Voller Vorfreude und Neugier machten meine Kollegin Katharina Wilke und ich uns in einem mit verschiedensten Requisiten beladenden Transporter auf den Weg zum Auftakt der Dreharbeiten für unseren 360º-Film zum „Lichtenstern-Projekt„.
Als erster Schauplatz unseres filmischen Zeitsprungs ins Spätmittelalter sollte die Malerwerkstatt des fiktiven Meister Lienhard zum Leben erweckt werden. Mit 550 Jahren zeitlichem Abstand eine Herausforderung, deren Lösung wir in den letzten Monaten gemeinsam mit der Storz Medienfabrik und unserem Ansprechpartner aus der Living-History-Szene, Christopher Retsch, akribisch vorbereitet haben.
Intensive Planung anhand von Requisitenlisten und Ablaufplänen ist die halbe Miete. Bei diesem für uns Kunsthistorikerinnen alles andere als alltäglichen Vorhaben blieben dennoch einige offene Fragen: Werden sich die aus unterschiedlichen Quellen zusammengetragenen Möbel, Ausstattungsstücke und Malerwerkzeuge zu einem authentischen Ambiente verbinden? Wie wirken die sorgsam ausgewählten Schauspieler in den spätmittelalterlichen Gewändern? Funktionieren die Dialoge?
Im Fränkischen Freilandmuseum Bad Windsheim hatten wir bereits im März eine geeignete spätmittelalterliche Stube ausfindig gemacht. Doch auch die sparsamen neuzeitlichen Einbauten – u. a. eine Infostele, Metallstreben und eine Außentreppe – mussten zunächst mit Materialeinsatz und handwerklichem Geschick kaschiert werden. Für einen Dreh mit 360º-Kamera muss das Ambiente rundherum inklusive oben und unten stimmig sein.
Kaum war die Raumhülle passend gemacht, schlug die Stunde der Living-History-Akteure mit ihrer beeindruckenden, detailgetreu nach spätmittelalterlichen Bildquellen rekonstruierten Ausstattung: Die Stube füllte sich zunächst mit Tischen, Werkbänken, Schränkchen und Regalen.
Die verblüffendste Verwandlung des Raumes brachte dann die Vielfalt der Ausstattungsstücke. Eine rekonstruierte Staffelei, halbfertige Tafelbilder, für die Farbfassung bereit stehende Holzskulpturen und am LMW-Drucker fabrizierte Kupferstichvorlagen steuerten wir aus dem Fundus des Landesmuseums Württmeberg sowie aus dem der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste bei.
Außerdem hatten unsere Partner von der Storz Medienfabrik u. a. eine Entwurfszeichnung des Flügelaltares sowie Attrappen der Flügeltafeln des Lichtensterner Altares im Maßstab 1:1 angefertigt, die in der geplanten Szene in Leinentücher gewickelt für den Transport ins Kloster Lichtenstern bereit stehen sollten.
Und welch Fülle von Gegenständen hatten unsere Living-History-Partner im Gepäck: vielfältigste Malerutensilien und Werkzeuge, diverse halbfertige Produkte einer Malerwerkstatt wie Dosen, Fahnen oder Schilde, aber auch weitere spätmittelalterliche Alltagsgegenstände, darunter unterschiedliche Lichtquellen, ein Arrangement zum Händewaschen und eine Mausefalle. Erkennt Ihr letzteres Requisit auf den Fotos?
Am nächsten Morgen folgte dann die endgültige Belebung der Werkstatt Meister Lienhards: Die Schauspieler bezogen in spätmittelalterlicher Gewandung ihre Positionen und probten ihre Dialoge.
Bald schon hieß es „Kamera läuft!“ Ab diesem Zeitpunkt verfolgten die nicht direkt an der Szene beteiligten Akteure, inklusive Regisseur und Tonmeister, von einem Nebenraum aus den Dreh. Auch wir spielten „Mäuschen“ und waren schon beim Blick durch einen Spalt in der Holzverkleidung begeistert, zu welch lebendigem Bild sich Ambiente und Schauspieler verbanden. Wie intensiv wird die Szene erst wirken, wenn man sich als Betrachter mit Hilfe der VR-Brille mitten im Geschehen befindet? Wir sind extrem gespannt!
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