Glänzend! Das Internationale Jahr des Glases 2022 am LMW

2022 war das „Internationale Jahr des Glases“. Viele Wissenschaftler*innen, Künstler*innen und Einrichtungen haben sich in diesem Jahr – zum ersten oder auch zum wiederholten Mal – intensiv mit dem Material beschäftigt und sein Potenzial neu ausgelotet. Für mich als wissenschaftliche Volontärin und notorischer Glas-Fan war es ein Jahr mit vielen interessanten Ausstellungen, Projekten und Veranstaltungen. Deshalb kommt hier ein persönlicher Rückblick auf das Internationale Jahr des Glases am Landesmuseum Württemberg!

1. Google Arts & Culture-Ausstellungen und „Berauschend“

Zum Thema Glas ging letztes Jahr ausstellungsmäßig einiges am LMW! Gleich zwei Online-Stories über historische Gläser sind 2022 auf dem Google Arts & Culture-Auftritt des Landesmuseums erschienen: „Faszination Antikes Glas“ bietet einen großartigen Einstieg in die spannende Welt der frühen Gläser. Die Kunstfertigkeit dieser aufwendig gestalteten Objekte begeistert immer wieder aufs Neue! Eine derart umfangreiche und qualitätvolle Sammlung an antiken Glasobjekten haben in Europa nur wenige Museen.

Ähnlich selten sind übrigens – zumindest in Deutschland – barocke Diamantriss-Gläser: In „Punktgenaue Kunst. Diamantriss-Gläser von Renaissance bis Rokoko“ durfte ich als Online-Kuratorin diese gläsernen Schönheiten, die aus Venedig, den Niederlanden und England stammen, der Internet-Gemeinde vorstellen. Unsere Foto-Werkstatt hat wirklich gezaubert und die hauchfein verzierten Gefäße perfekt in Szene gesetzt! Seht selbst:

Und dann ist da natürlich noch „Berauschend“! Selbstverständlich muss eine Große Sonderausstellung über die Kulturgeschichte von Bier und Wein auch auf Trinkkultur eingehen – und da spielte und spielt Glas seit der Antike immer wieder eine wichtige Rolle. Wie kaum ein anderes Material verbinden wir Glas heute mit dem Konsumieren von alkoholischen und nicht-alkoholischen Getränken.

Unsere Restaurator*innen haben in aufwendiger Detailarbeit die zerbrechlichen Exponate vorbereitet, restauriert und in die Vitrinen eingebracht. Kommt doch vorbei und seht es euch an!

Dieser niederländische Fadenglas-Pokal aus dem 17. Jahrhundert ist aktuell in der Großen Sonderausstellung „Berauschend. 10.000 Jahre Bier und Wein“ zu sehen.

2. Forschung, Tagungen und Kongresse

2022 fanden enorm viele Fachtagungen zum Thema Glas statt. Eine der größten war sicherlich der 26. Internationale Glas-Kongress in Berlin, an dem ich für das Landesmuseum teilnehmen durfte. Doch nicht nur wegen des Kongresses verschlug es mich in die Hauptstadt: Für einen eigenen Vortrag durfte ich in den Depots der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg und beim Stadtmuseum Berlin Vergleichsobjekte untersuchen. Einen Bericht über meine kleine Forschungsreise gibt’s hier.

Becher mit Jagderfolg von Herzog Eberhard Ludwig von Württemberg, 1729

Im Oktober hatte ich dann für die Tagung „Ans Licht! Mit Glas“ der Glastechnischen Gesellschaft in Rostock nicht nur meine Google Arts & Culture-Story, sondern auch einen eigenen Vortrag im Gepäck. Sehr aufregend! Im Zentrum meiner Präsentation stand ein Becher aus dem 18. Jahrhundert, der in unserer Ausstellung „Glas aus 4 Jahrtausenden“ zu sehen ist. Er zeigt einen Hirsch mit einer Verwachsung des Geweihs, den Herzog Eberhard Ludwig von Württemberg (reg. 1693–1733) erlegt haben soll. Als Vorlage diente vermutlich ein Kupferstich des berühmten Tiermalers Johann Elias Ridinger (1698–1767), der einen ganzen Sammelband mit den „Wundersamsten Hirschen“ mit Geweih-Anomalien zusammenstellte. So entstand eine Art Jagdgalerie auf Papier, in der verglichen werden konnte, welche*r Adlige*r nun die kurioseste Jagdtrophäe erbeutet oder lebend gefangen hatte. Der Vortrag kam gut an, nun planen wir die Veröffentlichung!

