Multitalent Bernhard Pankok und die Sammlungsarbeit im Landesmuseum Württemberg

Bernhard Pankok (1872–1943) nur als Architekten zu bezeichnen, greift viel zu kurz. Während meiner Arbeit als wissenschaftliche Hilfskraft im Digitalisierungsprojekt seiner Entwurfszeichnungen durfte ich die Bandbreite seines Schaffens kennenlernen: Es finden sich Wohnhausentwürfe, Möbel, Kostüme, Bühnenbilder, Zeppeline, Bodenseedampfer, Beiträge zur Pariser Weltausstellung und vieles mehr. Außerdem war er Teil der Münchener Secession und Mitglied im Deutschen Werkbund. Der Titel Tausendsassa oder Multitalent passt hier wohl besser.

Farbige Zeichnung eines Mannes mit grüner, enger Strumpfhose, einer braunen Jacke mit breiten Ärmeln und einem roten Gürtel.

Abb. 1: Kostümentwurf „Francesco“ für Max von Schillings Oper „Mona Lisa“, 1915. Objekt in der Sammlung Online

Akkurate Zeichnung auf braunem Papier von einem Raum mit tiefen Decken und breiten Sitzbänken und Stühlen an rechteckigen Tischen.

Abb. 2: Perspektivische Innenansicht der 1. Klasse im Bodenseedampfer „Friedrichshafen“. Objekt in der Sammlung Online

Ein Blick hinter die Kulissen

Das einjährige Projekt – gefördert von der Stiftung Kulturgut Baden-Württemberg – zielt darauf ab, Bernhard Pankoks Entwurfszeichnungen zu digitalisieren und im Anschluss online zugänglich zu machen. Die 3.500 Blätter füllen mehrere Schränke unseres Depots und werden von unseren Registrarinnen Sonja Kitzberger und Hanni Schön eingescannt, vermessen und verschlagwortet. Die erarbeiteten Informationen werden dann in unserer Datenbank IMDASpro erfasst. So bekommt jedes Objekt einen eigenen Datensatz, was den Vorteil hat, dass sie schnell gefunden werden können und die Informationen für unser gesamtes Team zugänglich sind. Um die Gesundheit der Registrarinnen und die fragilen Originale zu schützen, werden Ganzkörperanzüge und Handschuhe getragen.

Eine Person steht in einem weißen Ganzkörperanzug mit einer schwarzen Sauerstoffkiste auf dem Rücken vor einem Tisch.

Abb. 3: Registrarin in einem Ganzkörperanzug an einem Objektscanner.

Auf einem weißen Tisch liegt ein bräunliches Papier, das eine Zeichnung zeigt.

Abb. 4: Fragiles Objekt, das mit Handschuhen bearbeitet wird.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Vor den Zeiten digitaler Museumsarbeit bekam jedes Objekt eine Karteikarte, welche in einem Karteikartenregister geordnet waren – so auch bei den Entwurfszeichnungen von Bernhard Pankok. Meine Aufgabe ist es, zusammen mit Lara Bräuninger und Charlotte Maaß die Informationen der Karteikarten in die Objektdatenbank zu überführen, bevor sich unsere Registrarinnen die Originale vorknöpfen.

Eine längliche Schublade ist aus einem Schrank gezogen. Die Karteikarten sind mit rotem und grünem Papier markiert.

Abb. 5: Analoge Information: Schrank mit Karteikarten

Ein Computer-Bildschirm zeigt ein digitales Programm in den Farben Blau und Weiß.

Abb. 6: Digitale Information: Objektdatenbank

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Das „Gesamtkunstwerk“ als Maß aller Dinge?

An der Arbeit gefällt mir besonders, einen Großteil von Bernhard Pankoks Werken kennenzulernen. In meinem Studium der Kunstgeschichte ist es üblich, einzelne Werke von Künstler*innen zu analysieren, wodurch sich nach und nach ein Netz aus Stilen, Strömungen, Epochen und Künstler*innen spannt. Pankoks Schaffen lässt sich gut mit anderen Vertreter*innen der angewandten Kunst seiner Generation vergleichen. Für ihn wie für viele andere war das Schaffen eines „Gesamtkunstwerks“ von großem Wert. Egal ob Wandverkleidung, Möbel, Architektur oder Gebrauchsobjekte – alles sollte „aus einem Guss“ gefertigt sein. Beispielsweise stattete Pankok einen gesamten Raum im deutschen Repräsentationsgebäude der Pariser Weltausstellung 1900 aus.

