„500 Jahre Bauernkrieg“ – Die Große Landesausstellung Baden-Württemberg 2024/25 | Teil 5: Auf der Suche nach „Bäuer*innen“ der Bauernkriegszeit

Mit unseren Beiträgen zu „500 Jahre Bauernkrieg“ möchten wir Sie bereits jetzt auf die Ausstellungen und Projekte der Jahre 2024 und 2025 einstimmen. Diesmal gibt Ihnen unsere Kuratorin Ingrid-Sibylle Hoffmann einen Einblick in eine der Leitfragen, welche die Kurator*innen der Ausstellung „UFFRUR!“ auf unterschiedliche Art und Weise beschäftigen.

In den bereits veröffentlichten Beiträgen zum Gesamtprojekt, insbesondere zur kulturhistorischen Ausstellung „UFFRUR! Utopie und Widerstand im Bauernkrieg 1524/25“, klang an, dass der „Bauernkrieg“ nicht allein von „Bauern“ – also von Teilen der Landbevölkerung – getragen war. Vielmehr beteiligten sich auch Personen aus dem städtischen Milieu, insbesondere Handwerker*innen wie der Stuttgarter Maler Jörg Ratgeb und Tagelöhner*innen, sowie Niederadlige wie Götz von Berlichingen am Aufstand. Um der gesellschaftlichen Vielfalt der Handelnden gerechter zu werden, wird der „Bauernkrieg“ auch als Aufstand oder Revolution des „gemeinen Mannes“ bezeichnet. Dieser Quellenbegriff wurde in der Reformationszeit für die nichtprivilegierten, nicht herrschaftsfähigen Schichten verwendet und schließt die ländliche Bevölkerungsmehrheit sowie die nicht ratsfähigen Städter*innen ein.

Wer waren die Menschen im „Bauernkrieg“?

Den erklärungsbedürftigen und recht abstrakten Begriff des „gemeinen Mannes“ möchten wir in der Ausstellung ergänzen um konkretere Vorstellungen von den damals Handelnden. Wer waren die Menschen, die sich für eine tiefgreifende Veränderung der als ungerecht und bedrückend empfundenen Lebensbedingungen einsetzten?

Einzelne exponierte Persönlichkeiten – wie die oben Genannten oder auch Sebastian Lotzer, Kürschner, Laientheologe und Verfasser der Reformschrift „Zwölf Artikel“ – sind durch Schriftquellen zumindest soweit greifbar, dass ihr Lebensumfeld und ihre Beweggründe ansatzweise rekonstruiert werden können. Doch nicht nur diese – gegenüber der Mehrheit der Bevölkerung privilegierten – Personen wollen wir den Besuchenden näherbringen. Wir fragen uns darüber hinaus: Was ist mit den mehreren zehntausend Aufständischen vor allem aus den ländlich geprägten Gebieten, von denen noch nicht einmal die Namen überliefert sind? Wie sahen diese „Bauern“ und „Bäuerinnen“ aus? Was bewegte diese Menschen?

In der Ausstellung versuchen wir, uns den am Aufstand Beteiligten aus unterschiedlichen Richtungen zu nähern. Als Kunsthistorikerin kommt mir dabei die Aufgabe zu, bildliche Darstellungen für unsere Fragen auszuwerten.

Hier schon einmal Beispiele zu zwei Protagonisten unserer Ausstellung: Darstellungen von Adligen finden wir mitunter an Familiengrablegen, so zeigt beispielsweise ein Relief in Kloster Schöntal Götz von Berlichingen in Rüstung. Auch Familienchroniken, wie die der Truchsessen von Waldburg mit dem bekannten Holzschnitt Georgs III. von Waldburg-Zeil (sog. „Bauernjörg“), halten Personen bis heute in Erinnerung.

Epitaph von Götz von Berlichingen, 1550er Jahre, Kloster Schöntal.

Abb. 1: Epitaph von Götz von Berlichingen, 1550er Jahre, Kloster Schöntal.

Darstellung Georgs III. von Waldburg-Zeil aus der Familienchronik der Truchsessen von Waldburg (Ausschnitt).

Abb. 2: Familienchronik der Truchsessen von Waldburg mit Darstellung Georgs III. von Waldburg-Zeil.

Welche Bilder von „Bäuer*innen“ der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts sind überliefert?

In der Zeit um 1500 vollzieht sich parallel zu den vielfältigen Umbrüchen in Gesellschaft, Wirtschaft, Politik und Religion auch ein tiefgreifender künstlerischer Wandel. Der Mensch rückte im Zuge eines zunehmend anthropozentrischen Denkens in den Mittelpunkt des Interesses: Neben die herkömmlichen religiösen Darstellungen trat unter anderem das Porträt, das eine Person als einzigartiges Individuum zeigt.

