Im Jahr 2023 erscheint vielen die Kirchensteuer als ein veraltetes Relikt vergangener Zeiten, ein Gegenbild zur gesellschaftlichen Säkularisierung. Für so manch eine*n gehört die übermächtige Kirche, welche die Menschen zu Abgaben zwang und sich durch Ablässe finanziell bereicherte, in das vermeintlich so „dunkle Mittelalter“ oder höchstens in einen düsteren Historienfilm. Bei meinem letztem Inventarisierungsprojekt im Stuttgarter Münzkabinett trat ich auch eine kleine Reise in die Vergangenheit an: Diese zeigte, wie stark Kirche und Staat im Heiligen Römischen Reich verknüpft waren – und zwar lange bis in die Neuzeit hinein. Geistliche Würdenträger regierten noch bis zur Aufhebung des Alten Reichs im Jahr 1806 als sogenannte Fürst(erz)bischöfe. Und erst Papst Pius XII. verbot im Jahr 1951 die Verwendung dieses Titels und die damit einhergehenden weltlichen Prunkstücke in der Ikonographie: den Fürstenhut und -mantel sowie das Schwert als ultimatives Zeichen der Macht.
Fürst oder Bischof: Das ist diesmal keine Frage
Die Münzen und Medaillen zeugen als „metallene Denkmäler“ vom Rangbewusstsein dieser Männer. Auf ihnen tummeln sich weltliche und geistliche Würdenzeichen – diese reflektieren die doppelte Stellung der Prägeherren: Als geistliches Oberhaupt steht der Bischof seinem Bistum vor, als Reichsfürst herrscht er über Land und Leute und gehört zu den Großen des Landes. Dadurch reflektieren die Münzen und Medaillen zudem den Aufbau des Heiligen Römischen Reichs: Die geistlichen Fürstentümer waren ein wichtiger Faden in dem berühmt-berüchtigten Flickenteppich des Alten Reichs, die Fürstbischöfe eine tragende Säule der kaiserlichen Macht.
Die numismatischen Stücke, die mir im Münzkabinett unter die Lupe und auf die Waage kamen, zeigen: Die frommen Kirchenmänner sorgten sich als (Erz-)Bischöfe nicht nur um die Seele ihrer Schäfchen – auch wenn uns das die Inschriften oft glauben lassen wollen–, sondern auch um ihre weltlichen Territorien und Rechte. Zu diesen zählte das Münzprivileg, das die Könige im Frühmittelalter vermehrt an die Bischöfe ihres Reichs vergaben. Geistliche Herren traten somit nicht nur als graue Eminenzen hinter dem Regenten zum Vorschein, sondern inszenierten sich auch als politisch einflussreiche Landesherren. Doch welche ikonographischen Motive konnten sie dabei nutzen? Ein Hinweis: Für sie gilt fast dasselbe wie für Sultan Saladin in Gotthold Ephraim Lessings Nathan der Weise (1779): „Ein Kleid, ein Schwert, ein Pferd – und ein Gott! Was brauch ich mehr?“
Ganz in diesem Motto – mit Ausnahme des Reittiers – erscheint der Eichstätter Bischof Joseph Graf von Stubenberg auf diesem Halbtaler aus dem Jahr 1796:
Kleid: Stolz trägt der im Brustbild abgebildete Bischof den Hermelinmantel der Kurfürsten.
Schwert: Als Zeichen der weltlichen Macht ist das bischöfliche Wappen mit einem Schwert besteckt.
Gott: Auf den geistlichen Stand des Bischofs (eingesetzt von Gottes Gnaden) verweisen sowohl die Umschrift auf dem Avers als auch das bischöfliche Wappen: Hinter dem Schild befinden sich der Krummstab und das Vortragekreuz als geistliche Amtsinsignien.
Pferd?: Die Münzen und Medaillen zeigen die Fürstbischöfe zwar (unter anderem) als weltliche Landesherrn, auch die Umschrift verweist auf die ritterlichen Tugenden des Prägeherrn – doch das Schlachtross fehlt dann doch in der Darstellung. Der Wappenschild wird stattdessen von etwas ganz anderem und weniger Lebendigem getragen: vom hermelingefütterten Wappenmantel der deutschen Reichsfürsten.
Der Bischof ist tot – Lang lebe der Bischof!
Die Fürstbischöfe ließen nicht nur Münzen mit ihren Konterfeis, Titeln und Devisen verzieren, sondern auch Medaillen: Diese wurden als praktisch tragbare „Denkmäler“ auf wichtige Ereignisse der Bistumsgeschichte geprägt oder auch auf Stationen im Lebenslauf der Bischöfe selbst. Starb ein Bischof (oder musste dieser aus anderen Gründen das Bischofsamt verlassen) kam es zu einer Sedisvakanz: Der bischöfliche Stuhl (lat. sedes) war verwaist beziehungsweise leer (lat. vacans). Das in der Zwischenzeit regierende Domkapitel ließ in diesen Zeiten oftmals Münzen und Medaillen auf die Sedisvakanz prägen.
Es entwickelte sich im Laufe der Zeit ein Standardrepertoire an Motiven und Themen, aus der man bei der Gestaltung der numismatischen Stücke schöpfen konnte: Ein leerer Thronstuhl mit einer Mitra, eine Abbildung der Schutzpatrone, der Heilige Geist in Gestalt einer Taube, die Wappen der Domherren oder – als bildlicher Verweis auf das Bistum selbst – der Stiftsschild. Obwohl diese Prägungen also ganz dem Bischofsamt gewidmet sind, zeigen auch die Sedisvakanz-Medaillen das Stiftswappen mit den weltlichen Würdenzeichen (hier: Kurhut und Schwert).
