Das Inventarisieren von Sammlungsobjekten ist eine grundlegende Aufgabe innerhalb der Museumsarbeit, denn die Dokumentation von Objekteigenschaften sowie von Herkunft und Kontext stellt Zusammenhänge her und fasst Forschungsergebnisse zusammen. Die digitale Erfassung dieser Objektdaten hat inzwischen die konventionellen, handschriftlichen Einträge auf Inventarblättern in weiten Bereichen abgelöst. Über die systematische datenbankgestützte Erfassung sind so auch im Landesmuseum Württemberg in den vergangenen Jahrzehnten Datenschätze entstanden, die Teil unseres gemeinsamen digitalen Kulturerbes sind.
Aus der Datenbank in die weite Welt
Wurden diese Datensammlungen bislang vorwiegend für interne Aufgaben genutzt, so geht es heute darum, diese Daten auch für alle zugänglich, sichtbar und nachnutzbar zu machen. Denn das größte Potenzial liegt in der Zusammenführung dieser Daten aus unterschiedlichen Kultureinrichtungen. Nicht gekannte Zusammenhänge können so sichtbar und herausgestellt werden, aber auch neue kreative Nutzungshorizonte können dadurch entstehen. Grundlage dafür bildet ein Bekenntnis zu den FAIR-Prinizipien und die Nutzung von freien Lizenzen. Ein Kulturhackathon fördert genau diese Grundsätze, ermöglicht dadurch die Beteiligung verschiedener Zielgruppen an Kultur und sorgt damit für die Öffnung von Kulturinstitutionen.
Was ist der Coding da Vinci?
Seit 2014 vernetzt Coding da Vinci als erster deutscher Kulturhackathon Kultur- und Technikwelten miteinander und zeigt die Potenziale offener Kulturdaten auf. Hunderte motivierte Museen, Bibliotheken, Archive und wissenschaftliche Sammlungen haben diese Chancen bereits genutzt und sich der Nachnutzbarkeit Ihrer Daten bzw. den Ideenwelten enthusiastischer, technikaffiner Teilnehmer*innen geöffnet (gern gelesen dazu: Douglas McCarthy, What’s the latest picture of Open GLAM?). Der Diskurs und die Umsetzung von Projekten im Rahmen des Hackathons eröffnet den beitragenden Datengebern nicht nur neue Ideen und Ansätze zu den vertrauten Objekten aus der eigenen Sammlung, sondern auch den Kontakt zu neuen Zielgruppen, Kooperationspartnern und Förderern.
Bei Coding da Vinci haben die Teilnehmenden – im Unterschied zu klassischen Hackathons – deutlich mehr Zeit für die Entwicklung von Softwareanwendungen. Zeit, um Brücken zwischen den oft getrennten Welten kreativer Technologieentwicklung und institutioneller Kulturbewahrung zu bauen, um voneinander zu lernen und miteinander in den Austausch zu kommen. Der Ideen- und Programmierwettbewerb richtet sich an Studierende verschiedenster Fachrichtungen sowie an Coder*innen, Designer*innen, Gamesentwickler*innen, Künstler*innen, tech-begeisterte Jugendliche und weitere Interessierte.
Der Kulturhackathon in The Länd
Dieses Jahr wird der Coding da Vinci erstmals in Baden-Württemberg ausgerichtet und zeigt einmal mehr, welche überraschenden Möglichkeiten in offenen Kulturdaten stecken. Veranstalter ist die MFG Baden-Württemberg zusammen mit 14 weiteren Institutionen. Nach den Informationsveranstaltungen im Februar haben sich 30 Kulturinstitutionen aus dem Ländle bereit erklärt, ihre Daten zur kreativen Weiterverwendung bereitzustellen. Interessierte können sich die Datensets jetzt schon auf der CdV-Website ansehen und inspirieren lassen. Bei der Kick-Off Veranstaltung vom 07.- 08. Mai im ZKM Karlsruhe stellen alle Datengeber ihre Datensets vor. Sechs Wochen haben die Teams, die sich beim Kickoff im ZKM Karlsurhe dann um die Datensets formiert haben, Zeit, um eigene Ideen und Anwednungen zu entwickeln. Am 24. Juni 2022 wird in der Dürnitz des Landesmuseum Württemberg dann die feierliche Preisverleihung (in verschiedenen Kategorien) ausgerichtet!
Das Datenset des LMW – Schrott or not?
Das Landesmuseum Württemberg geht mit einem Datenset ins Rennen, das aus 150 Sammlungsobjekten aus der einzigartigen “Sammlung der Geschmacksverirrungen“ des ehemaligen Stuttgarter Landesgewerbemuseum besteht. Insgesamt 848 Bilder zeigen Objekte, bei denen man sich immer wieder fragt: Kitsch oder Kunst? Objekte wie ein gefesselter Soldat als Nadelkissen, eine Blumenvase in Form eines Birkenstammes oder eine Toilettenpapierrolle mit der Aufschrift „Endlich alleine“ kratzen an der Grenze des guten Geschmacks.
Der Direktor des Stuttgarter Landesgewerbemuseums, Gustav E. Pazaurek, sagte dem schlechten Geschmack den Kampf an und stellte ab 1909 eine „Sammlung der Geschmacksverirrungen“ zusammen. Hier stellte er alles aus, was seiner Meinung nach von der Gestaltung her wirklich unterirdisch war und ausdrücklich nicht als Vorbild für das Kunstgewerbe herhalten sollte. Unter einer Vielzahl von Kriterien wie etwa “Material-Übergriffe”, “Konstruktions-Pimpeleien” oder “Dekor-Brutalitäten” definierte er “kunstgewerbliche Verbrechen”.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Sammlungsbestände des Landesgewerbemuseums an staatliche Museen Baden-Württembergs verteilt. Das Landesmuseum übernahm rund 40.000 Objekte, darunter die viel beachtete „Sammlung der Geschmacksverirrungen“. Bis heute haben die teilweise sehr kuriosen Objekte nichts an Charme verloren und werden jetzt im Rahmen des Kulturhackathons neu in Szene gesetzt.
Sowohl die Metadaten als auch die Bilddateien sind erstmals und speziell für den Coding da Vinci unter der Creative Commons Lizenz CC0 1.0 lizenziert. Teilnehmende können sich das vollständige Datenset über GitHub und dem Coding da Vinci Server downloaden.
Wir sind gespannt, welche Projekte aus unserem „geschmacklosen“ Datenset entstehen!
Die wichtigsten Daten zum Coding da Vinci in Baden-Württemberg auf einen Blick:
Website: https://codingdavinci.de/de/events/baden-wuerttemberg-2022
Kickoff am 07./08.05.22 im ZKM Karlsruhe: https://zkm.de/de/veranstaltung/2022/05/coding-da-vinci-kick-off
Preisverleihung am 24.07.22 in der Dürnitz im Landesmuseum Württemberg.
Hashtag: #cdvBW22