Rot wie der Stein der Weisen: das Rubinglas

Rubinglas ist rundum ein Faszinosum. Im 17. Jahrhundert genoss das blutrote, brillante Glas einen besonderen Stellenwert. Es war begehrter Luxusartikel, sollte Kraft verleihen und eine heilsame Wirkung auf den Betrachter ausüben. Von dem Alchimisten und Glasmacher Johann Kunckel (* 1630 † 1703) weiterentwickelt und perfektioniert, war die Herstellung von Rubinglas ein Versuch, dem Geheimnis des Steins der Weisen näher zu rücken: Einem Stein, der unedle Metalle in Gold und Silber verwandeln kann.

Das Landesmuseum Württemberg besitzt ca. 100 Rubingläser von denen ein gutes Drittel aus dem Kontext der Kunstkammer der Herzöge von Württemberg stammt. Dass sich dort fast nur Rubingläser erhalten haben, zeigt die hohe Wertschätzung mit der sie gehütet wurden.

Kunckel und Karfunkel

Die Entwicklung einer profitablen Herstellungstechnik für das karfunkelrote Glas durchlief einen langwierigen Prozess. Schon früh wurde festgestellt, dass sich Glas durch die Zugabe von Gold kurioserweise rot färbte – dies gelang jedoch nur äußerst selten. Kunckel aber brachte es fertig und wurde dadurch berühmt. Sein Auftraggeber und Gönner Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg schenkte ihm zum Dank die Pfaueninsel in Wannsee. Nach dem Tod des Kurfürsten wurde Kunckel – wohl aus Missgunst – Veruntreuung vorgeworfen und seine Glashütte in Brand gesetzt. So ging er verarmt an den schwedischen Hof, wo er erneut große Anerkennung fand und in den Adelsstand erhoben wurde.

 

 Portrait Johann Kunckel, unbekannter Künstler um 1720, Kupferstich auf Bütten >>
© Stiftung Stadtmuseum Berlin 

 

Aus Gold wird Rot

Um Rubinglas zu erhalten, wird der Glasmasse Gold hinzugegeben. Dafür muss Gold zunächst in Königswasser aufgelöst werden, einer Mischung aus Salzsäure und Salpetersäure. Nach weiteren Arbeitsschritten erhält man zunächst ein enttäuschend farbloses Glas. Doch wird das Glas erneut erwärmt geschieht ein kleines Wunder: durch die Wärme wachsen die Goldkeime in der Glasmasse und plötzlich erscheint die brillante, rubinrote Farbe.

Glasbläser mit Glasmacherpfeifen am Ofen. Kupferstich aus: Johann Kunckel von Löwenstern, Ars vitraria experimentalis oder Vollkommene Glasmacher-Kunst, Reprograf. Nachdr. d. Ausg. Frankfurt u. Leipzig,1689


Vertiefungsebene für alle, die es ganz genau wissen wollen. Wenn dir der Abschnitt zu abstrakt ist, lies im nächsten Abschnitt weiter!


 

Nur nicht lebrig werden – zur Herstellung von Rubinglas 

Kunckel stellte in seiner Glashütte eine Glasmasse aus Quarzsand (SiO2), Pottasche (K2CO3) oder Salpeter (KNO3) her. Glasblasen wurden mit einem sogenannten Läuterungsmittel (häufig Arsenverbindungen) aus der Glasschmelze entfernt. Für die rubinrote Färbung des Glases wurde Gold in Form von Goldchlorid zusammen mit dem Reduktionsmittel Zinn der Glasmasse beigemengt. Das erneute Erwärmen verwandelte das Goldchlorid zurück in elementares Gold. Die entstandenen Goldkolloide sind größer als Atome, jedoch kleiner als die Wellenlängen des sichtbaren Lichts. Durch die Streuung und Absorption des Lichts an den Goldkolloiden entsteht die einzigartige rote Färbung. Besonders ärgerlich ist es, wenn das Glas zu lange erwärmt wird. Dann ist es vorbei mit der schönen Farbe und das Glas wird „lebrig“.

 

Krankes, rotes Glas

Krankes Glas: Becher mit Darstellung einer See- und einer Feldschlacht

Ein Rubinglas aus der Sammlung des LMW, zu sehen in der Ausstellung „Glas aus vier Jahrtausenden“, sticht besonders hervor. Seine Oberfläche ist schuppig und zerklüftet – es sieht „krank“ aus.

Dieses Phänomen wird tatsächlich Glaskrankheit, Glaskorrosion oder Crizzling genannt und kommt gerade bei Rubingläsern des 17. und 18. Jahrhunderts häufig vor. Schon Kunckel war die Glaskrankheit bekannt, da sie im Extremfall bereits wenige Monate nach der Herstellung beobachtet werden kann. Grund dafür ist ein Fehler bei der Glaszusammensetzung. Um beständiges Glas zu erzeugen, benötigt man drei Komponenten im richtigen Verhältnis: Quarz, ein Flussmittel (Soda, Salpeter oder Pottasche) und einen Stabilisator (Kalk). Da jedoch die Zugabe von Kalk die Farbbildung der Rubingläser verhinderte, wurde den meisten Glasmassen kein Kalk zugefügt. Dies führt zu einer fortschreitenden Verwitterung des Glases. Durch eine stabile relative Luftfeuchtigkeit in der Ausstellung lässt sich dieser Prozess verlangsamen. So können wir das goldrote Wunderglas noch möglichst lange bestaunen.

 

 


Quellen

Kerssenbrock-Krosigk, Dedo von: Rubinglas des ausgehenden 17. Und des 18. Jahrhunderts, Mainz (2001).

Horn, Ingo: Entwicklung einer quasi-zerstörungsfreien Probenahme- und Analysentechnik für Glas und ihre Anwendung auf Rubingläser des 17. und 18. Jahrhunderts, Dissertation an der TU Berlin, Fachbereich 5 – Chemie (1998).

In einem Film der Stadt Potsdam über Johann Kunckel lässt sich noch mehr über seine Lebensgeschichte erfahren:

2 Kommentare zu “Rot wie der Stein der Weisen: das Rubinglas”

  1. Guten Tag,
    jahrelang ging ich mehr oder weniger achtlos an der Vitrine mit den Goldrubin-Gläsern vorbeigegangen, weil ich davon noch nie gehört hatte. Seit dem Kulturkaffee gestern aber, seit ich deren Herstellung und von „krankem Glas“ gehört habe, fasziniert mich dieses Kulturgut.
    D.h., dass die Idee des Kulturkaffees und auch besonders die vermittelnden Mitarbeiter/innen Ihres Hauses einen sehr guten Beitrag in der / für die Gesellschaft leisten.
    Vielen Dank!
    Gudrun Breitinger, Vaihingen/Enz

    1. Liebe Frau Breitinger,
      herzlichen Dank für Ihre positive Resonanz, das freut uns sehr, dass Ihnen unsere Veranstaltung gefallen hat und motiviert uns weiter spannendes aus unseren Sammlungen zu berichten.
      Bis bald mal wieder bei uns im Museum und einem Kaffee, wir freuen uns Sie wieder zu sehen.
      Beste Grüße auch von Astrid Wollmann
      Ihre Katharina Küster

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