Das Löwenköpfchen und die Eiszeitfiguren aus dem Vogelherd

Die Vogelherdhöhle im Lonetal bei Niederstotzingen auf der Ostalb spielt für die Eiszeitkunst in Mitteleuropa eine herausragende Rolle. Hier wurden erstmals Tierfiguren entdeckt, die älter waren als alles was bis dahin aus der Altsteinzeit (300.000-12.000 vor heute) bekannt war. Seit 2017 steht die Höhle zusammen mit fünf weiteren Fundplätzen auf der Welterbeliste der UNESCO. Ausschlaggebend waren die Figuren aus Mammutelfenbein und dazu gehört auch das berühmte Löwenköpfchen aus der Sammlung des Landesmuseums.

 

Die Grabungen im Vogelherd

Die Vogelherdhöhle 1951

Während der von April bis Oktober 1931 dauernden Ausgrabungen barg der Prähistoriker Gustav Riek von der Universität Tübingen insgesamt neun Figuren, die heute alle im Museum der Uni Tübingen zu sehen sind. Mit der Einordnung taten sich die Forscher jedoch zunächst schwer. Aufgrund der Perfektion der Mammut-, Pferd-, Bison-, Bär- und Löwenplastiken war die Skepsis an ihrem angeblichen hohen Alter groß. Konnten so wunderbar gestaltete, detailreiche und genaue Darstellungen tatsächlich schon von den ersten Menschen auf der Schwäbischen Alb angefertigt worden sein? Heute ist klar: die Stücke sind etwa 40.000 Jahre alt und stehen ganz am Anfang der Entwicklung der Eiszeitkunst, zu der, in einem späteren Abschnitt, etwa auch die „Venus von Willendorf“ gehört.

 

Untersuchungen in der Abraumhalde

Die ausgegrabenen und untersuchten Sedimente wurden von der Grabungsmannschaft mit Schubkarren direkt auf den Hang unterhalb der Vogelherdhöhle geschüttet. Diese Abraumhalde wurde durch die Universität Tübingen in den Jahren 2005 bis 2012 erneut untersucht. Dabei fanden die Archäologen tatsächlich weitere Figuren, die bei der Grabung 1931 offenbar übersehen worden waren. Dazu gehören unter anderem ein kleines Mammut und eine Fischdarstellung, die heute im Archäopark Niederstotzingen bzw. im Urgeschichtlichen Museum Blaubeuren zu sehen sind. Außerdem wurde der Kopf einer Figur gefunden, die sich an ein unvollständiges Exemplar aus der ersten Grabung von Riek anpassen ließ!

Seitenansicht mit der neu ausgestellten, unvollständigen Hälfte des Löwenköpfchens vorne

Aufgelesen

Anhänger aus Sandstein (Mammut?)

Die Untersuchungen im Abraum der Riek´schen Grabung hatten einen guten Grund. Immer wieder kamen Funde wie Steingeräte oder andere Werkzeuge zutage, die Sammler*innen und Besucher*innen der Höhle aufsammelten. Darunter die einzige Figur aus Stein, wahrscheinlich ein Mammut, die mit einer Öse versehen als Anhänger getragen werde konnte. Aber auch das Löwenköpfchen gehört zu diesen sogenannten Lesefunden. Bereits 1972 konnte die größere Hälfte aus einer Sammlung erworben werden. Davor hatte sie jahrelang in einer unscheinbaren Pappschachtel unter weiteren Fundstücken des vormaligen Besitzers gelegen. Die Überraschung über diesen Fund war groß. Aber es war schnell klar, dass das Löwenköpfchen zu einem seit den 1950er Jahren bekannten, weiteren, ebenfalls aus einer Privatsammlung stammenden Fragment gehörte. Dieses Stück wurde, da die Schnauze fehlt, zunächst für eine Bärendarstellung gehalten. Erst die Kombination beider Stücke macht deutlich, dass es sich um einen Teil des ca. 3 cm langen, vollplastischen Kopfes eines Höhlenlöwen (Panthera leo spelaea) handelt.

 

Zusammengehören, aber nicht zusammenpassen

Es ist ein seltenes Glück, dass sich beide Fragmente über den langen Zeitraum überhaupt erhalten und dann auch noch von verschiedenen Sammlern zu unterschiedlichen Zeiten entdeckt wurden. Nun konnte die kleinere Hälfte mit Lotto-Mitteln für das Landesmuseum erworben werden –damit ist nach 40.000 Jahren wieder zusammen was zusammengehört.

Aber passen die beiden Stücke auch aneinander? Nein, denn eine ursprünglich zwischen den beiden Fragmenten sitzende und die beiden Seiten verbindende Elfenbeinlamelle fehlt nach wie vor. Trotzdem möchten wir euch ab sofort in unsere wiedereröffnete Schausammlung LegendäreMeisterWerke einladen, um euch selbst ein Bild von einem der ältesten Meisterwerke überhaupt zu machen.

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