Mit vereinten Kräften – Erforschung und Veröffentlichung unserer mittelalterlichen Skulpturen

Der rund 450 Objekte umfassende Bestand mittelalterlicher Skulpturen gehört zu den national und international bedeutenden Sammlungsbereichen des Landesmuseums Württemberg. Die Sammlung umfasst Bildwerke aus Holz – hierzu werden neben Einzelfiguren und Figurenensembles auch 20 weitgehend erhaltene Altarretabel gezählt –, Skulpturen aus Stein sowie Tonplastiken. Die meisten Objekte stammen aus Kirchen im heutigen Württemberg und/oder wurden in Württemberg angefertigt, aber auch Werke aus anderen Regionen, unter anderem aus Franken, Bayern und Tirol, zählen zur Sammlung.

Einen solch umfangreichen und künstlerisch komplexen Bestand zu erforschen und zu publizieren, stellt eine der Königsdisziplinen der Museumsarbeit dar. Dabei erfordert die systematische Bearbeitung einen langen Atem, denn es ist – parallel zum häufig zeitkritischen „Tagesgeschäft“ wie der Vorbereitung von Ausstellungen oder der Betreuung des Leihverkehrs – vielfältige, teils interdisziplinäre Detektivarbeit gefragt. Die Objekte werden umfassend technologisch untersucht – dazu zählen unter anderem die detaillierte Analyse und Erfassung der verwendeten Materialien sowie des Zustandes – sowie in ihren unterschiedlichen Facetten wie Provenienz, Bildprogramm und Stil kunsthistorisch erforscht.

Öffentlichkeit statt „stilles Kämmerlein“

Damit die Erkenntnisse nicht nur intern für die weitere Beschäftigung mit den Objekten genutzt werden können, sondern der Öffentlichkeit und vor allem auch anderen Forscher*innen zur Verfügung stehen, veröffentlicht das Landesmuseum Württemberg seit vielen Jahren sukzessive die Ergebnisse der technologischen und kunsthistorischen Untersuchungen. 1989 erschien der erste Band der Bestandskataloge „Die mittelalterlichen Skulpturen“, der die Stein- und Holzskulpturen der Zeit von 800 bis 1400 erfasst. 2007 folgte der zweite Band, der mit rund 170 zwischen 1400 und 1530 in Ulm, Oberschwaben und dem Allgäu entstandenen Skulpturen ein Herzstück unserer Mittelaltersammlung vorstellt. Beide Bände wurden als gedruckte Bücher veröffentlicht und stehen also vor allem in Bibliotheken für die Nutzung bereit.

Um unsere Erkenntnisse zukünftig noch unkomplizierter zugänglich zu machen, wird der dritte Band in mehreren Tranchen online publiziert und somit nach und nach für alle Interessierte kostenlos einsehbar sein. Zugunsten einer allgemeinen Zugänglichkeit – also Open Access – haben wir uns dazu entschieden, alle Katalognummern über die „Sammlung Online“ des Landesmuseums Württemberg zu veröffentlichen. Die detaillierten Informationen sind ergänzend zu den üblichen knappen Objekteinträgen als Pdf-Dateien abrufbar. Außerdem werden wir die Teilveröffentlichungen jeweils als Gesamtdatei über die Homepage des Landesmuseums Württemberg zur Verfügung stellen.

Skulpturenkatalog Band 3: Der Anfang ist gemacht!

Der dritte Band zum Bestand unserer mittelalterlichen Skulpturen wird insgesamt rund 180, teils mehrteilige Objekte behandeln. Er wird in mehreren Teilen, die jeweils die Objekte aus einer Region behandeln, online veröffentlich werden. Einen Kernbestand des Projektes bildet mit rund 100 Objekten die Bildhauerei und -schnitzerei Niederschwabens, mit unter anderem aus Stuttgart, Urach, Weil der Stadt oder Rottweil stammenden Werken. Weitere Schwerpunkte sind Württembergisch Franken sowie Franken. Darüber hinaus werden qualitätsvolle Objekte aus weiteren Regionen vorgestellt, unter anderem aus dem Oberrheingebiet, (Süd-)Tirol, Bayern, Wien und Flandern.

