Ostern im Mai!

Das Mitmachprojekt „Mein Stück Alltag“ im Museum der Alltagskultur in Waldenbuch wird derzeit von der deutsch-griechischen Kulturinitiative Kalimera e.V. gestaltet. In den Vitrinen im Eingangsbereich des Museums haben die Beteiligten für sie bedeutsame Gegenstände des deutsch-griechischen Alltagslebens ausgestellt mit den dazugehörigen Geschichten.

In Gesprächen mit Mitgliedern von Kalimera über ihren interkulturellen Alltag in Baden-Württemberg, die wir in unserem „Lebens- und alltagsweltlichen Archiv“ in der Landesstelle für Volkskunde dokumentieren, kamen wir auch auf unterschiedliche Feste und Bräuche zu sprechen. Beim Osterfest hat uns dabei überrascht, dass es dieses Jahr im Mai, am kommenden Wochenende, stattfindet. Und dies zelebriert dann nicht nur die griechisch-orthodoxe Kirchengemeinde im Stuttgarter Westen bzw. in Feuerbach, sondern auch die rumänisch-, russisch- und serbisch-orthodoxen Christen im ganzen Land.

 

Eine lange Tradition

Kronprinzessin Olga von Württemberg, Franz Xaver Winterhalter, 1856

Damit knüpfen diese Feste an eine Tradition an, wie sie in Württemberg schon lange besteht, schließlich stammte die beliebte Königin Olga aus dem russischen Zarenhaus und ist trotz ihrer Einheirat ins protestantische Haus Württemberg ihrem russisch-orthodoxen Glauben treu geblieben.

Wir wollten mehr zu diesem Thema wissen und haben dazu in unseren Beständen recherchiert.

Ostern zählt neben Weihnachten zu den wichtigsten christlichen Kirchenfesten. Hier mischen sich kirchlicher und weltlicher Brauch. Während Weihnachten immer an einem festen Termin stattfindet, wandert das Osterdatum zwischen März und April hin und her und damit auch eine ganze Reihe weiterer Feiertage wie Himmelfahrt und Pfingsten.

Osterbräuche

In den „Volkstümlichen Überlieferungen“ bzw. den Sprach- und Konferenzaufsätzen, die um 1900 von Volksschullehren im Königreich Württemberg verfasst wurden und die in der Landesstelle für Volkskunde aufbewahrt werden, haben wir zu „Ostern“ einen Eintrag gefunden, der von dem Lehrer Breitling aus Undingen stammt. Dort ist von „Karfreitagseiern“ die Rede. „Die Müllersknechte haben in der Osterzeit die Gewohnheit, bei den Mehlkunden Eier zu sammeln, um ein kleines Fest zu feiern“. Sie taten das, was in katholischen Gegenden den Kindern und Jugendlichen erlaubt war, nämlich Eier zu betteln, um ein Fest zu feiern.

 

Ostereier – ‚unziemliche Ergötzung’…

Über gekochte und bunt gefärbte Eier, die an Ostern für die Kinder versteckt oder in ein Osternest gelegt werden, gibt es keine Angaben. Allein für das Jahr 1766 gibt eine andere Quelle darüber Auskunft, dass das Pfarr- und Schultheißenamt in Gerlingen eine Verordnung erließ, in der das Verstecken und Suchen von Ostereiern als „unziemliche Ergötzung“ bezeichnet wurde, weil es Gelegenheit böte zum „Trinken, Spielen und Händel“.
Auch über die Herkunft weiterer Osterbräuche wie Eierspiele, das „Eierrugeln“, „Eierlaufen“ oder „Eierbicken“, die nicht nur in Württemberg bekannt und immer noch üblich sind, wissen wir nur wenig.

 

…oder ein Symbol des Lebens?

In den meisten Kulturen wird das Ei besonders im Zusammenhang mit Frühjahrsbräuchen als Symbol des Lebens gesehen. Es wird mit der wiedererwachenden Natur assoziiert und zum Zeichen des neuen Lebens. Darüber hinaus wird es aber auch als Symbol der Fruchtbarkeit im Zyklus des menschlichen Lebens und der Generationen gedeutet.

Gefärbte und bemalte Eier gehören zu Ostern und sind weit verbreitet. Beim griechisch-orthodoxen Osterfest werden sie rot gefärbt und damit u.a. eine Verbindung mit dem Blut Christi hergestellt. Doch kommen wir zurück zu unserer Ausgangsfrage:

 

Wieso feiern die orthodoxen Christen fast vier Wochen später Ostern?

Das ist letztendlich auf die unterschiedliche Kalenderrechnung zurückzuführen. Der Ostertermin wird hierzulande nach dem gregorianischen Kalender berechnet und in der christlich-orthodoxen Kirche nach dem Julianischen. Hinzu kommt, und das ist der Grund für die alljährliche Verschiebung des Festtermins, der Mondkalender und das Konzil von Nicäa vor 1.700 Jahren.

Damals im Jahr 325 beschlossen die versammelten Bischöfe und Geistlichen, Ostern fortan immer am Sonntag nach dem ersten Frühlingsvollmond zu feiern. Der Sonntag wurde deshalb gewählt, weil in den vier Evangelien des Neuen Testaments übereinstimmend von der Auferstehung am „ersten Tag der Woche“, also einem Sonntag, berichtet wird.

 

Der Mondkalender ist entscheidend

Frohe orthodoxe Ostern!

Die Lage nach dem Vollmond orientiert sich am jüdischen Pessach-Fest. Nach christlicher Überlieferung wurde Jesus von Nazareth am Vorabend dieses Festes gekreuzigt. Da sich das jüdische Fest nach einem Mondkalender richtet, wurde dieser Bezug übernommen.

Entscheidend für den Ostertermin ist demnach der erste Frühlingsvollmond und die Vorgabe, dass Ostern auf keinen Fall vor dem jüdischen Pessach-Fest stattfinden darf. Daher liegt Ostern in den Ländern mit orthodoxen Kirchen wie Griechenland oder Russland, meist – aber nicht immer – etwas nach dem römisch-katholischen und protestantischen Osterfest.

Ostern im Mai ist deswegen nicht nur möglich, sondern bereichert genauso den interkulturellen Festkalender im Jahreslauf wie zum Beispiel buddhistische, islamische oder jüdische Feiertage. Sie alle sind Ausdruck der kulturellen Vielfalt des Alltaglebens in Baden-Württemberg.

3 Kommentare zu “Ostern im Mai!”

  1. Kurz, knackig, informativ, lustmachend – der Artikel. Klein und fein – die Ausstellung, um unsere gesellschaftliche Vielfalt abzubilden und Anknüpfungspunkte für ein wertschätzendes Miteinander zu finden. Wie schön!

    1. Sehr spannender Artikel! Das bereichert die eigene Sichtweise auf die kulturelle Vielfalt in unserer Gesellschaft. Wieder was dazu gelernt 🙂

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