WWW, HTTP & LMW: Die Anfänge des Landesmuseums Württemberg im Web

Der erste Webserver der Welt, ent­wickelt und implementiert von Berners-Lee auf einem NeXTcube-Computer (Coolcaesar from en.wikipedia.org/ CC BY SA 3.0)

Heute vor 30 Jahren, am 30. April 1993, gab das Kernforschungszentrum CERN in der Nähe von Genf die Technik für die Nutzung des World Wide Web für die Öffentlichkeit frei – ein Tag, der die Welt veränderte. Erst mit HTTP und HTML entsteht das Internet, wie wir es heute kennen: mit Texten, Links, Audios, Videos, Suchmaschinen, Apps, Blogs, sozialen Netzwerken und vielem mehr. Entwickelt wurde das WWW von dem Briten Tim Berners-Lee am CERN. Um das Wachstum des Wissensnetzes weiter zu beschleunigen, entschließt Berners-Lee sich den Code für jeden frei zugänglich zu machen, anstatt ihn patentieren zu lassen.

 

Erste Museums-Websites

Es ist schwer zu sagen, welche die erste Museums-Website war, es scheint aber grundsätzlich ein großes Interesse von Museen gegeben zu haben, damit zu experimentieren und Informationen über das Museum und seine Sammlungen online zu stellen.

Scan der ersten Website des UC Museum of Paleontology (Geotimes, Dec 1995, p. 27)

Insbesondere Forschungsmuseen mit Nähe zum Silicon Valley, damals schon Globales Zentrum der Computerbranche, waren Pioniere. Das UC Museum of Paleontology der University of California war 1993 eines der ersten Museen mit einer eigenen Website. Das Smithsonian experimentierte auch bereits 1993 mit dem neuen Medium und stellte die Astrophysical Observatory website online und 1995 eine Website für alle Smithsonian Museen. 1995 launchte der Louvre seine offizielle Website. Im August desselben Jahres startete das Deutsche Museum mit einer eigenen Website. Zusammen mit dem Deutschen Historischen Museum waren das die ersten Museums-Informationsdienste dieser Art in Deutschland.

Liste statt Suchmaschine

Die Virtual Library museums page auf der ICOM Website 2006 (Giuliano Gaia, Stefania Boiano and Jonathan P. Bowen et al., Museum Websites of the First Wave: The rise of the virtual museum, Figure 7)

Bevor es effiziente Suchmaschinen gab, hatte man nur Verzeichnisse und Link-Listen von Websites aus der ganzen Welt, die grob nach Thema sortiert waren: die „Virtual Library“. Bereits 1994 begann der britische Informatiker Jonathan Bowen darin einen Katalog für Museumswebsites aufzubauen, die Virtual Library museums pages (VLmp). Schon bald unterstütze das International Council of Museums (ICOM) das Projekt und integrierte es auf der eigenen Website. Das schnelle Wachstum des WWW machte es unmöglich, die Verzeichnisse ständig aktuell zu halten. Die Notwendigkeit, dem Datenwust Herr zu werden, wurde daher schnell erkannt und Indexierungsprogramme entwickelt. Bereits 1993 ging die erste große Search Engine Excite an den Start.

 

Von Angst und Begeisterung

Trotz anfänglicher Hürden, wie der begrenzten Verfügbarkeit von Bandbreite & Speicherplatz und fehlendem technischem Knowhow, haben sich immer mehr Museen der Herausforderung gestellt.

Website des Museo nazionale della scienza e della tecnologia Leonardo da Vinci 1999 (Giuliano Gaia, Stefania Boiano and Jonathan P. Bowen et al., Museum Websites of the First Wave: The rise of the virtual museum, Figure 4)

Die Eröffnung einer Website erwies sich schon bald als ein guter Schritt für die Öffentlichkeitsarbeit. Zum Beispiel wurde die Website des Museo nazionale della scienza e della tecnologia Leonardo da Vinci mit einem Internet-Labor 1998 in allen großen italienischen Zeitungen erwähnt. Die Begeisterung hielt sich bei Kunstmuseen eher in Grenzen, da vor allem diese schon immer mit dem Problem des Urheberrechts von Digitalisaten konfrontiert waren und die Relevanz der „Aura“ von Kunstwerken für gefährdet hielten.

Der Hype um das virtuelle Museum

Diese Lücke versuchten die ersten rein „virtuellen“ Museen zu schließen. So entwickelte der Franzose Nicholas Pioch 1995 die „WebLouvre“ Website. Sie enthielt für damalige Verhältnisse hochqualitative Digitalisate von Kunstwerken und Informationen. Die Website wurde aus rechtlichen Gründen in das WebMuseum umbenannt, nachdem der eigentliche Louvre das Internet für sich entdeckt hatte.

Das Konzept von „Virtualität“ jener Jahre ging wahrscheinlich auf den Hype um die erste Welle von Virtual-Reality-Anwendungen in den späten 1980er und frühen 1990er Jahren zurück. Die analoge und die digitale Welt erschienen damals als unterschiedliche, miteinander konkurrierende Welten, deren Konturen heute immer mehr verschwimmen und die als eine einzige, gemischte Realität wahrgenommen werden.

