Warum lohnt es sich für Museen, ihre Objekte online zu präsentieren? Welche Voraussetzungen und Arbeitsschritte sind damit verbunden? Welche Plattformen kommen neben den Online-Katalogen der Museen hierfür infrage?
Mit diesen Fragen hat die Fachstelle Museum der Deutschen Digitalen Bibliothek (DDB) gemeinsam mit dem Landesmuseum Württemberg als virtueller Gastgeber sowie den Kooperationspartnern Landesstelle für Museumsbetreuung und Museumsverband Baden-Württemberg und dem MusIS-Team am Bibliotheksservice-Zentrum Baden-Württemberg die Museen aus dem Bundesland am 21. und 22. Juni 2021 zu einem zweitägigen Online-Workshop eingeladen. Im ersten Quartal 2021 waren von ca. 1300 Museen in Baden-Württemberg gut 60 beim Kulturportal DDB registriert, wobei nur sieben bislang ihre Sammlungsobjekte im DDB-Portal veröffentlicht haben. Offensichtlich gab es Bedarf, die DDB und ihre Angebote für Museen den Einrichtungen vor Ort näher zu bringen.
Die von Bund und Ländern getragene Deutsche Digitale Bibliothek hat sich zum Ziel gesetzt, das nationale Zugangsportal für Kultur und Wissen in Deutschland zu werden, wie Chiara Marchini (DDB) in ihrem Vortrag erklärte. Darüber hinaus sammelt die DDB die Daten über Kulturobjekte und gibt sie an das europäische Kulturportal Europeana weiter. Heute sind 37 Mio. Objekte aus sammelnden Institutionen aller Kultursparten darin recherchierbar. Neben der Präsentation der DDB und ihrer kostenlosen Angebote hatte der Workshop zum Ziel, die Erfahrungen der Museen vor Ort hinsichtlich der Online-Veröffentlichung ihrer Sammlungsobjekte sichtbar zu machen und so einen produktiven Austausch anzuregen.
Verantwortung für den digitalen Output
Im gleichen Maße, in dem sich Museen der Digitalisierung öffnen, müssen sie auch Verantwortung für den entstehenden digitalen Output übernehmen, stellte Christian Gries (Landesmuseum Württemberg) in seinem Vortrag fest. Das bedeutet heute nicht nur den nachhaltigen Umgang mit Datensets der digitalen Inventarisation für die eigene Arbeit, sondern auch die Entwicklung von Konzepten einer individuellen eCulture und Dimensionen einer digitalen Sichtbarkeit bzw. Wirksamkeit außerhalb der klassischen Museumsmauern.
Die Analyse, Bewertung und Steuerung entsprechender Prozesse formuliert sich aktuell mitunter in ganzheitlichen Strategien (Beispiel: Digitale Strategie der Museen Salzburg), der Feststellung neuer Aufgabenfelder für eine „digitale Museumspraxis“ und Projekten wie „LAZARMUS: Langzeitarchivierung von Museumsdaten“. Nachhaltiges und strategisches Datenmanagement markiert in diesem Aufgabenfeld einen zentralen Komplex, der nicht nur auf der Basis der FAIR-Prinzipien bzw. nach einem Datenmanagementplan operieren sollte und im Blick auf die digitalen Nutzer*innen bzw. Besucher*innen eine permanente Schärfung verlangt. Im Bemühen um eine Vernetzung der Daten sind darüber hinaus Schnittstellen und Partnerschaften zu externen Akteur*innen, Infrastrukturen bzw. Kultur- und Fachportalen gefragt.