Sie verweisen so auf die weltliche Rolle des Fürstbistums als Landesherrschaft – es lebte also nicht nur das geistliche Amt des Bischofs weiter, sondern auch seine weltliche Macht.
Auf den Münzen und Medaillen der geistlichen Fürstentümer tummeln sich Krummstäbe neben Schwertern, Bischofsmützen neben Kurhüten und und und… Doch was versteckt sich hinter einem Hut, der an beiden Seiten mit quastenbehangenen Schnüren verziert ist? Was soll ein schwertschwingender Löwe mit einem Mann Gottes zu tun haben? Die metallenen Prägungen der Fürstbischöfe geben so manches Bilderrätsel auf! Begib dich bei museum digital auf eine kleine Reise in eine noch gar nicht so lang zurückliegende Vergangenheit…
Die Erläuterungen kranken extrem an Oberflächlichkeit und unverhohlener Kirchenpolemik. Doch das entspricht ja voll und ganz dem Kulturwandel des Landesmuseums, das mit trash nights und der Kleinen Hexe aktuellste Kulturkompetenz beweisen will. Der Text erreicht aber bestenfalls die Note mangelhaft und zeigt eben, wie die Begeisterung für trash-nights die Kulturerosion im Landesmuseum beschleunigt.
Ein kulturgeschichtlicher Text der alten Schule hätte wenigst kurz das mittelalterliche Herrschaftssystem geistlicher und weltlicher Hirten erläutert, das sich ja sich auf wichtige biblische Bilder berief und durch zahlreiche theologische Schriften der frühen Kirchenlehre gestützt wurde. Zudem wäre in diesem Zusammenhang eine Erklärung des Krummstabs sinnvoll gewesen, denn der ist ja ein Relikt jenes Hirtenstabes, der ein Symbol des Pastoralismus ist. Diese System antiker Weidewirtschaft war schließlich auch der Namensgeber für den Pastor, den Seelenhirten. Der hütetet nun nicht mehr die Schafe wie antike Hirten, sondern eben die ihm anvertrauten Gläubigen
Immerhin ist die hier zu beobachtende Kulturerosion ein höchst interessanter Vorgang, denn sie gleich ja auf verblüffende Weise einer Erosion der Landschaft, wo mächtige Felsen ebenso zerfallen und vom Wasser weggespült werden.
Lieber Herr Gunst,
vielen Dank, dass Sie unseren LMW-Blog besucht haben und für Ihren kritischen Blick auf den Beitrag.
Der Blogbeitrag widmet sich der weltlichen Seite kirchlicher Würdenträger und deren Manifestation in Form von Medaillen. Es handelt sich hierbei um keine allgemeine Kirchenkritik, sondern lediglich um eine Darstellung der Verschränkung von Kirche und Staat und wie sich diese materiell äußerte. Vielen Dank für die inhaltliche Erweiterung zur tiefergehenden Bedeutung der geistlichen Zeichen. Ein Blog bietet nur einen begrenzten Platz, sodass das Thema hier nicht abschließend kulturhistorisch behandelt werden kann und nur Einblicke möglich sind. Somit fokussiert sich der Beitrag auf die konkrete Darstellung auf den Objekten selbst – mit einem Blick auf die kirchliche Heraldik. In der kirchlichen Amtsheraldik werden die genannten geistlichen Zeichen, die selbstverständlich wie von Ihnen ausgeführt eine geistliche Bedeutung haben, als Amtszeichen (teils auch den sogenannten Pracht- oder Prunkstücken zugerechnet) verwendet.
Es ist uns ein Anliegen, in unseren Ausstellungen und Veranstaltungen auf aktuelle Themen einzugehen und ein offenes Haus für alle zu schaffen.
Der Dürnitz Night Call, ein neues Format, das Führung und Ausstellung mit DJ-Musik und Tanz wunderbar in Einklang bringt, widmet sich dieses Mal dem Thema „Trash“ anlässlich der aktuellen Mitmachausstellung „Müllmonster-Alarm!“ des Kindermuseums Junges Schloss. Diese greift mit Aspekten wie Abfallentsorgung, Recycling und Müllvermeidung wichtige Themen unserer Gesellschaft auf und stellt sie in einen historischen Kontext. Zudem freuen wir uns, die Mitmachausstellung „Die kleine Hexe“ anlässlich des 100. Geburtstags Otfried Preußlers zu präsentieren. Diese nimmt einen wahren Kinderbuchklassiker in den Blick.
Wenn Ihnen besonders kulturhistorische Themen am Herzen liegen, dürfen Sie sich auf die Große Landessausstellung 2024/25 zum Thema „500 Jahre Bauernkrieg“ freuen, in deren Rahmen im Kloster Bad Schussenried die kulturhistorische Ausstellung „UFFRUR! Utopie und Widerstand im Bauernkrieg 1524/25“ zu sehen sein wird. Einen ersten Überblick zur Großen Landesausstellung finden Sie auf unserer Website (https://www.landesmuseum-stuttgart.de/ausstellungen/vorschau) und in diesem Blog-Beitrag: https://blog.landesmuseum-stuttgart.de/bauernkrieg_1_preview/.
Wir freuen uns, wenn Sie auch zukünftig auf unserem Blog mitlesen und wir Sie im Museum begrüßen dürfen.
Herzliche Grüße
Vivien Schiefer