Dem Glas auf der Spur: Zu Gast in Berlin und Brandenburg

Die Vereinten Nationen erklärten 2022 zum Internationalen Jahr des Glases. Ein absolutes Highlight für diejenigen, die sich mit dem Material beschäftigen, war daher der 26. Internationale Glas-Kongress im Juli in Berlin. Als wissenschaftliche Volontärin des Landesmuseums Württemberg und bekennender Glas-Fan durfte ich an diesem besonderen Event teilnehmen und konnte in den Museen vor Ort auf Erkundungs- und Recherche-Tour gehen.

Tag 1: Stiftung Preußische Schlösser und Gärten und Schloss Königs Wusterhausen

Walzenkrug mit Jagderfolg König Friedrichs I. (1657–1713) und Zweidritteltaler Friedrich Wilhelms I. in Preußen (1688–1740; Herkunft/ Rechte: Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg/ Daniel Lindner).

Von meiner Unterkunft im Osten Berlins bin ich am ersten Tag nach Potsdam aufgebrochen. Für einen Vortrag, den ich vorbereite, durfte ich mir im Zentraldepot der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg einen besonderen Walzenkrug – eine Art Bierhumpen – ansehen: Auf diesem Glas ist ein Hirsch mit besonders ausladendem Geweih und die Inschrift „des Königes Knal brachte mich zum fall“ zu sehen. In den Deckel ist eine Münze mit dem Portrait des preußischen Königs Friedrich Wilhelm I. (1688–1740) eingelassen.

Der Hirsch ist als sogenannter „66-Ender“ bekannt und eine lebende – oder eher verstorbene – Legende: Viele Schlösser der preußischen Kurfürsten und Könige zieren Gemälde von diesem besonderen Tier, das Kurfürst Friedrich III. von Brandenburg (1657–1713) – später König Friedrich I. in Preußen und der Vater von Friedrich Wilhelm I. – im Jahr 1696 erlegt haben soll. Das stattliche Geweih ist heute im Schloss Moritzburg in Sachsen zu sehen.

Möglicherweise hat ein späterer Besitzer (der Deckel ist innenseitig mit Initialen und der Jahreszahl „1789“ graviert) Vater und Sohn verwechselt und Friedrich Wilhelm für den Schützen des „66-Enders“ gehalten? Das Rätsel um diesen Walzenkrug ist noch nicht abschließend gelöst.

Das Schloss in Königs Wusterhausen war die Lieblingsresidenz des „Soldatenkönigs“ (Foto: Judith Thomann).

Von Potsdam ging es nachmittags ins brandenburgische Königs Wusterhausen. Das dortige Schloss war die Lieblingsresidenz von Friedrich Wilhelm I. – dem König, der mir schon am Morgen auf der eingearbeiteten Münze im Potsdamer Depot begegnet war. Hier hielt der „Soldatenkönig“ sein berühmtes Tabakskollegium ab.

Diese besondere Runde ist im Schloss auf einem Gemälde zu sehen, mit dem ich mich schon öfter beschäftigt habe: Die Exklusivität des Tabakskollegiums wird auch durch die verwendeten Gläser sichtbar. Jeder Gast hat ein eigenes Glas und eine eigene Flasche direkt vor sich auf dem Tisch. Üblicherweise wurde man im Hochadel mit Getränken bedient: Gläser wurden nicht auf dem Tisch abgestellt, sondern dem wartenden Diener wieder zurückgegeben. Im Tabakskollegium ging es ziemlich derb zu – man konnte auch dem König ziemlich unverblümt die Meinung sagen. Weil man deshalb auf Diener, die etwas ausplaudern könnten, verzichten wollte, hatte sich jeder selbst einzuschenken.

Georg Lisiewski, Tabakskollegium Friedrich Wilhelms I. in Schloss Wusterhausen, Gemälde ca. 1737 (Rechte/ Quelle: Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg/ Wikimedia Commons). Die kleinen Personen links im Bild sind übrigens die Söhne des Königs.

Tag 2: Zentraldepot des Stadtmuseums Berlin und „glass – hand formed matter“

Am nächsten Tag war ich im Zentraldepot des Stadtmuseums Berlin in Spandau eingeladen. Für meinen Vortrag hatte mir die Beauftragte für kulturelles Erbe Dr. Martina Weinland gleich mehrere Gläser mit Hirsch-Motiven bereitgestellt.

Im Depot des Stadtmuseums Berlin in Spandau gab es viele spannende Gläser zu sehen (Foto: Martina Weinland).

Ein Pokal, der in Potsdam um 1720 hergestellt wurde, faszinierte mich ganz besonders: Wieder begegnete mir hier der „66-Ender“, allerdings waren der Hirsch und die ihn umgebende Landschaft so detailreich dargestellt, dass ich mich – trotz großem Sprung auf der Kuppa – gar nicht sattsehen konnte.