Vergilbte schwarz-weiß Fotografie einer Raumansicht mit Sofa, Stühlen und Deckenleuchten.

Abb. 7: Fotografische Ansicht von Pankoks „Erkerraum“, Pariser Weltausstellung 1900. Objekt in der Sammlung Online

Ein weiterer Secessionist

Mich erinnert Bernhard Pankok besonders an den Wiener Künstler Koloman Moser (1868–1918). Er war Mitbegründer der Wiener Werkstätte und Mitglied der Wiener Secession. Vor allem kann man ihn als Maler, Grafiker und Kunsthandwerker charakterisieren aber die Titel Tausendsassa und Multitalent treffen ebenfalls auf ihn zu. Auch ihm war das Gesamtkunstwerk eine Herzensangelegenheit, was man besonders bei den Möbeln für das Ehepaar Eisler von Terramare sehen kann. Die Möbel sind mit einer Intarsienoberfläche gestaltet. Dabei werden dünne Holzfurnierstücke so geschnitten, dass sie wie Puzzlestücke ineinanderpassen. Intarsien waren auch für Pankok ein probates Mittel, seine Möbelstücke im Sinne eines Gesamtkunstwerks zu verzieren. Ein Beispiel ist das „Musikzimmer“, das Pankok für die deutsche Abteilung im Kunstgewerbepalast der Weltausstellung in St. Louis 1904 entwarf.

Fotografie eines aus Holz gefertigten Ornaments mit gebogenen Linien und Kreisformen.

Abb. 8: Täfelung und Intarsienfüllung in Pankoks „Musikzimmer“, Weltausstellung St. Louis 1904. Objekt in der Sammlung Online

Zeichnung einer Verzierung aus verschnörkelten Linien für einen Flügel auf bräunlichem Papier. Daneben in gezeichneten Lettern: Schiedmayer Pianofortefabrik Stuttgart.

Abb. 9: Bernhard Pankoks Intarsienentwurf eines Flügels, ausgeführt von der „Schiedmayer, Pianofortefabrik, Stuttgart“.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Das Warten lohnt sich

Nicht nur diese kunsthistorischen Verweise, sondern auch die Zusammenarbeit mit Kolleg*innen bereichern meine Arbeit im Landesmuseum Württemberg. Wir alle arbeiten fleißig an der Fertigstellung des Projekts. Ich freue mich, wenn bald auch die Öffentlichkeit die interessanten Entwürfe Bernhard Pankoks in unserem digitalen Museum bestaunen kann.

 

Abbildungsnachweis und Nutzungsbedingungen:

Abb. 1: Bühnenausstattung Mona Lisa: Kostümentwurf, Francesco, 1915, (Public Domain Mark 1.0), 1974-50.2285
Abb. 2: Bodenseedampfer ‚Friedrichshafen‘: Perspektivische Innenansicht, Kajüte 1. Klasse, um 1900, (Public Domain Mark 1.0), 1974-50.2136
Abb. 3: Registrarin in einem Ganzkörperanzug an einem Objektscanner, Foto: Sonja Kitzberger, Landesmuseum Württemberg (CC BY-SA 4.0)
Abb. 4: Fragiles Objekt, das mit Handschuhen bearbeitet wird, Foto: Sonja Kitzberger, Landesmuseum Württemberg (CC BY-SA 4.0)
Abb. 5: Schrank mit Karteikarten, Foto: Leticia Martinez Schulz, Landesmuseum Württemberg (CC BY-SA 4.0)
Abb. 6: Objektdatenbank, Foto: Leticia Martinez Schulz, Landesmuseum Württemberg (CC BY-SA 4.0)
Abb. 7: Erkerraum: Ansicht des Innenraums, Blick zur Tür zum ‚Zimmer eines Kunstfreundes‘, um 1900, (Public Domain Mark 1.0), 1974-50.0945
Abb. 8: Musikzimmer St. Louis 1904: Täfelung, Intarsienfüllung, um 1904, (Public Domain Mark 1.0), 1974-50.1075
Abb. 9: Werkbundausstellung 1917, Musikzimmer: Flügel, Intarsien, ‚Schiedmayer, Pianofortefabrik, Stuttgart‘, Erstes Viertel 20. Jh., (Public Domain Mark 1.0), 1974-50.1299

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