Mammutprojekt Depotumzug Steinzeiten und Römer – Ein Blick hinter die Kulissen des LMW

Licht am Ende des Tunnels

Der Umzug von zwei der insgesamt vier archäologischen Sammlungen und der römischen Steindenkmäler des Landesmuseums Württemberg (LMW) neigt sich dem Ende zu. In einem Kraftakt haben wir im vergangenen halben Jahr rund 15.000 Fundkartons, Packstücke und Einzelobjekte von Feuersteingeräten über Steinbeile, Tonkrüge, Gläser und Metallbeschläge bis hin zu Holzsärgen und Grabsteinen von einem Ort zum anderen verlagert (Abb. 1 und Abb. 2). Dem voraus ging eine über zweijährige Vorbereitung, an der ein Team von bis zu 15 Personen aus den Bereichen Archäologie, Restaurierung und IT beteiligt war. Der Grund für den Umzug des Steinzeiten- und Römerdepots war baulicher Natur. Die bisherigen Räume sollen umgenutzt werden. Zudem entsprachen sie nicht mehr den heutigen Vorgaben für ein modernes Museumsmagazin.

Graubrauner schmaler Becher mit umlaufenden Falten am Bauch, darunter die Inventarnummer.

Abb. 1: Fotoetikett für einen verpackten römischen Faltenbecher

 

10 cm lange, keilförmige graubraune Axtklinge aus Stein mit Resten des Griffes im Schaftloch.

Abb. 2: Dokumentationsfoto einer Axt mit Rest des Holzschaftes aus Ehrenstein

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Zeitgleich zu den Vorbereitungen für dem Umzug der Objekte wurden die Voraussetzungen für die bauliche Aufrüstung und die Einrichtung des neuen Depots inklusive der Büroräume geschaffen. Auch hier waren unterschiedlichste Gewerke innerhalb und außerhalb des Museums tätig, neben den oben genannten noch Depotverwaltung, Projektsteuerung, Gebäudemanagement, Sicherheit und Baureferat.

15.000 Kartons und bloß kein Durcheinander

Wir kennen es vom Privatumzug: Eine gute Vorbereitung ist das A und O. So war es auch bei unserem Sammlungsumzug. Der eigentlichen Umlagerung der Objekte ging eine minutiöse Vorbereitung mit vielen kleinen Arbeitsschritten voraus: Extra eingestellte Mitarbeitende wurden in allen relevanten Bereichen vom Objekthandling über Datenverwaltung bis hin zu Sicherheit geschult. Der Bestand erfuhr eine gründliche Inventur. Alte Kartonagen wurden gegen neue ausgetauscht (Abb. 3), Kisten und Paletten mit Etiketten versehen. So konnten wir sicher sein, dass die unzähligen kleinen und großen Fundstücke unversehrt und wohl sortiert von einem zum anderen Ort gelangten.

Regalfachböden mit hellgrauen neuen und alten bräunlichen Verpackungskartons im Vergleich.

Abb. 3: Links und oben die grauen, säurefreien Kartons, in die viele Objekte neu verpackt wurden

Regal mit nummerierten Holzpaletten mit jeweils einem hellgrauen Bruchstück aus Sandstein

Abb. 4: Auf neuen Schwerlastregalen lagern römische Säulentrommeln aus Sandstein

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Das neue Depot ist keine einfache Lagerhalle, sondern muss komplexe Anforderungen erfüllen. Im Vorfeld wurde der Platzbedarf analysiert und eine sinnvolle Raumaufteilung vorgenommen, denn die klimatischen Anforderungen der einzelnen Objekte unterscheiden sich stark. So benötigen organische Materialien wie Holz und Leder eine höhere Luftfeuchtigkeit als beispielsweise Metalle. Lagersysteme und Regale wurden entsprechend der jeweiligen Objektgattungen ausgewählt und Arbeitsflächen geschaffen, auf denen die Objekte für die Bearbeitung ausgelegt werden können (Abb. 4).
Insgesamt wurden rund 900.000 Sammlungsobjekte bewegt. Es handelt sich um Fundmaterial aus archäologischen Ausgrabungen sowie von Aufsammlungen und umfasst die Materialgruppen Keramik, Glas, Gestein, bearbeitete Feuersteine, Bronze, Eisen, Ziegel, Knochen und Geweih, aber auch Holz, Leder und Textilien.