Doch auch in Stuttgart kam die Fachwelt zum Thema Glas zusammen. Im Juni fand in der Staatsgalerie eine Tagung über den vielseitigen Künstler der Moderne Adolf Hölzel (1853-1934) statt: Eine ganze Sektion war dem Schaffen des langjährigen Leiters der Stuttgarter Akademie der bildenden Künste als Entwerfer für Glasmalereien gewidmet. Einige von Hölzels Fenstern für das Stuttgarter Rathaus sind Teil der Sammlung des Landesmuseums Württemberg und als Dauerleihgabe in der Staatsgalerie zu sehen, ein weiterer Teil ist im Kunstmuseum Stuttgart ausgestellt. Auf der Tagung kam dann die Sensation: Unsere Kuratorin Maaike van Rijn identifizierte ein bisher unbekanntes Fenster, das in einem mit Hölzel zusammenarbeitenden Glasmalerei-Atelier lagerte, als verloren geglaubtes Element des Rathausfenster-Ensembles! Ein großer Wurf auch für die Stuttgarter Stadtgeschichte, da das im Nationalsozialismus als entartete Kunst diffamierte Werk für den Besuch Adolf Hitlers 1938 ausgebaut wurde und so der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg entging.

So wurden die Rathausfenster von Adolf Hölzel (1928/1929) bis 2019 in der Dürnitz gezeigt. Heute sind sie in der Staatsgalerie und im Kunstmuseum Stuttgart ausgestellt. Links im Vordergrund sieht man das Fenster, dessen unterste Bildreihe nun wiederentdeckt wurde!

3. Erfassung der Glas-Sammlung im Depot

Große Teile der Museumsarbeit spielen sich im Hintergrund ab. Deshalb lassen wir euch im Blog auch immer gerne hinter die Kulissen schauen, zum Beispiel bei der Erfassung und Beschreibung unserer Glas- und Zinn-Bestände, die schon fast ein Jahr andauert.

Beschriften, Maße, Foto, beschreiben. Der Nächste, bitte! Bei der Erfassung unserer Vasen-Sammlung aus Privatbesitz geht es farbenfroh – und schnell – zu.

In der Nähe unserer Depots sind umfangreiche Bauarbeiten geplant, deshalb sollen die Bestände zu ihrem eigenen Schutz umziehen. Bevor das geschieht, muss sichergestellt werden, dass alle Objekte ordnungsgemäß beschrieben, vermessen und in unsere Datenbank Imdas eingegeben wurden.

Hier kommen unsere Registrarinnen vom Glas und Zinn-Projekt ins Spiel: Zu jeder Jahreszeit und in Ganzkörper-Schutzanzüge gehüllt, treiben sie seit Monaten die Erfassung der nicht ausgestellten Glas- und Zinn-Bestände des Landesmuseums voran. Wieso Schutzanzüge? Frühere Konservierungsmethoden schlossen den Einsatz hochgiftiger, chemischer Mittel ein. Sie galten damals als zuverlässig und unproblematisch – heute wissen wir, dass sie extrem gesundheitsschädigend sind.

Für den Endspurt der Erfassung darf ich nun zum Team dazustoßen – und ja, auch ich muss nun regelmäßig einen Schutzanzug tragen. Ich helfe bei der Beschreibung einer ganz besonderen Sammlung: Ein Privatsammler aus Laupheim trug über Jahre eine riesige Kollektion moderner Glas-Vasen zusammen. Murano neben WMF neben Böhmen und Portugal. Das Auswahlkriterium: Farbe! Diese besondere Sammlung schlummert nun schon eine Weile im Depot des Landesmuseums. Im Rahmen der Erfassung werfen wir jetzt einen genaueren Blick hinter die beeindruckende Farbenpracht dieses tollen Bestandes!

Wie geht’s weiter?

Das Internationale Jahr des Glases mag nun zu Ende sein, aber das LMW bleibt natürlich am Thema dran. Ich für meinen Teil muss nun wohl mehr Zeit am Schreibtisch verbringen, um die Veröffentlichung meiner Forschungsergebnisse zum Thema Glas voranzutreiben. Wie schön, wenn man dann zur Abwechslung mal auf ein Stück Kuchen im Dürnitz-Café vorbeischauen und im Anschluss unsere Schätze in „Glas aus 4 Jahrtausenden“ genießen kann!

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