In Baden-Württemberg hat der Einsatz der Software imdas pro bzw. die Begleitung der Distribution über das MusIS-Team am BSZ ein landeseinheitliches Museumsdokumentationssystem etabliert, das von mehr als 600 Anwender*innen genutzt wird. In ähnlicher Verantwortung steht die Landesstelle für Museumsbetreuung mit PRIMUS, die seit 2001 ca. 200 nichtstaatlichen Museen, Sammlungen und musealen Einrichtungen einen wichtigen Weg für die digitale Inventarisierung erschlossen hat, wie Christoph Pitzen (Landesstelle für Museumsbetreuung Baden-Württemberg) in seinem Vortrag erläuterte. Auch hier wird der Prozess nicht nur mit einer eigenen Software begleitet, sondern auch über Fortbildungsreihen zu „Basiswissen Museumsarbeit“ und laufenden Support befördert. 2013 hat der Museumsverband Baden-Württemberg das Projekt Museales Kulturerbe BW digital in Zusammenarbeit mit museum-digital ins Leben gerufen, wie Martina Meyr (Städtische Museen Rottweil und Museumsverband Baden-Württemberg) in ihrem Vortrag berichtete. Von anfangs 20 Einrichtungen ist die Beteiligung an der Plattform bis heute auf über 140 Museen gestiegen. Grundsätze, die im Projekt vermittelt wurden, waren: Mit den Highlights der Sammlung beginnen; darüber nachdenken, welche Daten für den internen Gebrauch und welche für die Publikation geeignet sind; Beschreibungstexte sowie hochwertige Aufnahmen der Objekte erstellen. Der Museumsverband wünscht sich künftig noch mehr Online-Präsenz der baden-württembergischen Museen und ihrer Objekte und setzt dabei auf Kooperationen.
Online-Sammlungen aufbauen, Objektdaten vernetzen
Digitale Kataloge sind Schaufenster in die Museumssammlungen. Sie dienen der Transparenz und als Ausgangspunkt für die Verbreitung im Netz. Dies kann zu einer höheren Wahrnehmung des Museums und zu mehr Vernetzung führen. Der Aufbau einer Online-Sammlung will aber gut durchdacht sein. Jochen Dietel (Städtische Museen Freiburg, Vortrag) und Andrea Hess (Freiburger Münsterbauverein, Vortrag) gaben Einblicke in diesen Prozess und teilten ihre Erfahrungen und Tipps. So besteht eine der Herausforderungen darin, die Sammlungsvielfalt gut zu repräsentieren. Im Vorfeld müssen zudem Urheber und Nutzungsrechte sowie der Umgang mit „sensiblen“ Objekten (z. B. aus kolonialen Kontexten) geklärt werden. Nicht zuletzt sollten auch Zielgruppen festgelegt werden, um z. B. Recherchemöglichkeiten und Vermittlungsangebote auf deren Bedürfnisse anzupassen.
Der MusIS-Verbund des Bibliotheksservice-Zentrums Baden-Württemberg bietet Museen von der Datenbanksoftware sowie Administration bis hin zur Online-Präsentation und zum Datenexport (z. B. für die DDB) alle notwendigen Dienstleistungen aus einer Hand. Werner Schweibenz und Jens Lill (MusIS/BSZ) machten in Ihren Vorträgen darauf aufmerksam, dass die Verwendung von Normdaten dabei immer wichtiger wird. Die größte Normdatensammlung für Kultur- und Forschungsdaten im deutschsprachigen Raum ist die Gemeinsame Normdatei (GND). Mittels einer GND-Schnittstelle in der Objektdatenbank imdas pro wird die Eingabe von Identifikatoren aus dieser Normdatei erleichtert. Zudem soll die GND-Agentur LEO-BW-Regional zukünftig diesen Dienst weiterentwickeln und so die Metadatenqualität verbessern.
Virtuelle Ausstellungen in der DDB
Virtuelle Ausstellungen haben in der Deutschen Digitalen Bibliothek eine lange Tradition.
Lidia Westermann (DDB) stellte das Ausstellungstool DDBstudio in ihrem Vortrag vor, ein kostenloser Service der Deutschen Digitalen Bibliothek mit dem Kurator*innen virtuelle Ausstellungen gestalten können. Die Redaktionsoberfläche wurde so gestaltet, dass Kurator*innen die Software ohne technische Vorkenntnisse oder Schulungen nutzen können.
Nicht nur die pandemiebedingten Schließungen der Museen geben Anlass die Ausstellungstätigkeit in den virtuellen Raum auszuweiten. Häufig können Werke aus konservatorischen Gründen nur zeitlich begrenzt oder gar nicht ausgestellt werden. Die virtuelle Objektpräsentation bietet die Möglichkeit solche Bestände trotzdem zugänglich zu machen.