 

Das LMW im WWW

Es sollte noch bis in die frühen 2000er Jahre dauern bis das WWW auch bei den deutschen Museen im Mainstream angekommen war. Die schon damals kritisierte Unterfinanzierung von Museen bewirkte auch eine eher zögerliche Nutzung des Internets. So titelte die Frankfurter Allgemeine Zeitung 2001: „Deutschlands Museen tun sich mit dem Internet-Zeitalter noch schwer“. Schuld seien zu wenige Investitionen in Hardware und IT-Personal, aber auch „fehlende Neugier auf das Internet“ seitens der Museen.

Online-Präsentation der Glassammlung Wolf (Screenshot Internet Archive)

An Neugier hat es am Landesmuseum Württemberg jedenfalls nie gefehlt. So stammt die früheste archivierte Website im Internet Archive aus dem Jahr 2001. 2005 ging mit der Glassammlung Ernesto Wolf der erste digitale Katalog des Landesmuseums online. Die Anwendung wurde auf dem Webserver des Bibliotheksservice-Zentrum Baden-Württemberg betrieben. Dieser digitale Katalog zählt zu den allerersten Projekten, mit denen Daten aus der im Landesmuseum genutzten Sammlungsdatenbank Imdas pro ins Internet gelangten. Im selben Jahr entstand zudem eine flankierende Website zur Sonderausstellung „Kelten Digital“.

Social Media & der digitale Wandel

Soziale Medien wie Facebook, YouTube, Twitter, Wikipedia und Blogs haben das Medienverhalten und Gesellschaftsstrukturen im letzten Jahrzehnt dramatisch verändert.

Sie bieten neue Kommunikationsmöglichkeiten sowie Vermittlungsbühnen, durch die auch Museen mit ihrem Publikum in den Dialog treten können. Damit konsumieren Nutzer*innen nicht mehr nur, sondern können aktiv mitgestalten.

Seit 2010 ist auch das Landesmuseum in den Sozialen Netzwerken aktiv und betreibt Accounts auf Facebook, Twitter und YouTube, seit 2015 auch auf Instagram. Mit dem LMW Blog gibt das Landesmuseum seit 2017 Einblicke hinter die Kulissen und informiert über Events sowie Ausstellungs- und Forschungsprojekte.

Online-Kataloge

Im Oktober 2003 veröffentlichten namhafte Forschungs- und Kulturerbeinstitutionen die Berliner Erklärung und verpflichteten sich dazu, das Internet zur Förderung von Zugang und „Verbreitung von wissenschaftlichem Wissen und kulturellem Erbe« zu nutzen. Doch trotz dieses Bekenntnisses zum Open Access ging die Digitalisierung und Onlinestellung von Sammlungen aufgrund von rechtlichen Unsicherheiten und fehlender Ressourcen eher schleppend voran. Mit der Initiative museum-digital, die 2009 begann, wurde die Onlinestellung vereinfacht und Museen, die keine eigene Online-Präsenz hatten, konnten erstmals im WWW Objekte verfügbar machen. So auch das Landesmuseum Württemberg. Seit 2012 ist museum-digital eine wichtige Plattform für die Ausspielung der Sammlungsobjekte. Es folgten weitere Veröffentlichungen von Objekten in verschiedenen Fachportalen wie z.B. Gothic Ivories und im Münzportal KENOM. Seit 2016 besteht eine Kooperation mit der Deutschen Digitalen Bibliothek und seit 2018 gibt es die Sammlung Online im Corpus der eigenen LMW-Website. Seit 2021 ist das Landesmuseum mit einem eigenen Account auf Google Arts & Culture präsent.

 

Die digitale Transformation

Insbesondere in den letzten Jahren ist durch die Covid-19 Pandemie eine hohe Frequenz an digitalem Output von Museen zu registrieren, wodurch auch die digitalen Besucher*innen mehr in den Fokus gerückt sind.

Von der Online-Führung bis zur virtuellen Ausstellung, von der Datenschnittschnelle bis hin zu Online-Games, nutzt auch das Landesmuseum die vielfältigen Möglichkeiten des WWW um das kulturelle Erbe zugänglich zu machen, zu vermitteln, in den Dialog zu treten und damit den heutigen Anforderungen unserer Informationsgesellschaft gerecht zu werden. Dabei ist es heute wichtiger denn je, aufgrund der komplexen Anforderungen und vielen Möglichkeiten, die neue webbasierte Technologien bieten, diese Aktivitäten im Rahmen einer digitalen Strategie klug mit einander zu verknüpften. Doch damit nicht genug: Die Digitale Transformation erweitert unseren Kulturraum stetig. So entstehen neue Denk- und Handlungsweisen, die mit bestehenden Institutionsverständnissen nicht mehr kompatibel sind. Um auf die rasanten Entwicklungen digitaler Technologien reagieren zu können, braucht es in Zukunft daher auch in Museen ein Digitales Denken und Handeln in allen Arbeitsbereichen. In Anbetracht der rasanten digitalen Entwicklung mögen 30 Jahre freies Internet viel erscheinen und doch liegt noch ein weiter Weg vor uns.

 

Giuliano Gaia, Stefania Boiano and Jonathan P. Bowen et al., Museum Websites of the First Wave: The rise of the virtual museum. 2020. DOI: 10.14236/ewic/EVA2020.4

Jonathan P. Bowen, Weaving the museum web: The Virtual Library museums pages, Program Electronic Library and Information Systems 36(4), 2002

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