Eiszeitkunst anfassen, geht das? Ja, denn seit dem 15. Dezember ist im Landesmuseum Württemberg die Ausstellung „Urformen. Eiszeitkunst zum Anfassen“ geöffnet. Ob Höhlenlöwe, Mammut oder tanzende Steinzeitfrauen: alle können an insgesamt fünf Stationen berührt und ertastet werden. Zwar nicht die Originalfiguren aus Mammutelfenbein, die weiterhin in unserer Schausammlung LegendäreMeisterWerke zu sehen sind, dafür aber vergrößerte Kopien.
Know-how aus unterschiedlichen Perspektiven
Bei der Vorbereitung der Ausstellung war ein wichtiger Gedanke, eine Ausstellung mit taktilen Objekten für sehbeeinträchtigte und blinde Besucher*innen zu gestalten.
Deswegen wurde von Anfang an sehr eng mit einer Gruppe von Expert*innen, bestehend aus sehbeeinträchtigten und blinden Menschen, zusammengearbeitet. Gemeinsam mit Gitti Scherer (Gestaltung) und Polina Maykova (Grafik) wurden mehrere Stationen mit Tastelementen und weiteren Inhalten entwickelt.
Leitsystem ohne Hindernisse
Da der Ständesaal unter Denkmalschutz steht, durfte kein Bodenleitsystem aufgeklebt werden. Verschiedene alternative Möglichkeiten für eine optimale Orientierung im Raum wurden deshalb geprüft. Entschieden haben wir uns am Ende für ein Leitsystem aus hölzernen Bodenleisten, das einen durchgehenden Rundgang durch die Ausstellung mit dem Langstock ermöglicht. Sie sind weiß gestrichen, um den Kontrast zum Boden und den Wandelementen zu verstärken. Bei der Zusammenarbeit wurde zudem eine Führung mit Audiodeskription in der LMW-App entwickelt. So ist ein Besuch der Ausstellung für Seheingeschränkte und Blinde auch ohne Begleitung möglich.
Tasten, Hören, Riechen, Sehen
Ein weiteres wichtiges Thema war die Ausgestaltung der Taststationen. Sie sind alle nach dem gleichen Schema aufgebaut und verwenden ebenfalls starke farbliche Kontraste. Auf der linken Seite befindet sich immer eine Vertiefung, in die der Langstock gelegt werden kann, alternativ kann auch der angebrachte Klemmhalter verwendet werden. Die Beschriftung der Tische ist in Braille- und Pyramidenschrift, die Tastrichtung ist durchgängig von links nach rechts.
Die Figuren der Eiszeitkunst sind zudem sehr klein, wie z.B. der Bär aus der Geißenklösterle-Höhle mit nur 5 cm Höhe. Zusammen haben wir deshalb entschieden, die Objekte in 7-fach vergrößerten Kopien zu zeigen.
An den meist nur fragmentarisch erhaltenen Figuren lässt sich zudem nicht immer erkennen, welche Haltung die Tiere eingenommen haben, z.B. aggressiv, aufmerksam oder verspielt. Gerade die Darstellung eines bestimmten Zustandes sagt aber viel über die Wahrnehmung der Tiere durch die Menschen der damaligen Zeit aus. Die Gegenüberstellung von fragmentarisch erhaltenen und vervollständigten Figuren hilft dabei, dies besser zu verstehen.
Wandmalereien (ausgeführt vom Büro Elin Doka – Malerei und Szenografie), Filme, Duft- und Hörstationen ergänzen Ihre Reise durch die Eiszeit. Die Ausstellung haben wir zwar besonders für die Bedürfnisse von blinden und sehbeeinträchtigten Menschen entwickelt, aber letztlich ist damit ein Mehrwert für alle Besuchenden entstanden.
Die Wanderausstellung
In der zusätzlich gezeigten Ausstellung „Urformen – Figürliche Eiszeitkunst Europas“ der Arbeitsgemeinschaft Weltkultursprung können außerdem 23 Nachbildungen von eiszeitlichen Kleinfiguren in ihrer ursprünglichen Größe und in ihrem ursprünglichen Material erlebt werden.
Die Originalfiguren wurden in einem Gebiet von Südfrankreich bis an den Ural gefunden und sind häufig ebenfalls nur fragmentarisch erhalten und deshalb in den Nachbildungen ergänzt.
Lust auf eine Zeitreise in die Eiszeit?
Dann ist es Zeit, in den Ständesaal des Landesmuseums zu kommen. Ein tanzender Bär weist Ihnen den Weg! Wer noch mehr wissen möchte, kann die kostenlose LMW-App auf dem Handy nutzen oder an der Kasse ein Leihgerät erhalten. Wir bieten dort Führungen in Deutsch, Englisch, Deutscher Gebärdensprache, Einfacher Sprache und mit Audiodeskription an. Wir freuen uns auf Ihren Besuch!
Bildangaben:
Abb. 1: Landesmuseum Württemberg, Stuttgart. Foto: Jonathan Leliveldt, Alexander Lohmann, CC BY-SA 4.0
Abb. 2: Landesmuseum Württemberg, Stuttgart. Foto: Jonathan Leliveldt, Alexander Lohmann, CC BY-SA 4.0
Abb. 3: Landesmuseum Württemberg, Stuttgart. Foto: Jonathan Leliveldt, Alexander Lohmann, CC BY-SA 4.0