Dieser Wunsch stand auch hinter der mit DDBstudio kuratierten Ausstellung Steppenwolf und Malerfreund. Gunter Böhmer illustriert Hermann Hesse des Hermann Hesse Museums in Calw. Die stellvertretende Direktorin, Ute Lilly Mohnberg, gab in ihrem Vortrag wertvolle Einblicke, wie sie an dieses virtuelle Ausstellungsprojekt herangegangen ist. Bei der Umsetzung ging es vor allem darum, die Bestände niedrigschwellig und für eine breite Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Aus der virtuellen Ausstellung ist sogar eine physische Ausstellung hervorgegangen, ein sehr gelungenes Beispiel dafür, dass sich der virtuelle und physische Ausstellungsraum gegenseitig ergänzen können.
Rechtliche Aspekte digitaler Angebote
Bei der Verwendung von Digitalisaten ist zunächst zwischen „Urheberrecht“ und „Nutzungsrecht“ zu unterscheiden, erklärte Paul Klimpel (irightsLaw). Das Urheberrecht entsteht bei der Schaffung eines Werkes. Möchte jemand das Werk nutzen, kann der/die Urheber*in dem/derjenigen Nutzungsrechte einräumen, z. B. für die Online- Veröffentlichung oder Vervielfältigung. Die Urheberrechte können also woanders liegen, selbst wenn das Museum Eigentümer eines Werkes ist. Es ist daher essentiell, die Rechtekette lückenlos zu klären, bevor Digitalisate veröffentlicht werden. Ausnahmen und Schrankenregelungen machen es möglich in bestimmten Fällen ein Werk auch ohne Rechteklärung zu nutzen. Diese Schranken gelten jedoch grundsätzlich nicht für die öffentliche Zugänglichmachung. So gilt das Ausstellungsrecht nicht für Online-Ausstellungen.
Ist ein Museum Rechteinhaber seiner Werke, kann es diese selbst freigeben. Den Rahmen für die Freigabeoptionen bildet das Lizenzsystem der „Creative Commons“. Es hat sich international durchgesetzt und ist menschen- und maschinelesbar. In der DDB müssen Datenpartner konsequent eine CC-Lizenz oder einen Rechtehinweis angeben. Lizenzierte Werke können so kostenlos, aber nur im Rahmen der Lizenzbedingungen genutzt werden.
DDB und Europeana: Angebote für Kultur und Bildung sowie Voraussetzungen für eine Teilnahme
Die DDB hat für das Projekt „Nutzerorientierte Neustrukturierung der Deutschen Digitalen Bibliothek“ Mittel des Corona-Rettungs- und Zukunftsprogramms NEUSTART KULTUR der Bundesregierung erhalten.
Im Zuge des Projekts soll die DDB zum einen das Nutzungserlebnis auf dem eigenen Portal verbessern und auf die unterschiedlichen Zielgruppen abstimmen. Zum anderen hat die DDB einen Teil der Mittel dafür eingesetzt, die im Portal registrierten Einrichtungen bei der Durchführung eigener Digitalisierungsprojekte zu unterstützen. Es haben knapp 60 Einrichtungen eine Förderung erhalten, darunter fünf Museen aus Baden-Württemberg, teilte Katja Hesch (DDB) in ihrem Vortrag mit.
Das Europäische Kulturportal Europeana entwickelt bereits seit einigen Jahren zielgruppenspezifische Angebote insbesondere für den Bildungsbereich. So hat Europeana zahlreiche Kooperationen aufgebaut, um digitalisierte Inhalte aus den Sammlungen von Kulturerbeeinrichtungen für die Lehre in Schulen nutzbar zu machen. In ihrem Vortrag berichtete Cosmina Berta (DDB und Europeana Members Council) außerdem von der Plattform Historiana, die Materialien und Tools für den Geschichtsunterricht zur Verfügung stellt.
Voraussetzung für eine Nachnutzung ist die, dass Museen und andere Kulturerbeeinrichtungen ihre Inhalte mit Lizenzen bzw. Rechtehinweisen versehen, die die Art der erlaubten Nutzung klar umschreiben. Um ihre Objekte in der DDB zu publizieren, greifen Datenpartner auf Auszeichnungen aus dem DDB-Lizenzkorb zurück. Die Teilnahmevorraussetzungen erläuterte Sophie Rölle (DDB) in ihrem Vortrag. Um Datenpartner der DDB zu werden, müssen Museen sich im Portal registrieren und einen Kooperationsvertrag unterschreiben. Dieser räumt der DDB die Nutzungsrechte an den Objektinformationen und Digitalisaten ein und klärt außerdem, ob die Daten an Europeana weitergegeben werden sollen.