Ein Highlight der Skulpturensammlung des Landesmuseums: die Trauernden Frauen von Tilman Riemenschneider

Wir freuen uns sehr, dass nach jahrelanger Arbeit hinter den Kulissen nun die erste Teilpublikation zu diesem umfangreichen Bestand online steht: die Objekte aus Schwäbisch Hall! Das Dokument steht hier als Pdf zum Download bereit.

Das Konvolut von 12 Objekten stellt eine Untergruppe innerhalb der Kunstlandschaft Württembergisch Franken dar. Die in der ehemaligen Reichsstadt Hall entstandenen Werke umspannen einen Zeitraum von um 1465 bis circa 1525. Besonders bemerkenswert sind vier hällische Altarretabel, die teils aufwändige Schreinerarbeiten, qualitätsvolle Bildschnitzerei und kostbare Tafelmalereien vereinen. Allein die Erfassung des Zustandes der unterschiedlichen Bestandteile eines solchen Gesamtkunstwerkes ist äußerst aufwändig. Und so füllen die technologischen und kunsthistorischen Analysen der 12 Objekte samt Abbildungen immerhin 133 Seiten.

Zusammenspiel verschiedener Kolleg*innen

Für die kunsthistorische Bearbeitung der Objekte zeichnet Karl Halbauer verantwortlich, der seit vielen Jahren mit den mittelalterlichen Skulpturen des Landesmuseums Württemberg vertraut ist. Die Texte zu den technologischen Aspekten verantworteten die Restaurator*innen Roland Hahn, Bernadette Henke, Elisabeth Krebs, Wolff-Hartwig Lipinski sowie Ulrike Palm. Die Objektfotografien erstellte der Fotograf des Landesmuseums, Hendrik Zwietasch. Die Redaktion erfolgte durch die Kolleg*innen der Fachabteilung Kunst- und Kulturgeschichte, Ingrid-Sibylle Hoffmann, Matthias Ohm und Olaf Siart. Für die Online-Stellung waren Registrar Chris Gebel sowie die Koordinatorin für digitale Museumspraxis, Noreen Klingspor tätig. Für die Bearbeitung und Veröffentlichung von Sammlungsbeständen ist – wie Ihr seht – nicht nur vielfältiges Fachwissen, sondern auch Teamarbeit gefragt.

Euch wünschen wir nun viel Freude beim Entdecken der mittelalterlichen Skulpturen aus (Schwäbisch) Hall und sind gespannt auf Eure Hinweise zu unseren Stücken.

 

2 Kommentare zu “Mit vereinten Kräften – Erforschung und Veröffentlichung unserer mittelalterlichen Skulpturen”

  1. Es ist jammerschade, dass diese großartigen Ergebnisse lediglich elektronisch publiziert werden sollen – hoffentlich überdenkt man dies und entscheidet sich doch für den Druck.

    1. Sehr geehrter Herr Jansen,
      haben Sie herzlichen Dank für Ihre grundsätzlich positive Rückmeldung zum Erscheinen des 1. Teils des Skulpturenkataloges Bd. III., die wir gerne auch an die Autor*innen der Katalognummern weitergeben.
      Ihre Anregung, die Ergebnisse zusätzlich analog in einem gedruckten Katalog zu veröffentlichen, verstehe ich. Auch ich lese gerne in gedruckten Büchern, bin allerdings bei wissenschaftlichen Publikationen – nicht nur in Zeiten geschlossener Bibliotheken bzw. Mobilitätsbeschränkungen, sondern auch im „normalen“ Alltag – äußerst dankbar, wenn ich diese jederzeit und von überall aus konsultieren kann. Insbesondere aufgrund der größeren Reichweite und der Möglichkeit der kostenlosen Nutzung für alle Interessierten haben wir uns daher für die Online-Veröffentlichung entschieden.

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