Heutzutage bemerken wir Anspielungen auf die Achtziger, auf die Zwanziger Jahre, auf die Beatles oder auf James Dean. Wir wissen bestimmte Motive einzuordnen und sie auch in anderem Kontext wiederzuerkennen: Zum Beispiel vier uns völlig fremde Männer auf einem Touristenfoto, die in der Londoner Abbey Road die Straße überqueren.
Stellen Sie sich vor, es würde Ihnen mit Bildthemen der klassischen Antike genauso gehen – dann wissen Sie ungefähr, wie wohl zu Zeiten Napoleon Bonapartes (1769–1821) ein Bild betrachtet wurde. Und Bilder, vor allem die des Kaisers selbst, gab es natürlich reichlich!
Napoleon trug zwar Schulterpolster, bezog sich aber in seinem Auftreten nicht auf die Achtziger, sondern auf die Antike. Dies tat er unter anderem auf Medaillen, die er auf wichtige und erinnerungswürdige Ereignisse prägen ließ. Und die Medaillen strotzen förmlich von antiken Anspielungen, Motiven und Themen.
Besatzung in Bildern
Um an die Erfolge seiner Eroberungen und gewonnenen Schlachten zu erinnern, ließ Napoleon eine Vielzahl von Medaillen prägen. Viele davon sind an antike Münzen angelehnt. So auch eine Medaille des Jahres 1805 auf die Einnahme von Wien. Ihre Rückseite zeigt eine trauernde Frau, die Personifikation der eroberten Stadt, die Umschrift titelt: „VINDOBONA. CAPTA“, „Wien wurde erobert“. Ähnliche Darstellungen finden sich auf römischen Münzprägungen, wie zum Beispiel auf einem As des Kaisers Vespasian (reg. 69–79 n.Chr.), auf dem die Eroberung Judäas darstellt ist. Auch hier findet sich eine trauernde Frauengestalt, die sich gegen eroberte Waffen lehnt.
Eine weitere Möglichkeit, die Eroberung darzustellen, ist die Verwendung eines besonders charakteristischen Symbols des besetzten Landes. Napoleon ließ nach seinem Ägyptenfeldzug Medaillen prägen, deren Rückseite ein Krokodil abbildet. Ein ähnliches Motiv ist auf einem As des römischen Kaisers Augustus (reg. 31 v. Chr.–14 n. Chr.) aus dem Jahre 10 n.Chr. zu finden.
Den Künsten der Sieg – Den Siegern die Kunst
Napoleon sah sich selbst gerne als Kunstsammler und -kenner. Im Zuge seines Italienfeldzuges (1796/97) ließ er zahlreiche prominente antike Skulpturen aus Italien nach Paris, meistens in den Louvre, bringen. Die geraubten Stücke bildeten seinen Anspruch als humanistisch gebildeter Herrscher ab, fungierten aber auch als Beutestücke, die dem Volk beispielsweise auf Medaillen präsentiert werden konnten. Unter den Statuen war unter anderem die berühmte Venus Medici, die auf einer Medaille von 1803 geprägt wurde.
Kaiserliche Vorbilder
Napoleon bezog sich in seiner eigenen Darstellung oftmals auf römische Kaiser. Das Porträt, das auf den allermeisten seiner Medaillen abgebildet ist, ist an das Münzportrait des römischen Kaisers Augustus angelehnt. Die Darstellungsweise sollte einen Ausdruck von Alterslosigkeit und erhabener Überzeitlichkeit vermitteln.
Aber es ging auch dynamischer! Eine Medaille zu der Schlacht von Jena von 1806 ist beinahe bis ins kleinste Detail an das Motiv eines As des römischen Kaisers Vespasian angelehnt. Das kaiserliche Vorbild allein schien allerdings nicht zu reichen. Auf der Medaille stellt sich Napoleon nämlich zusätzlich die Attribute des obersten römischen Gottes zur Seite: ein Blitzbündel und einen Adler.
Göttinnen Reloaded
Napoleon verließ sich in seiner Bildersprache nicht nur auf die Darstellung seiner eigenen Größe, sondern auch auf die Unterstützung antiker Göttinnen, die sich bestens eigneten um Sieges- oder Friedensmotive zu verarbeiten. Auch in diesem Fall wurde auf antike Münzkompositionen zurückgegriffen. Eine Medaille, die auf die Schlachten von Marengo und Friedland geprägt wurde, kopiert beinahe detailgetreu ein Motiv eines As des Kaisers Trajan (reg. 98–117 n.Chr.). Die römische Göttin Viktoria, die auf ihren Schild schreibt, ist seit der Antike ein beliebtes Motiv, um Siege zu feiern.
Von der Verwendung antiker Symbole und Motive erhoffte sich Napoleon vor allem die Legitimation seiner Herrschaft. Die Antike versprach Tradition, historische Dimension und eine mächtige Überzeitlichkeit. Ihre Ikonographie begleitet Napoleons gesamtes Leben.
Und sie verhilft kleinen Medaillen zu pathetischer Größe, die jetzt, ermöglicht durch den Numismatischen Verbund Baden-Württemberg, auch im digitalen Museum zu bestaunen ist.