Handelt es sich bei einer der wenigen Darstellungen, die am Bauernkrieg Beteiligte zeigt, womöglich um eine porträtartige Schilderung? Laut Bildbeischrift zeigt der Kupferstich den Trommler „Acker Concz“ und den Fähnrich „Klos Wuczer“ – doch diese Namen machen stutzig: Es handelt sich um fiktive Allerweltsnamen, wobei insbesondere das sprichwörtliche „Kunz“ sowie die in den Namen anklingenden bäuerlichen Wirkungsfelder Ackerbau und Viehzucht die Dargestellten als Symbolfiguren kennzeichnen. Während der Trommler bäuerliche Kleidung trägt, erinnert die Gewandung des Fahnenträgers an Landsknechte, die teilweise auch an der Seite der „Bauern“ kämpften.

Sebald Behams Kupferstich "Fähnrich und Trommler im Bauernkrieg 1525", 1544.

Abb. 3.: Sebald Beham, Fähnrich und Trommler im Bauernkrieg 1525, Kupferstich, 1544.

Neben dem Porträt, das im 16. Jahrhundert weitestgehend gesellschaftlich hochgestellten Persönlichkeiten vorbehalten blieb, widmeten sich die Künstler auch grundlegenden menschlichen Fragestellungen – etwa Liebe, Tod oder Schönheit – in allgemeingültigen, die damaligen Gesellschafts- und Moralvorstellungen transportierenden Menschenbildern. Innerhalb dieser neuen weltlichen Themen bilden Darstellungen von „Bäuer*innen“ und des bäuerlichen Lebens zu Beginn des 16. Jahrhunderts einen stattlichen Komplex. Sie finden sich insbesondere in den vergleichsweise neuen druckgrafischen Techniken Holzschnitt und Kupferstich, aber davon ausgehend auch in der Kleinplastik und im Kunsthandwerk.

Die für den freien Markt gefertigten „Bauernbilder“ fanden ihre Käufer*innen insbesondere unter den einigermaßen wohlhabenden Stadtbewohner*innen. Sie sind keine wirklichkeitsgetreuen Schilderungen, sondern es handelt sich, ähnlich wie in der zeitgenössischen Literatur, um „Bauernlob“ oder „Bauernspott“, das heißt wir haben es teils mit idealisierenden, noch häufiger aber mit satirischen Darstellungen zu tun.

Der hl. Wendelin als Hirte, Flügelbild eines Altaraufsatzes (Ausschnitt), Oberschwaben, um 1520.

Abb. 4: Der hl. Wendelin als Hirte (Ausschnitt), Oberschwaben, um 1520.

Auf der einen Seite finden sich – unter anderem in Darstellungen der 12 Monate – idealtypische Szenen mit arbeitenden Bäuer*innen, die als vorbildliche Standesvertreter*innen die Ernährung der Bevölkerung sichern.

Auf der anderen Seite entwickelten sich moralisierende Spottbilder von „bäurisch“-derben Menschen, die sich beim Feiern nicht zu kontrollieren wissen, zu viel essen und trinken und ein nach damaliger Vorstellung sexuell fragwürdiges Benehmen an den Tag legen, zu äußerst gefragten Motiven.

Der „Bauer“ wird in diesen Werken als beispielhafte Figur aus dem Bereich des sozial und moralisch „Niederen“ geschildert und als Tölpel, teils auch als Narr, verspottet.

 

Albrecht Dürers Kupferstich „Tanzendes Bauernpaar“, 1514.

Abb. 5: Albrecht Dürers „Tanzendes Bauernpaar“, Kupferstich, 1514.

Hans Sebald Behams Kupferstich "Ein Bauernschmaus", ca. 1536.

Abb. 6: Hans Sebald Beham, Ein Bauernschmaus, Kupferstich, ca. 1536.

Reformationsdialog „Karsthans“ (rechts stehend die Titelfigur), Titelblatt einer Schrift von 1520/21.

Abb. 7: Reformationsdialog „Karsthans“ (rechts stehend die Titelfigur), 1520/21.

Einen Kontrast zu diesen negativen Zuschreibungen bildet neben den erwähnten, pflichtbewusst arbeitenden „Bauern“ im Zusammenhang mit der Reformation überdies das Ideal des geistig aufgeweckten „gemeinen Mannes“. Dieser wurde – da im Bereich der Religion bislang „unbelastet“ – für einzelne Reformatoren zu einem (vermeintlichen) Mitwirkenden an der religiösen Erneuerung.

Davon zeugen Darstellungen des sogenannten „Karsthans“ in reformatorischen Schriften, einer ebenfalls stark typisierten Figur, erkennbar am ‚Karst‘ (Feldhacke). In diesem Kontext wurde der „Karsthans“, der zuvor im Sinne der oben anklingenden Stereotype des Groben und Rückständigen negativ besetzt war, zur ernstzunehmenden Person mit angemessener, stattlicher Erscheinung positiv umgedeutet.

 

Was verraten uns die „Bauernbilder“ über die Akteur*innen des Bauernkriegs?

