Goldberg revisited

Wenn man wie ich noch dabei ist, „seine“ Sammlung kennenzulernen, sind Anfragen für Abschlussarbeiten oder Forschungsprojekte immer ein willkommener Anlass, sich intensiver mit dem jeweiligen Material zu beschäftigen. Das heißt in der Regel, Steingeräte werden nach Rohmaterial oder Herstellungstechnik, Keramikgefäße nach Form, Verzierung und Machart aufgenommen und untersucht. So war dies auch beim Goldberg. Ein Teil der Funde sollte im Rahmen einer Dissertation ausgewertet werden, so wollten wir die Chance nutzen, die Funde neu zu verpacken und mit den Einträgen in der Objektdatenbank abzugleichen.

Besonderer Ort, besonderer Name

Der Goldberg, ein Platz der in der Archäologie einen vielversprechenden Klang (und dies nicht nur wegen des Namens) hat und dessen Erforschung von Anfang an eng mit dem Landesmuseum verbunden ist. Ganz im Osten von Württemberg gelegen, erhebt sich sein Plateau über die Kraterfläche des Nördlinger Ries‘. Die Herkunft seines Namens ist nicht endgültig geklärt und wird anhand von mittelalterlichen Quellen auf Heinrich von Colburg (vermutlich 13. Jahrhundert) zurückgeführt. Aufgrund der goldenen Farbe der Süßwasserkalke, drängt sich allerdings auch ein viel direkterer Bezug auf.

Die goldfarbenen Süßwasserkalke an der Südseite (c) Landesmuseum Württemberg Fabian Haack

Die goldfarbenen Süßwasserkalke an der Südseite © Landesmuseum Württemberg Fabian Haack

Dorfgeschichten

Für den Ausgräber Gerhard Bersu (1889–1964) schien der Goldberg aus verschiedenen Erwägungen der ideale Platz zu sein. Aufgrund der zahlreichen aufgesammelten Funde war eine intensive und mehrere Epochen umfassende Besiedlung bekannt. Außerdem bot die Lage auf einem begrenzten Plateau beste Voraussetzungen, einen Siedlungsplatz möglichst vollständig zu erfassen und auszugraben. Nur so ließe sich seiner Auffassung nach, die zeitliche und räumliche Entwicklung eines vorgeschichtlichen Dorfes überzeugend nachvollziehen. Ein eher praktischer aber entscheidender Aspekt kam hinzu: Notwendige Arbeitskräfte waren ausreichend vorhanden und günstig.

Wegweisend

Und so entwickelte sich die Untersuchung des Goldbergs, nach verhaltenem Start und mit begrenzten Mitteln 1911 im Auftrag der Altertümersammlung (aus ihr ging das Landesmuseum Württemberg hervor) zu einem Unternehmen, welches bis zu seinem Abschluss 1929 bereits für die Zeitgenossen ein Ereignis darstellte. Der Andrang von Presse, Publikum und Fachkollegen war enorm, die Bauern konnten sich in der ländlich geprägten Region durch die Mitarbeit auf der Grabung Geld hinzu verdienen.
Was die verwendete Grabungsweise in 15×6 m großen Schnitten, den Abtrag der Erde in aufeinander folgenden Abstichen und die genaue Vermessung und Zeichnung der Hausstandorte betrifft, setzte Bersu einen neuen Standard für die noch junge prähistorische Siedlungsarchäologie. Zahlreiche Studenten wie Wolfgang Kimmig, Kurt Bittel, Joachim Werner oder Wolfgang Dehn, die später im Fach Karriere machen sollten, erhielten hier ihre praktische Ausbildung. Der Goldberg prägte also auch direkt die akademische Lehre über Jahrzehnte.

Besucher auf der Ausgrabung auf dem Goldberg im Oktober 1927 (c) Landesmuseum Württemberg, Bildarchiv

Besucher auf der Ausgrabung auf dem Goldberg im Oktober 1927 © Landesmuseum Württemberg, Bildarchiv

Verlorene Funde

Das Fundaufkommen während der Grabung war immens. Die vollen Fundkisten wurden auf einem zweirädrigen Wagen ins Depot im Gasthaus Behringer in Pflaumloch gefahren. Die Last war häufig so schwer, dass mehrere Männer schieben mussten. Mit dem Zug wurden die Kisten weiter nach Stuttgart geschickt.
Im 2. Weltkrieg ging ein Großteil der Funde verloren. Mehrfach scheiterte ein Abtransport in sichere Depots außerhalb von Stuttgart an verfügbaren Fahrzeugen und Treibstoff. In der Nacht vom 2./3. März 1944 wurden die verbliebenen Goldbergbestände im Neuen Schloss vollständig durch Fliegerbomben zerstört. Aus den Trümmern konnten nur wenige Objekte wie Steinbeile, Geweihwerkzeuge oder Spinnwirtel gerettet werden.

Archäologen bei der Durchsicht der Keramikscherben (c) Landesmuseum Württemberg, Romy Heyner

Archäologen bei der Durchsicht der Keramikscherben © Landesmuseum Württemberg, Romy Heyner

to be continued

Den Krieg überstanden haben nur ca. 1.500 Objekte, die bereits zu Beginn des Krieges ins Außenlager nach Kochendorf gebracht wurden. Die besondere Qualität dieser Stücke zeigt deutlich, welche Bedeutung der Goldberg einst hatte. Momentan werden erste Schritte für ein Forschungsprojekt in Angriff genommen, dass dieser Bedeutung Rechnung tragen soll.

2 Kommentare zu “Goldberg revisited”

  1. Was lernen wir aus dem Schicksal der Goldbergfunde?
    Graben war in Ordnung. Abtransportieren nach Stuttgart nicht. Oder wurden sämtliche Funde sogleich wissenschaftlich bearbeitet? Wenn ja, hätte man sie anschließend entweder vor Ort ausstellen oder wieder vergraben können. Die Funde in unsicheren Magazinen zu horten ist nicht gescheit. Gibt es wenigstens von allen zerstörten Fundstücken Fotos oder Zeichnungen?

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