Das Foyer des Alten Schlosses wird voraussichtlich bis Herbst 2020 zur Kulturlobby umgebaut. Direkt unter den Bauarbeiten ist eine der bedeutendsten Glassammlungen Europas ausgestellt. Der Schlagbohrhammer erschüttert oben den Boden. Um die Gläser vor möglichen Schäden infolge unabsehbarer Vibrationen zu schützen, wurden alle 700 Ausstellungsstücke auf Kissen gebettet.
Zeitreise durch vier Jahrtausende
Die Glassammlung Ernesto Wolf am Landesmuseum Württemberg umfasst Gläser aus vier Jahrtausenden. Die Zeitreise beginnt mit zeitlos schönen, leuchtend bunten Kostbarkeiten aus Ägypten, Mesopotamien und Griechenland. Man zieht vorbei an den ersten transparenten und mundgeblasenen Gläsern aus der Römerzeit.
In der Neuzeit begegnen Bierhumpen dem Höhepunkt der Glasmacherkunst: dem venezianischen Glas. Es ist unbegreiflich filigran, man möchte bei der Betrachtung den Atem anhalten. Eine Fülle barocker Deckelpokale lädt ein, ganz genau hinzuschauen und Zwischengoldgläser lösen Staunen aus: Wie hat man das Gold da hinein bekommen?
Schutz vor Erschütterungen
Es war klar, dass die Bauarbeiten Erschütterungen in der Glasausstellung auslösen würden. Vibrationen können zur Fortbewegung der Objekte am Ausstellungsort führen, man sagt dann, sie „wandern“. Auch die Deckel der Deckelpokale könnten verrutschen, alte Klebungen könnten sich lösen und Vieles mehr. Das Ausmaß der Erschütterungen und mögliche Folgen waren nicht absehbar. So fiel die Entscheidung, die kostbaren Stücke an Ort und Stelle auf Kissen zu legen. Diese Form des vorausschauenden Objektschutzes nennt man „präventive Konservierung“. Die Maßnahme wurde von den Restaurator*innen des LMW geplant und durchgeführt.
Grünes Licht für Kissen
150 Kissenhüllen aus Polyethylen-Vlies wurden genäht und mit Recycling-Polystyrolschaum-Kügelchen gefüllt. Stopp! Ganz so einfach ist es nicht: Alle Materialien, die über einen längeren Zeitraum mit Museumsobjekten in Berührung kommen, müssen einen bestimmten Test durchlaufen. Erst der bestandene „Oddy-Test“ bestätigt, dass die getesteten Materialien keine Gase abgeben, die für die Objekte gefährlich werden könnten. Ergebnisse aus der Konservierungsforschung haben gezeigt, dass sich auch Glasoberflächen durch den Einfluss schädlicher Emissionen verändern können.
Vorsichtig wurden alle 700 Exponate auf die Kissen gelegt. Friedlich und sicher schlummern die gläsernen Kostbarkeiten auf ihren weichen Unterlagen. Erschütterungen können ihnen nichts mehr anhaben.
Klarer Durchblick
Aktuell ist die Glasausstellung am Landesmuseum Württemberg geschlossen. In dieser Zeit werden sowohl die Ausstellungsstücke aus Glas als auch die Vitrinen sukzessive gründlich gereinigt. Die Reinigung der Glasobjekte durch die Restaurator*innen erfolgt mit größter Sorgfalt und ist entsprechend zeitaufwändig.
Im Herbst 2019 wird die strahlend schöne Ausstellung „Glas aus vier Jahrtausenden“ wieder eröffnet.
Super spannender Artikel aus der „Unterwelt “ des LMW!! Herzlichen Dank!