Vom 14. Oktober 2023 bis zum 2. Juni 2024 zeigt das Landesmuseum Württemberg die Große Mitmachausstellung „Die kleine Hexe“. Magisches findet Ihr aber nicht nur auf der Sonderausstellungsfläche im 3. Obergeschoss, sondern auch in unseren Schausammlungen Wahre Schätze und LegendäreMeisterWerke. Diese magischen Objekte stellen wir Euch in den nächsten Wochen in Blog-Beiträgen und im KulturKaffee vor.
Und: Es gibt für Euch einen Rundgang durch die LegendärenMeisterWerke: „Kleine Hexereien – 15 magische Objekte“. In diesem Rundgang haben wir 15 Exponate von der Steinzeit bis zum 19. Jahrhundert markiert, denen magische oder übersinnliche Kräfte zugeschrieben wurden.
Mit diesem Blog wollen wir Euch nun einen kurzen Einblick in die Welt der Magie vom Altertum über magische Amulette in der Kunstkammer bis ins Heute geben.
Magie in der griechisch-römischen Welt
Unser heutiger Begriff der Magie kann direkt über das lateinische Wort magia und das altgriechische mageía auf die Antike zurückgeführt werden. Sowohl im alten Griechenland als auch im Römischen Reich gab es einen magus oder mágos, der Handlungen ausführte, die nicht zu den offiziellen Riten innerhalb der jeweiligen Staatsreligion gehörten. Seit dem 4. Jahrhundert v. Chr. war das Verständnis von Magie konkreter mit Schadenszauber verbunden. Magische Praktiken wurde damals sowohl in der Religionsphilosophie (Platon) als auch in der Medizin (Hippokrates) diskutiert. Auch der Kontakt mit Toten durch spezielle Anrufung gehörte in diesen Bereich.
Archäologisch überliefert sind magische Objekte seit dem 6. Jahrhundert v. Chr. in Form von dünnen Bleitäfelchen mit eingeritzten Beschwörungen (sog. tabulae defixionum). Zudem geben uns vor allem aus dem spätantiken Ägypten stammende Papyri in Form von Rezeptbüchern detaillierte Auskunft über magische Riten. Eine wichtige Quelle sind auch Amulette beschrieben mit Anrufungen sowie Zeichnungen von Gottheiten und Dämonen.
In den Bereich der magischen Amulette gehören nachträglich beschriftete und dadurch magisch aufgeladene steinzeitliche Steinbeile. Ein solches ist in der Schausammlung zur Antike im Landesmuseum Württemberg ausgestellt (Abb. 1).
Es handelt sich um ein aus Italien stammendes, mit einer Inschrift versehenes, elf Zentimeter langes neolithisches Steinbeil aus dunkelgrünem geschliffenem Stein. Auf der Vorderseite befindet sich eine zwölfzeilige Reihung von Anrufungen in altgriechischer Schrift: Iao / Analba / Ablanath / Sabaoth / Adonaion / Eloaion / Lakiob / Belblaan / Aeeiouo / Sesengen / Barpharan / Gen.
Nicht alle dieser Wörter können gedeutet werden; und sie sollten auch damals, zur Entstehungszeit des magischen Steinbeils im 2.–3. Jahrhundert n. Chr. nicht für alle Personen zu lesen sein. Die anfängliche Anrufung „Iao“ in Kombination mit dem Beiwort „Sabaoth“ bedeutet „Herr der Heerscharen“ und leitet sich vom hebräischen „Jahwe“ her. Die Anrufung in den letzten drei Zeilen („Sesengen / Barpharan / Gen“) gilt solaren Gottheiten. Alter, Material und Farbe des Steines dienten als perfekte Grundlage für die magische Inschrift.