Datenlieferung an die DDB
Die Teilnahme an Online-Portalen wie der DDB bietet sich für Museen an, wenn die Objekte der eigenen Sammlung mit Objekten anderer Institutionen spartenübergreifend verknüpft werden sollen. Mit Hilfe von Normdaten werden Objekte vernetzt, besser auffindbar und erscheinen in ganz neuen Kontexten. Stephanie Götsch (DDB) machte in ihrem Vortrag deutlich, wie die Fachstelle Museum Museen bei ihrem Vorhaben, ihre Objektinformationen im DDB-Portal zu veröffentlichen, berät und unterstützt.
Damit die Daten aus einer lokalen Datenbank an Online-Plattformen weitergegeben werden können, ist die Exportfunktion entscheidend. Je nach vorhandenen Ressourcen kann der Export aus der Datenbank durch die hausinterne IT übernommen werden. Außerdem bietet sich die Zusammenarbeit mit sogenannten Aggregatoren an, vor allem dann, wenn die Ressourcen im eigenen Haus eine externe Beauftragung nicht zulassen. Ein Aggregator ist ein Dienst, der Metadaten von Kultur- und Wissenseinrichtungen sammelt, vereinheitlicht, verwaltet, vorhält und weitergibt. Neben einer Software zur Inventarisierung bieten Aggregatoren die Möglichkeit die eigene Sammlung online zu präsentieren. Für die Teilnahme an der DDB ist die eigene Online-Präsentation eine Voraussetzung, damit die Rückverlinkung von der DDB-Objektseite zur Objektseite der datengebenden Institution gewährleistet ist.
Die vielen verschiedenen Informationen zu den Objekten können mithilfe des LIDO-Austauschformats in eine Struktur gebracht werden, die es erlaubt die Informationen im DDB-Portal optimal anzuzeigen und über eine indexierte Suche auffindbar zu machen. Im DDB-Wiki sind Informationen zu Anforderungen an Lieferdaten sowie zu Pflichtelementen in der Datenlieferung zu finden.
Digitalisierung für alle durch mehr Austausch und Vernetzung
Eine Umfrage, die zu Beginn des Workshops unter den Teilnehmenden durchgeführt wurde, ergab, dass die digitale Erfassung der Sammlungsobjekte bereits an den meisten Häusern gängig ist. Auch plante die Mehrheit der Anwesenden eine Zusammenarbeit mit digitalen Plattformen, um die eigenen Objektdaten für die Nachnutzung online bereitzustellen.
Zum Ende des Workshops gaben die Teilnehmenden in einer weiteren Umfrage die wichtigsten Themen an, die sie aus dem Treffen mitnehmen würden. An oberster Stelle standen die Begriffe Vernetzung, Förderung und Normdaten.
Der Austausch im Workshop machte deutlich, dass die Zusammenarbeit mit mehreren Portalen sinnvoll sein kann, da jedes Portal eine eigene Nutzer*innengruppe erreicht und so die Reichweite vergrößert werden kann.
Insbesondere kleinere Museen haben oftmals Schwierigkeiten, die Digitalisierung zu finanzieren. Hier ist eine finanzielle Förderung – sei es auf Landesebene oder etwa durch die DFG – oftmals eine Voraussetzung. Institutionen wie die DDB und die Landesstelle für Museumsbetreuung bieten wiederum Unterstützung in Form von Wissenstransfer, um Museen zu befähigen, ihre Sammlungen digital zu erschließen und entsprechend der geltenden Standards online veröffentlichen zu können. Die Verwendung von Normdaten ergänzt diese Publikationsstandards und bildet die Basis für eine digitale Vernetzung.
Insgesamt haben die Umfragen und die rege Teilnahme gezeigt, wie wichtig die Vernetzung und der Austausch zwischen den Museen untereinander sowie mit den digitalen Partnern sind, um für den Nutzen digitaler Angebote zu sensibilisieren, Know-how zu vermitteln und Lösungsvorschläge aufzuzeigen.
Quellen:
Zur Anzahl der Museen in Baden-Württemberg siehe https://journals.ub.uni-heidelberg.de/index.php/ifmzm/issue/view/5496/1014 (S. 55) und https://netmuseum.de/
Bildnachweise Titelbild:
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