Die bislang erwähnten „Bauernbilder“ sind keine Selbstzeugnisse, sondern Fremdbilder. Den Dargestellten werden Eigenschaften und Verhaltensweisen zugeschrieben, die als Projektion anderer gesellschaftlicher Gruppen auf die „Bäuer*innen“ zu deuten sind. Direkte Rückschlüsse auf die eigene Sicht der Landbevölkerung, auf ihr Tun und ihr Schicksal sind folglich nicht zu erwarten. Das „revolutionäre Subjekt“ – der durchschnittliche und doch individuelle Bauer – bleibt daher weitestgehend eine Leerstelle – ein Aspekt, der auch die intensiver mit den Schriftquellen befassten Kolleg*innen beschäftigt.

Gleichwohl vermitteln die gezeigten Objekte Einblicke in den gesellschaftlichen Aufbruch der Frühen Neuzeit, die epochalen Umwälzungen, die Vielstimmigkeit und Komplexität der Zeit. So wird die „Bauernsatire“ unter anderem als Reaktion auf aufkeimende Forderungen der Landbevölkerung gewertet, deren Akteur*innen keineswegs alle arm und abgerissen waren, sondern mitunter einen Teil der Dorfelite bildeten und dementsprechend Mitbestimmung einforderten.

Die spöttisch-moralisierenden Darstellungen zeigen, dass das städtische Bürgertum sowie der Adel sich allzu gerne über die als tölpelhaft geschilderte Landbevölkerung amüsierten und diese als nicht ernst zu nehmenden Teil der Gesellschaft abwerteten. Der „Bauer“ fungierte als mahnendes Gegenbild zur vermeintlich kultivierteren Sphäre und diente der Selbstvergewisserung der in der herkömmlichen Gesellschaftsordnung überlegenen Bevölkerungsgruppen.

 

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Bildangaben:
Abb. 1: SSG, Jürgen Besserer
Abb. 2: Württembergische Landesbibliothek
Abb. 3-7: Landesmuseum Württemberg, Stuttgart. Foto: LMW, P. Frankenstein / H. Zwietasch, CC BY-SA 4.0

 


Die Große Landesausstellung „Der Bauernkrieg 1524/25“ wird gefördert aus Mitteln der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM), durch das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst des Landes Baden-Württemberg, durch die Baden-Württemberg Stiftung, die Sparkassen-Finanzgruppe, die Oberschwäbischen Elektrizitätswerke sowie den Landkreis Biberach.

Förderer der Großen Landesausstellung 2024/25


 

4 Kommentare zu “„500 Jahre Bauernkrieg“ – Die Große Landesausstellung Baden-Württemberg 2024/25 | Teil 5: Auf der Suche nach „Bäuer*innen“ der Bauernkriegszeit”

  1. Habe diesen Bericht gelesen, sehr interessant mit den Darstellungen
    der damaligen Zeit des 16. Jahrhunderts.
    Habe schon bei meinem ersten Artikel schon auf
    Thema „Bauern in der frühen Neuzeit“ hingewiesen.
    Bis bald.

    1. Lieber Herr Griessbach,
      Dankeschön für das Feedback und die aufmerksame Lektüre der Beiträge zu den LMW-Projekten anlässlich „500 Jahre Bauernkrieg“.
      Das Thema „Bauern in der frühen Neuzeit“ wird hier auch zukünftig – aus unterschiedlichen Perspektiven – Thema sein.
      Schöne Grüße
      Ingrid-Sibylle Hoffmann

  2. Zum LMW-Blog vom 1.12.2023: Ihre Gender-Marotten nehmen schon obskure Formen an. Was sind „Bäuer*innen? Was ist nach Ihrer Definition ein „Bäuer“? Das Gleiche gilt für die „Akteur*innen“. Der Akteur ist singular, plural ist indes „Akteure“. Sie prahlen mit Kulturvermittlung. Sprache ist auch Kultur. Sind Sie nicht in der Lage Bauern und Bäuerinnen zu schreiben? Oder Akteure und Akteurinnen?

    1. Sehr geehrter Herr Thurm,
      es ist uns bewusst, dass das Thema „Gendern“ polarisiert. Als Museum sind wir darauf bedacht, möglichst viele Menschen zu integrieren und anzusprechen, und in diesem Sinne haben wir uns dafür entschieden in (fast) allen Formen der Kommunikation des Landesmuseums Württemberg das Gendersternchen zu verwenden. Wir sind uns einerseits im Klaren darüber, dass dadurch manchmal die Lesefreundlichkeit leidet, aber wir empfinden es andererseits als wichtig, niemanden auszugrenzen bzw. die Bedürfnisse nach persönlicher Ansprache zu ignorieren.
      Meines Erachtens sind die im Blog-Beitrag gewählten Formulierungen für die Zielgruppe dieses Mediums verständlich. Für andere Kommunikationsprodukte, etwa für den Mediaguide in einfacher Sprache, wird die Schreibweise mit Gendersternchen dagegen nicht verwendet.
      Mit den besten Grüßen, auch im Namen der Abteilung Kommunikation und Kulturvermittlung,
      Ingrid-Sibylle Hoffmann

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