Diese wurde dann wirkmächtig, wenn ein Magier den Stein mittels bestimmter Handlungen beseelte und ihn dadurch in einen Dämon verwandelte, der seiner Trägerin oder seinem Träger im Guten und Bösen diente. Insgesamt setzt sich die zwölfzeilige Inschrift aus mehrfachen Anrufungen von Sonnengottheiten wie beispielsweise Harpokrates, der Bitte um leiblichen Schutz und einem Liebeszauber („Aeeiouo“) zusammen.
Bereits der römisch-kaiserzeitliche Schriftsteller Plinius beschrieb solche, Beilen ähnliche Donnerkeile (ceraunia), die bei Magiern sehr beliebt waren. Denn man fand sie angeblich nur an Stellen, an denen der Blitz eingeschlagen hatte.
Erworben hat das Steinbeil Prinz Christian August von Waldeck während seiner Italienaufenthalte in den Jahren 1776 bis 1787. Teile von dessen Sammlung gelangten 1959 ins LMW – so auch das einzigartige neolithische Steinbeil mit der magischen Inschrift aus der Römerzeit.
Mehr zu mit Magie, Zauber und übernatürlichen Kräften aufgeladenen Objekten aus der Antiken- und Römersammlung des LMW erfahrt ihr im nächsten Blog unserer Reihe „Hexereien und Magisches im Alten Schloss“.
Magische Amulette aus der Kunstkammer
Um 1600 richteten die Herzöge von Württemberg in Stuttgart ihre Kunstkammer ein. Dort wurden Wunder der Natur ebenso aufbewahrt wie kunsthandwerkliche Arbeiten höchster Virtuosität – und auch magische Amulette fanden das Interesse der fürstlichen Sammler.
Zu diesen Objekten zählt ein quadratisches Amulett, das auf seinen beiden Seiten Inschriften in schlechtem Latein trägt. Die Inschrift auf der Vorderseite sollte wohl lauten: „Tau super hos postes signatum terreat hostes“ – „Das über diese Türpfosten gezeichnete Tau schreckt die Feinde ab“. Mit diesem Text sollte Schaden vom Haus und seinen Bewohner*innen abgewehrt werden (Abb. 2).
Auf einer anderen Amulett-Medaille sind zwei Konjunktionen dokumentiert, die 1603 im Sternbild Schütze zu beobachten waren. Bei einer Konjunktion stehen zwei (oder mehr) Himmelskörper hintereinander, sie bilden einen – vom Mittelpunkt des Tierkreises gemessenen – Winkel von 0°. Bei einer solchen Konstellation können die Planeten nach astrologischen Vorstellungen ihre Kräfte – in positiver wie in negativer Hinsicht – bündeln (Abb. 3).
Beide Amulette konnten an einem Band um den Hals getragen oder an der Kleidung bzw. an der Wand befestigt werden. Bei der runden Medaille ist die goldene Einfassung mit einer Öse erhalten geblieben. Beim quadratischen Amulett ist die Öse oben abgebrochen.
Amulette sollten nach der Vorstellung ihrer Träger*innen vor Seuchen, Gewittern und Krankheiten schützen, sie vor Verletzungen in der Schlacht schützen oder ihnen zu Reichtum verhelfen.
Und heute?
In unserer technischen, aufgeklärten Welt scheint kein Platz für Magie mehr zu sein. Alle Phänomene, die früher unerklärlich schienen, können durch die verschiedenen Wissenschaften erklärt werden, bzw. wir verlassen uns darauf, dass früher oder später eine rationale Antwort auf das „Warum?“ gefunden wird. Dennoch ist mit der Industrialisierung das vermeintlich Übersinnliche aus unserem Alltag nicht vollkommen verdrängt worden. Im 19. Jahrhundert wurden noch Bauzauber in Neubauten eingebracht, das konnten Schriftrollen aber auch Tiere sein, die in die Wände eingemauert wurden, um vor dem Bösen zu schützen (Abb. 4).
