Als wissenschaftliche Volontär*innen durften wir, Rebecca Kühnle aus der Archäologie und Judith Thomann aus der Kunst- und Kulturgeschichte, eine Hospitanz in einer anderen Abteilung des Landesmuseums Württemberg absolvieren. Beide verließen wir unsere sicheren Heimathäfen und wagten uns auf die sagenumwobene See der Projektsteuerung. Sie ist die organisierende Kraft hinter jeder Ausstellung und jedem Projekt am LMW. Für jede Idee und jedes Vorhaben plant diese Abteilung die Umsetzung.
Ein dreieckiger Kompass
Was für Abenteuer würden uns Landeier auf dem offenen Meer erwarten? Gleich zu Beginn der Hospitanz gab uns „Chef-Steuerer“ Jan-Christian Warnecke einen Kompass an die Hand, der uns das Navigieren durch die Projektsteuerungssee erleichtern sollte: ein magisches Dreieck.
Dieses Werkzeug ist das A und O für jedes Projekt und jede Aufgabe – nicht nur im Museum. Zu Beginn werden die Seiten Zeit, Kosten und Qualität festgesetzt: Wie viel darf das Projekt kosten, wie viel Zeit haben wir dafür, und welchen qualitativen Anspruch haben wir daran?
Bleibt alles im festgelegten Rahmen, wird das Projekt gelingen. Verschiebt sich eine Seite, so müssen die anderen angepasst werden. So einfach die Theorie. Dass es in der Realität manchmal nicht ganz so einfach gelingt, steht natürlich auf einem anderen Blatt.
Let’s talk money…
Mit dieser Navigationshilfe schipperten wir zunächst sanft dahin und beschäftigten uns zunächst mit einer der drei Seiten – den Kosten. Neben der Software SAP, in die die Buchhaltung alle Ausgaben und Einnahmen einträgt, pflegt das LMW eine sogenannte Projektdatenbank.
Dort werden alle Kosten parallel noch einmal eingetragen – häufig lange bevor das Geld überhaupt ausgegeben wird. So kann der oder die Projektsteuernde den Überblick über das noch vorhandene – oder noch nicht verplante – Budget behalten. Manchmal gibt es jedoch Diskrepanzen zwischen den beiden Datenbanken, zum Beispiel wegen gestiegener Rohstoff-Preise.
Im Falle solcher Abweichungen war es unsere Aufgabe, die Ursachen zu ermitteln und Anpassungen vorzunehmen. Hauptsächlich flatterten Rechnungen für den Aufbau der Großen Sonderausstellung „Berauschend. 10.000 Jahre Bier und Wein“ ins Haus. Ab und an mussten aber auch noch Abrechnungen für die Ausstellung „Fashion?! Was Mode zu Mode macht“ bearbeitet werden.
Und auch für manche Projekte der nächsten Jahre wurde schon Geld verplant und ausgegeben – aber da verraten wir erstmal noch nichts!
… and let’s talk time!
In der Projektsteuerungssee schwimmen aber nicht nur Ausstellungen, sondern auch andere Projekte umher: Rebecca bekam die Aufgabe, neue Türschilder für die Mitarbeiter*innen-Büros über der Stuttgarter Markthalle zu recherchieren und zu bestellen. Bisher musste für jede*n neue*n Mitarbeiter*in sehr aufwendig ein neues Schild produziert werden – viel zu teuer und absolut nicht nachhaltig! Rebecca fand eine Firma, die Schilder mit seitlich ausziehbarer Scheibe anbietet. Jetzt können die Schilder ganz leicht ausgewechselt werden. Gefunden, den Beteiligten vorgestellt, Kosten und Workflow geklärt. Ruckzuck – Problem gelöst!
Auch Judith durfte ein besonderes Projekt betreuen: Nach monatelanger Schließung wegen einer Fassadensanierung durfte unser Haus der Musik, der sogenannte „Fruchtkasten“ am Schillerplatz, am 26. Dezember 2022 endlich wieder öffnen! Für alle durchzuführenden Aufgaben entwickelte Judith den Zeitplan: Fenster mussten wiedereingesetzt und mit UV-Schutzfolien ausgestattet, die Podeste und Vitrinen überarbeitet, Objekte wieder eingeräumt sowie Ausstellungstexte und Banner neu hergestellt werden. Den Überblick über diese To-dos zu behalten – sowie Dauer und Reihenfolge korrekt einzuplanen –, war gar nicht so leicht. Aber die Arbeit hat Früchte getragen, die Ausstellungen sind wieder für Besucher*innen zugänglich!
Ein „berauschender“ Sturm zieht auf
Mit voranschreitender Hospitanz rückte auch die Eröffnung der Großen Sonderausstellung „Berauschend. 10.000 Jahre Bier und Wein“ immer näher – und natürlich waren auch wir Hospitantinnen der Projektsteuerung mit an Bord!
Wir klebten Texte auf Objektsockel, pflegten den Transport- und Aufbaukalender, in dem alle wichtigen Termine bis zur Eröffnung stehen, bereiteten Vitrinen für die Restaurator*innen vor und arbeiteten an einem Betriebshandbuch für die Mitarbeiter*innen mit.
Auch die Kurier*innen aus anderen Museen und Institutionen, die ihre Leihgaben zu uns nach Stuttgart begleiteten, mussten in Empfang genommen und betreut werden. Ab und an sind wir auch selbst losgeschippert und haben Leihgaben ins Alte Schloss transportiert, zum Beispiel aus Ulm, Heidelberg oder Bönnigheim.
So ein Ausstellungsaufbau ist anstrengend, aber auch sehr spannend! Wir haben viele Leute getroffen und Einiges über Museumsarbeit gelernt – ganz praktisch und hautnah. Und natürlich sind wir nun sehr stolz, an der erfolgreichen Eröffnung von „Berauschend“ mitgewirkt zu haben!
Projektsteuerung ade
Nach zwei Monaten setzten wir wieder Kurs Richtung Heimathafen. Unsere großen und kleinen Abenteuer bei der Projektsteuerung werden wir aber nicht vergessen – und natürlich alle, die uns auf dieser Reise begleitet haben! Insbesondere Jan-Christian Warnecke, Janna Meyer und Marc Kähler danken wir für Unterstützung, Zutrauen und spannende Aufgaben – ein Hoch auf die Projektsteuerung! Oder auch: Mast und Schotbruch!