Auf die Verpackung kommt es an …

Nicht nur die Objekte sollten sicher ins neue Depot gelangen, sondern ihre Verpackungen sollten auch heutigen Standards genügen. Teilweise lagerten die Fundstücke aus der Stein- und der Römerzeit in Kartons, die beschädigt sowie verstaubt waren und deren Etiketten sich abzulösen begannen. Alte Fundtüten wurden durch PE-Tüten ersetzt. Die neuen Verpackungen bestehen jetzt aus säure- und emissionsfreien Materialien (Abb. 5).
Besonders fragile Objekte wie Wandverputz oder organische Reste von Kleidung und andere Textilien oder kleine Bronze- und Eisenartefakte wie Messer, Beschläge und Schmuck mussten in den Kartons neu gelagert werden (Abb. 6). Es ging also nicht nur um den Austausch von Kartons, sondern vor allem um die Lagerung von sehr sensiblen Objekten in diesen. Sie sollten während des Umzugs möglichst erschütterungsarm transportiert werden.

Weißgestrichener Gewölbekeller mit längs- und querstehenden Regalreihen mit Objektkartons.

Abb. 5: Blick in das ehemalige Steinzeitdepot während der Umsortierung

Person in Arbeitsschutzkleidung an einem Arbeitstisch und Gelenkarme einer Absauganlage.

Abb. 6: Umpacken von Fundmaterial unter der Absauganlage

 

Objekte und Daten, beides muss passen

Parallel zu diesen Umverpackungsmaßnahmen haben wir bisher nicht digital erfasste Fundstücke in unsere Objektdatenbank aufgenommen und Bestandsdatensätze vervollständigt. Dazu war häufig ein vergleichender Blick in Inventarbuch-Einträge, Sammlungsunterlagen und wissenschaftliche Publikationen notwendig. Hilfreich war außerdem eine dreiteilige „Arbeitsstraße“ bestehend aus Foto-, Mess- und Verpackungsstation (Abb. 7). In dieser konnten wir 1600 kleine und große Tongefäße fast wie am Fließband fotografieren, vermessen und erfassen.

Zwei Personen an einem Arbeitstisch mit Laptop und kastenförmiger Konstruktion für das Vermessen.

Abb. 7: Vermessen einer bemalten römischen Amphore und Dateneingabe in die Datenbank

Zwei Objektkartons mit Beschriftung, QR-Code und Fotos der enthaltenen Keramikgefäße.

Abb. 8: Etikettierte Archivkartons mit transportfähig verpackten römischen Tongefäßen

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

In einem Pilotprojekt wurden im Austausch mit dem Bibliothekszentrum Baden-Württemberg (BSZ) zudem alle Kartons und freistehenden Objekte mit neuen Etiketten versehen. Diese wurden hierzu direkt aus der Objektdatenbank generiert und besitzen jetzt zusätzlich einen QR-Code (Abb. 8). So ist es möglich, den jeweiligen Standort zukünftig digital zu erfassen.

 

Schließung des Römischen Lapidariums

Angegliedert an den bisherigen Depotstandort war der Ausstellungsraum des Römischen Lapidariums (Abb. 9). Dort präsentierte das Landesmuseum Württemberg der Öffentlichkeit seit 1989 knapp 90 hiesige Steindenkmäler. Er ist nun dauerhaft geschlossen. Der Umzug dieser Objekte stellte hinsichtlich ihrer Maße und Gewichte eine besondere Herausforderung dar. Von ihren Sockeln heruntergehoben und auf Paletten gesichert werden mussten bis zu 1,9 Tonnen schwere und bis zu 2,40 Meter lange Grab- und Meilensteine sowie Weihealtäre und sonstige Artefakte aus Sandstein. In vielen Fällen war der Einsatz von schwerem Gerät wie Hubwagen oder Autokran notwendig.

Blick auf das Neue Schloss mit Gehweg, Rasenfläche und blauem, teilweise bewölktem Himmel.

Abb. 9: Ehemaliger Zugang zu archäologischem Depot und Römischem Lapidarium im Neuen Schloss. Im Vordergrund die Rekonstruktion der Jupiter-Giganten-Säule von Hausen an der Zaber.

Glücklicherweise kommen nicht alle römischen Steindenkmäler ins Depot. Einen Teil davon präsentieren wir künftig im Landesmuseum Württemberg, nämlich auf einem der Arkadengänge im Innenhof des Alten Schlosses in Stuttgart. Weitere werden künftig gemeinsam mit der Rekonstruktion der Jupiter-Giganten-Säule von Hausen an der Zaber als Dauerleihgabe im Museum im Deutschhof in Heilbronn zu sehen sein.

 

Abbildungsnachweis und Nutzungsbedingungen

Abb. 1 bis 9: Landesmuseum Württemberg (CC BY-SA 4.0)

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