Vor einer guten Woche erhielten wir Besuch aus Amerika. Stephen Kay machte mit seiner Familie bei der Europareise auf den Spuren seiner Großeltern, Julius und Selma Kaumheimer, in Stuttgart Station, wo diese bis 1935 gelebt hatten. Nach ihrer Flucht vor den Nazis über die Schweiz, Brüssel und Meran in die USA hatte die Familie den Namen Kay angenommen. Stephen Kay brachte ein kostbares und beziehungsreiches Geschenk aus dem Besitz seiner Familie mit: Er übergab dem Landesmuseum Württemberg die Figurengruppe „Drei Grazien“ aus der Ludwigsburger Porzellanmanufaktur, die aus der bedeutenden Porzellansammlung seiner Großeltern stammt.
Eine Skulptur mit Geschichte
Julius und Selma Kaumheimer waren vor ihrer Übersiedlung nach Amerika vom faschistischen Mussolini-Regime in Italien enteignet worden. Ihr Besitz ging in die Sammlungen des Museo Provinciale d’Arte in Trient ein. Lange konnten die rechtmäßigen Erben auf Grund des Namenswechsels nicht gefunden werden. So wurde die Sammlung 2002 an die Jüdische Gemeinde in Meran restituiert, zu deren Mitgliedern die Familie Kaumheimer während ihres italienischen Exils zählte. Erst 2003 konnte die Sammlung den rechtmäßigen Erben übergeben werden.
Nach einem Besuch der Wohnhäuser ihrer Urgroßeltern und Großeltern in der Gänsheidestraße in Stuttgart kam die Familie Kay ins Alte Schloss. Dr. Katharina Küster Heise, zuständig für älteres Kunsthandwerk am Landesmuseum Württemberg, war hocherfreut über die großzügige Gabe. Die Kuratorin, die neben der neuzeitlichen Glassammlung auch das Keramikmuseum im Schloss Ludwigsburg betreut, wird die Figurengruppe in der dortigen Studiengalerie ausstellen, sodass auch die Besucher*innen des Keramikmuseums das fein gearbeitete Kunstwerk bald bewundern können.
Verwandschaftliche Verflechtungen
Neben der Geschenkübergabe gab es für die Kays einen weiteren Grund, das Alte Schloss zu besuchen, denn sie sind mit dem ebenfalls aus Stuttgart stammenden Ernesto Wolf verwandt. Zwischen 1991 und 2003 hatte das Landesmuseum Württemberg dessen Glassammlung erworben und verfügt seither über eine der führenden internationalen Glassammlungen. In jungen Jahren hatte Stephen Kay die Sammlung seines Cousins in Amerika bewundert. So war es selbstverständlich, dass sich die Familie von Küster-Heise durch die Schausammlung „Glas aus vier Jahrtausenden“ führen ließ – wenige Tage nachdem diese Ausstellung nach einer längeren, umbaubedingten Schließung wieder eröffnet hatte.