Vieles, was früher unter das Stichwort „Magie“ fiel, wird heute als Aberglaube begriffen. Also ritualisiertes Verhalten, das vor Unheil schützen oder Glück bringen soll: das Fußballfeld mit dem richtigen Fuß betreten, der Zuruf „Toitoitoi“ oder die Angst vor der schwarzen Katze, die vor einem in der falschen Richtung den eigenen Weg gekreuzt hat. Nichts davon hat eine wissenschaftliche Erklärung, dafür aber das Gefühl von Zauber, von übersinnlichen Kräften, die im Hintergrund wirken und unser Leben beeinflussen.
Solche Zauber nehmen aber auch einen festen Bestandteil in formalisierten Riten ein. Steht der Dachstuhl auf einem Haus und das Richtfest wird gefeiert, spricht der Zimmermann seinen Richtspruch, trinkt einen Schnaps und wirft das Glas vom Dachstuhl. Dieses muss unbedingt zerspringen, denn sonst bringt es Unglück für das Haus und seine Einwohner.
Auch hier sind scheinbar Mächte am Werk, die wir nicht beschreiben können, uns aber (sofern das Ritual glückt) ein gutes Gefühl geben und Sicherheit verleihen. Magie und Zauberei sind in unserer heutigen, technischen Welt ein letzter Anker für das Unerklärbare, das in Ritualen herausgefordert wird und uns in unserem Handeln bestärken und unterstützen soll.
Dabei entsteht die Vorstellung Teil von etwas Größerem zu sein, immer mit dem Hintergedanken, dass das ganze Ritual ja wahrscheinlich nichts bringt – aber schaden kann es ja auch nicht!
Ein magischer Rundgang durch die wahren Schätze! Das ist ja eine super Idee. Ich freue mich schon darauf, die 15 magischen Objekte zu entdecken! Gibt es dazu eine Schatzkarte? Das wäre prima. Ich bin gespannt, ob Ihr auch den Bezoar eingebunden habt, den Harry Potter sicher gerne studiert hätte. Herzliche Grüße,
Andrea Welz
Liebe Frau Welz,
herzlichen Dank für Ihr Lob. Eine Schatzkarte gibt es leider nicht. Wir nehmen das aber als Anregung gerne an, genauso wie den Bezoar.
Schöne Grüße, Astrid Fendt
Aus Wolfschlugen kann ich Folgendes mitteilen: Nach den Aussagen eines Sportkollegen gibt es in Wolfschlugen noch einen rüstigen 95-Jährigen, der sich daran erinnern kann, als Kind eine Hexenbanner-Zeremonie heimlich beobachtet zu haben. Sie soll in einem Stall stattgefunden haben. Für mich ist das auch deshalb bemerkenswert, weil Wolfschugen eine Gemeinde ist, in der ein Hardcore-Pietismus verbreitet ist. Ich habe dort von 1980 – 1994 gewohnt und damals gab es noch die Einrichtung einer „Stund“, in der sich Pietisten in Privatwohnungen zur Erörterung religiöser Fragen trafen.
Zum Baujahr des Gebäudes in dem das Hexenbanner-Schriftstück gefunden wurde: Beim Landratsamt Esslingen, Vermessungsamt, kann man einsehen, ob das betreffende Gebäude zum Zeitpunkt der Württembergischen Landesvermessung schon errichtet war oder ob es in der Folgezeit errichtet wurde. Aus den Unterlagen des Liegenschaftskatasters könnte unter Umständen das Baujahr des Hauses ermittelt werden.
Lieber Herr Künzer,
vielen Dank für die Rückmeldung! Es ist schon interessant, dass in einem pietistischen Umfeld soviel Magie „gelebt“ wird. Leider haben wir den Hexenbannzettel nicht aus erster Hand erhalten und können daher nicht mehr nachvollziehen in welchem Abrisshaus er gefunden wurde, sonst wäre es tatsächlich ein leichtes gewesen mehr über das Gebäude und dessen Baujahr zu erfahren. Ob das dann auch der Zeitpunkt der Entstehung des Bannzettels sein könnte, wäre zwar noch offen gewesen, aber wahrscheinlicher.
Herzliche Grüße
Markus Speidel