Zum Welttag des Holzes am 21.3. rückt eine spektakuläre Neuerwerbung ins Blickfeld, die das Landesmuseum Württemberg im Dezember 2023 verwirklichen konnte. Mit Mitteln der Museumsstiftung des Landes Baden-Württemberg erwarb das Museum einen Schreibschrank, der vor über 200 Jahren für König Friedrich von Württemberg gefertigt wurde. Der Hersteller, der Kunstschreiner Johannes Klinckerfuß (1770–1831), verarbeitete an dem Möbelstück stolze fünf Holzsorten: Mahagoni, Eiche, Birke-Maser, Nadel- und Zitronenholz.
Raffinierte Möbelkunst für stilvolles Schreiben
Auf den ersten Blick kommt das gut 150 cm hohe Möbel wie ein niedriger Schrank daher – im unteren Bereich zwei Türen, im oberen eine große Klappe. Nach dem Öffnen lässt sich diese Klappe jedoch auch als Schreibplatte nutzen. Die Schreibauflage aus grünem Leder ist noch original erhalten. Im geöffneten Zustand werden auch zehn Schubladen sichtbar, die um ein offenes Fach mit Spiegelrückwand gruppiert sind – neun kleinere Schubladen und eine große, die die gesamte Breite einnimmt. Diese kann nur mit einem Geheimmechanismus geöffnet werden! Für die wunderschön gestalteten Schubladenfronten verwendete Klinckerfuß Zitronen- und Birkenmaserholz.
Überhaupt wurden keine Kosten oder Mühen gespart, um ein edles Erscheinungsbild zu erzielen. Den ersten Eindruck bestimmt der warme, leicht rötliche Braunton von Mahagoni. Aus Kostengründen nutzte Klinckerfuß das edle Tropenholz als Furnier, das heißt dünne Mahagoni-Platten liegen auf einem Korpus aus Eiche.
Bildungshäppchen in Gold
Punktuell ergänzen Zierleisten und figürliche Elemente aus feuervergoldeter Bronze die Holzflächen. Sie bilden effektvolle farbliche Akzente. Zudem bieten die bildlichen Darstellungen unterhaltsame Anregung für gepflegte Konversation. Die runde Plakette zeigt zum Beispiel den Profilkopf der römischen Göttin Juno, der als Sinnbild der Schönheit vielfach der Pfau zugeordnet wurde.
Eine andere Darstellung, die sich auf der linken unteren Schranktür befindet, bot weiteren Gesprächsstoff an. Zu sehen ist die sitzende Venus, vor der der kindliche Amor steht. Die Göttin der Liebe und der Schönheit tadelt mit erhobenem Zeigefinger ihren hyperaktiven Sohn. Dieser lauscht mit gesenktem Kopf ihren Ermahnungen, die sie ihm wegen seines übermäßigen Gebrauchs von Liebespfeilen ausspricht.
Solche Szenen aus der antiken Mythologie finden sich in der Epoche des Klassizismus häufig auf Kunstwerken. An unserem Schreibschrank weisen zwei Zierelemente zudem noch auf den Einfluss französischer Dekorationskunst hin.
Nachdem der spätere französische Kaiser Napoleon Bonaparte mit der Armee Ägypten eingenommen hatte, rollte eine regelrechte Welle der Ägypten-Begeisterung durch die europäische Hofkultur. Friedrich von Württemberg, der sich 1806 mit Hilfe Napoleons zum König krönen ließ, wird das ägyptisierende Ausstattungsdetail an seinem Schreibschrank gefallen haben. Zumal das an zwei Stellen angebrachte Zierelement einen Männerkopf mit Nemes-Tuch zeigt. Das gestreifte Textil war als Kopfbedeckung dem Pharao, mit dem sich Friedrich sicher sehr leicht identifizieren konnte, vorbehalten.
Angemessen wohnen – Möbel für Schloss a oder b
Friedrich von Württemberg, der durch geschickte Taktik von den Erfolgen Napoleons profitiert hatte, ging nach seinen Rangerhöhungen vom Herzog über den Kurfürst zum König gleich an die Aufwertung diverser Schlösser. Für die Innenausstattung konnte er auf den schon erprobten Johannes Klinckerfuß zurückgreifen, der bei einem der berühmtesten Tischler der Zeit, David Röntgen, ausgebildet worden war. Zunächst angestellt am Hof, dann als freier Unternehmer mit eigener Werkstatt lieferte Klinckerfuß unter anderem Möbel für das Neue Schloss in Stuttgart, für Schloss Ludwigsburg sowie Schloss Hohenheim. Auch bei der Umgestaltung der Schlösser Monrepos und Favorite wirkte er ganz wesentlich mit.
Der nun gekaufte Schreibschrank kann für das nicht mehr bestehende Dianenhaus bei Schloss Monrepos/Ludwigsburg oder für Schloss Freudental, ebenfalls bei Ludwigsburg, entstanden sein. Von der Inneneinrichtung beider Immobilien haben sich Inventarlisten erhalten, in denen entsprechende Schreibschränke erwähnt werden. Nach dem Tod König Friedrichs gingen die zwei Landsitze als Erbe an seine Söhne und wurden von demselben hohen Hofbeamten verwaltet. Vermutlich erhielt dieser Beamte, wie damals durchaus üblich, für seine Dienste auch Gegenstände aus dem Besitz seines adligen Dienstherrn. Jedenfalls erhielt sich unser schöner Schreibschrank in der Familie dieses Hofbeamten wohlbehütet zwei Jahrhunderte, bis ihn Nachfahren vor wenigen Jahren einem auf Möbel spezialisierten Antiquitätenhändler zum Weiterverkauf übergaben.
Nun ergänzt dieses Meisterwerk der Holzverarbeitung die Sammlungen des Landesmuseums, in denen sich bereits weitere Möbel von Klinckerfuß befinden – darunter ein Blumentisch und ein sogenanntes Zimmerdenkmal. Der neue Schreibschrank wird voraussichtlich in der zweiten Jahreshälfte in der Schausammlung „LegendäreMeisterWerke“ zu sehen sein – vorausgesetzt er besteht die Prüfung auf Holzwürmer, die zum Welttag des Holzes auch ihre Erwähnung finden sollen!
Abbildungsnachweis und Nutzungsbedingungen
Abb. 1-5: Landesmuseum Württemberg, Jonathan Leliveldt und Alexander Lohmann (CC BY-SA 4.0)