Dieser in Potsdam gefertigte Rubinglas-Becher kann in den „Wahren Schätzen“ im Alten Schloss in Stuttgart bewundert werden (Foto/ Rechte: Landesmuseum Württemberg/ Hendrik Zwietasch).

Der brandenburgische Glasschnitt zählt zu den Höhepunkten der barocken Glaskunst. Enorm kostbar ist zudem das Rubinglas, welches von dem Alchemisten Johannes Kunckel (1630–1703) im 17. Jahrhundert auf der Pfaueninsel nahe Berlin hergestellt wurde. Auch im Landesmuseum Württemberg sind einige dieser Kostbarkeiten in den „Wahren Schätzen“ und in „Glas aus vier Jahrtausenden“ zu sehen.

Elif Çaks und Karl-Ferdinand-Ludwig Neukirchs Weinglas „Fluctus“ (Foto: Elif Çak, Karl-Ferdinand-Ludwig Neukirch, Hochschule: weißensee kunsthochschule berlin).

Abends ging es dann zum gemeinsamen Sommerfest des Museums Berggruen und des Bröhan Museums in Charlottenburg, denn auch hier gab es Glas zu sehen: In der Ausstellung „glass – hand formed matter“ zeigten Glasmacher*innen, Künstler*innen, Designer*innen und Studierende aus Deutschland, Finnland und Schweden die Ergebnisse eines gemeinsamen Projektes.

Neue Wege der Glasgestaltung sollten erkundet werden: Wusstet Ihr, dass man heißes Glas auch mit Papier formen kann? Oder dass sehr unterschiedliche Farbverläufe entstehen, wenn man einen blauen Glasfaden mittig auf einen heißen Glaszylinder schmilzt? Obwohl ich mich vorrangig mit historischem Glas beschäftige, war ich von den wunderschönen Kunst-Objekten sehr angetan.

Tag 3: Der 26. Internationale Glas-Kongress in Berlin

Am letzten Tag meiner kleinen Forschungsreise kam dann die Kür – der Internationale Glas-Kongress! Diese besondere Veranstaltung findet nur alle drei Jahre und immer an einem anderen Ort – zuletzt 2019 in Boston – statt. Hier kommen vor allem Ingenieur*innen, Naturwissenschaftler*innen und Techniker*innen aus aller Welt zusammen, um sich über die neuesten Entwicklungen im Bereich Glas zu informieren.

Den hat wohl jeder fotografiert – der beeindruckende Kronleuchter am Austragungsort des 26. Internationalen Glas-Kongresses (Foto: Judith Thomann).

Am Tagungsort – einem schicken Hotel nahe des Potsdamer Platzes – war eine große Poster-Ausstellung aufgebaut. Vorgestellt wurden verschiedenste Projekte aus Wirtschaft und Forschung rund um das Thema Glas. Leider waren Beiträge zu historischen Gläsern ein wenig unterrepräsentiert.

Besonders habe ich mich auf die Teilnahme am Symposium „Culture, Heritage and Education“ gefreut: Themen waren unter anderem die Glasherstellung im antiken Rom, Schadbilder an historischen Gläsern und die industrielle Glasproduktion als kulturelles Erbe Finnlands. Es dominierten eher naturwissenschaftliche Perspektiven, aber Glas ist nun einmal ein hochtechnologisches Material, das der Mensch über die Jahrtausende vielfältig genutzt hat.

Antike Gläser sind wunderschön und von enormer handwerklicher Qualität, wie diese blaue Rippenschale aus dem 1. Jahrhundert nach Christus in unserer Schausammlung „Glas aus vier Jahrtausenden“ (Foto/ Rechte: Landesmuseum Württemberg/ Hendrik Zwietasch).

In den Pausen war noch Zeit für Gespräche mit Kolleg*innen aus der Glas-Forschung, denn für den gemeinsamen Austausch sind solche Veranstaltungen schließlich da. Doch schon bald ging der 26. Internationale Glas-Kongress – und damit meine kleine Forschungsreise – auch offiziell zu Ende. Ich hatte großen Spaß bei diesem Ereignis und habe die vielen Ausflüge auf den Spuren des Glases in Berlin und Brandenburg genossen!

Falls Ihr nun auch Lust auf noch mehr Glas habt – schaut doch mal bei unserer Google Arts and Culture-Story „Faszination Antikes Glas“ vorbei! Natürlich würden wir uns auch freuen, wenn Ihr unsere Glas-Sammlung im Alten Schloss in Stuttgart mal wieder besuchen kommt.

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