Besitzer des Tagebuches: Tanzender Engel
Herkunftsort: Crailsheim
Datierung: 17. Jahrhundert
Herbst 2023 – Große Neuigkeiten

Abb. 1: Skulptur Tanzender Engel
Das Dasein eines Depotobjektes ist normalerweise ein ziemlich entspanntes. Trotz regelmäßiger Kontrollbesuche und der ein oder anderen Entnahme für Ausstellungen, Ausleihen oder Forschungsprojekte ist es eigentlich sehr ruhig. Umso größer war die Aufregung bei meinen Regalnachbar*innen und mir, als wir überhörten, dass unser Depot bald zu einer Baustelle wird! Diese Nachricht ließ mich beinahe die Fassung verlieren! Denn die Malschicht auf mir ist ziemlich empfindlich und würde bei andauernden Erschütterungen wahrscheinlich abfallen. Damit mir und den rund 1.280 anderen Skulpturen und Gemälden das nicht passiert, ist es sicherer, für diesen Zeitraum in ein zeitweiliges Ausweichdepot umzuziehen.
Aus dem gleichem Grund mussten auch andere Sammlungen, wie zum Beispiel das Glas, ausziehen.
Um zu verhindern, dass wir beim Transport Schaden nehmen, musste unser Zustand vorher von Fachrestaurator Wolff-Hartwig Lipinski begutachtet, dokumentiert und stabilisiert werden. Je nach Bedarf wurden lose Malschichten gefestigt, instabile Holzsubstanz gesichert und abgebrochene Teile wieder angeleimt. Selbstverständlich möchten wir keinen Schmutz mitnehmen, weswegen wir auch gereinigt wurden.
Tja, und das dauert nun mal eine ganze Weile. Um die insgesamt benötigte Zeit besser abschätzen zu können, ließen sich einige Auserwählte von uns einer Vorzugsbehandlung unterziehen.

Abb. 2: Abstehende und lose Farbschollen
April 2024 – Suche nach einem neuen Depot
Immer mal wieder kam jemand vorbei, vermaß Dinge, murmelte vor sich hin und verschwand wieder. Wenn man den Skulpturen glauben darf, die der Bürotür am nächsten stehen, wird gerade ein neues Zuhause für uns gesucht. Ausreichend Platz muss es dort geben, passend klimatisiert sollte es auch sein und, und, und…
Januar 2025 – Inventarisierung, Sicherung und Reinigung
Über neun Monate hinweg, seit September, überprüften Registrarinnen, ob wir auch alle die richtigen Inventarnummern tragen, alle wichtigen Informationen in der Datenbank auftauchen und aktuelle Fotografien vorhanden sind. Bei wem das nicht der Fall war, wurde dies nachgeholt. Gleichzeitig waren die Restaurator*innen an uns zugange. An manchen Stellen sind wir nach so vielen Jahrhunderten nun einmal etwas porös und eingestaubt. Nach meiner Begutachtung wurde, wo es nötig war, mein Farbüberzug mit einem Festigungsmittel gesichert. Ich wurde sorgfältig abgepinselt und mit trockenen und feuchten Schwämmchen ordentlich gereinigt. Einen meiner genagelten Arme befestigte man zusätzlich mit Bändern. Nach rund drei Stunden intensiver Arbeit war ich aus dem Gröbsten raus. Dabei trugen alle im Depot eine ganze Menge Schutzkleidung. Denn ich muss gestehen, dass wir Holzobjekte es ganz schön in uns haben. Damit wir nicht von Getier und Insekten zerfressen werden, hat man nämlich viele von uns ganz früher mit giftigen Insektenschutzmitteln behandelt. Diese dünsten bis heute nach und nach aus, lagern sich im Staub ab und sind auch für Menschen leider sehr ungesund.
Zu guter Letzt wurden wir alle mit einem Textil abgedeckt um uns vor erneutem Einstauben zu schützen. Und damit man uns leichter auseinanderhalten kann, kam außen noch ein Foto und ein QR-Code mit Inventarnummer dran.

Abb. 3: Reinigung und Sicherung von Skulpturen

Abb. 4: Mit Textil eingehüllte Skulpturen
April 2025 – Vorbesprechung zu den Transporten
Jetzt wird es langsam ernst. In der Vorbesprechung zum Ablauf der sechs Umzugs-Wochen ging es um die Sonderanfertigung, den regelmäßigen Rücktransport und Wiedereinsatz der Transportkisten und des Verpackungsmaterials. Es werden nämlich sehr viele Fahrten für unseren Umzug notwendig sein.
Denn mittlerweile ist ein neuer Standort in einem Depot für uns gefunden worden. Ich bin ja schon ganz gespannt, wie es dort wohl aussehen wird!
Juni 2025 – Beginn vom Verpacken und Palettieren
Je nach Größe und Form wurden wir in Kisten und auf Paletten gepackt. Natürlich immer gut gepolstert! Auf der Abbildung 5 bin ich unten links zu sehen, wie ich gerade auf einer Platte mit Zwischenpolstern festgegurtet wurde. Und auf dem Foto daneben war ich dann schon in einer Rollkiste untergebracht, es fehlte nur noch die Seitenwand. So sicher angeschnallt konnte ich es kaum erwarten endlich auf Reisen zu gehen.
Zur Nachverfolgung, wer von uns gerade wo ist, wurde auch unser momentaner Standort in der Datenbank vermerkt und auf Listen festgehalten: Wer ist noch da, wer schon unterwegs und wer ist sogar schon im neuen Zuhause?

Abb. 5: Arbeitsfoto Verpacken der Skulpturen

Abb. 6: Vergurtete Figuren in einem Rollcontainer
Juli 2025 – Ankunft im neuen Depot
Nach der Fahrt im LKW bin ich froh, endlich anzukommen. Die Restauratorinnen vor Ort kontrollierten, ob auch alle von uns da sind, die in das Fahrzeug geladen wurden. Und ob wir auch heil und mit allen Einzelteilen angekommen sind. Nachdem ich ordentlich inspiziert wurde, stellte man mich behutsam in ein Regal, zu vielen meiner früheren Nachbar*innen. Noch ein schnelles Scannen meines QR-Codes, damit mein neuer Standort in der Datenbank erfasst ist und dann habe ich erstmal wieder meine Ruhe. Obwohl: Bis wirklich Ruhe im Depot einkehrt, wird es noch eine Weile dauern, denn ich bin ja nur eins von vielen Objekten, die mit mir umziehen.

Abb. 7: Beladen eines LKWs

Abb. 8: Erste Paletten im neuen Depot
August 2025 – Abschluss, vorerst
Das letzte Objekt ist angekommen! Jetzt heißt es erstmal durchatmen. Denn auch wenn das alles sehr spannend war, freue ich mich schon, es wieder ruhiger angehen zu lassen. Zumindest bis einige von uns sich bald mal wieder in einer Ausstellung präsentieren können. Und dann stehen wieder neue Reisen an!
Abbildungsnachweise und Nutzungsbedingungen:
Abb. 1: Tanzender Engel (Inv.nr. WLM 11738-2), Landesmuseum Württemberg (CC BY-SA 4.0)
Abb. 2 bis 8 und Header: Landesmuseum Württemberg, W. Lipinski (CC BY-SA 4.0)