde zu stimmen und so die Zerstörung Göppingens zu verhindern.
Eine lange Leidenszeit
Drei Jahre lang blieben die Geiseln in Gefangenschaft, zuerst in Straßburg, später in Metz. Wie wir aus ihren Briefen wissen, die heute im Hauptstaatsarchiv Stuttgart aufbewahrt werden, war die Behandlung in der französischen Gefangenschaft „hart und schmählich“. Bei dürftiger Kost, die von den Geiseln selbst teuer bezahlt werden musste, wurden sie entweder zusammengepfercht oder in Isolationshaft gehalten.
Als Zeichen tiefer und unauflöslicher Verbundenheit hatten sich die Geiseln Doppelringe mit den eingravierten Namen dieser Schicksalsgemeinschaft anfertigen lassen. Zwei ineinander gehängte Ringe, die zusammengeschoben werden können. Von den Geiseln überlebten zwölf die mehr als drei Jahre dauernde Geiselhaft. Zwei waren in Metz verstorben – so auch der Göppinger Vogt Georg Sigmund Schott.
Als Dank für die großen Opfer, die sie für Ihre Heimat erbracht hatten, verehrte die „Landschaft“ den Zurückgekehrten und den Angehörigen der Verstorbenen insgesamt 16 Kugelfußbecher mit individuellen Widmungen. Für die Mitglieder des „Engeren Ausschusses der Landschaft“ wurde eine unbekannte Anzahl etwas kleinerer Becher in Auftrag gegeben, einer von ihnen hat sich in der Kunstkammer der Herzöge von Württemberg in unserer Ausstellung „Wahre Schätze“ erhalten.
Bekrönt werden sie von einem liegenden Hirsch, dem württembergischen Wappentier. Auf der Wandung tragen sie das Wappen der württembergischen Landschaft. Bis heute haben sich vier der größeren Becher erhalten, darunter der Becher für die Basler Bankiers Leisler, die letztendlich das geforderte Lösegeld gestellt hatten.
Der Geiselbecher der Familie Schott
Zu den vier erhaltenen Bechern gehört auch derjenige, der den Angehörigen von Georg Sigmund Schott überreicht wurde und der sich zusammen mit dem dazugehörigen Doppelring bis heute im Eigentum der Familie befindet.
Zu verdanken ist dies der Tatsache, dass sie als ehrendes Andenken in den Familien der Nachkommen bewahrt werden. An Familientagen stehen sie im Zentrum der Feierlichkeiten, um der mutigen und vorbildlichen Opferbereitschaft der Ahnen des Geiseldramas von 1693 bis 1696 zu gedenken und so als Vorbild zu dienen.
Dank der großzügigen Leihgabe der Familie Schott kann dieser Geiselbecher – zusammen mit zwei weiteren und den beiden erhaltenen Doppelringen – in den „LegendärenMeisterWerken“ des Landesmuseums Württemberg, im zweiten Obergeschoss des Alten Schlosses, besichtigt werden.
Wir sagen Danke und freuen uns über ein solches Geschichtsbewusstsein!
Eine wirklich schöne Erwerbung. Ich wünschte mir Einzelheiten der Beschriftungen zu erfahren. Beim Literaturhinweis – Rückert – fehlen Verlag und Jahr.
Guten Tag Claus Thurm,
vielen Dank für den Hinweis und Ihre Nachfrage: Die Inschriften auf den Bechern – auch auf unserer neuen Leihgabe – sind personalisiert und individuell in Reimform ausformuliert. Sie beziehen sich sehr spezifisch auf das jeweilige Schicksal der Geisel bzw. das Wirken des Widmungsempfängers. Hier beispielhaft die Inschrift auf dem Becher für die Basler Bankiers Leisler: „Die Landschafft Württenberg stellt hier ein Zeichen nider/ der hohen danckbarkeit, vor sich und Ihre glider/ dem werthen Bruder Paar, die, ob sie fremdling schon/ dem Land doch abverdient den allergrosten Lohn/ Der ungemeinen treu, die keinen Scheu getragen/ Franz Leisler sonderlich ihr haab und gut zu wagen/ dis Kleine danck Praesent soll ein denckzeichen seyn/ Das etwas höhers sich hätt sollen stellen ein“.
Die Inschriften enden mit einer von Becher zu Becher leicht variierten Widmungsformel, so weiter auf dem Becher der Gebrüder Leisler: „Zu schuldigen Ehren und immerwehrendem denckmahl/glücklich ausgeführten Liberations wercks der Fürst/ württenberg geiselschafft Herrn Franz Leislern,/ und dessen Herrn brudern vornehmen Banquiers/ in Basel praesentiert von G.P.V.L.J.W. [Gemeinde Prälaten und Landschaft in Württemberg]/M.DC.XCVII [1697]“.
Viele Grüße
Judith Thomann
Am 5.6.2022 ist mein Vater Erwin Schott im Alter von 100 Jahren gestorben. Bei der Haushaltsauflösung ist mir der von Ihnen beschriebene Geiselbecher aufgefallen. Wir sind im Besitz eines solchen Geiselbechers, der 1890 nach dem Original hergestellt wurde. Zu diesem Geiselbecher gibt es ein Gg. Sigmund Schott`s Nachfahren – Buch, das im Jahre 1929 erstellt worden ist. Hieraus ergeben sich drei Nachfahrenlinie
Tübinger Linie
Stuttgarter Linie
Uracher Linie
Sollten Sie an weitere Informationen interessiert sein, dürfen Sie gerne mit mir über meine E-Mail Adresse Kontakt aufnehmen.
Außerdem gibt es noch weitere historische Dokumente aus der Schott-Linie ca. ab 1865.
Gerne sende ich Ihnen auch Bilder von dem in meinem Besitz befindlichen Geiselbecher.