Mit Tulpen und Pfingstrosen, gemalt von Königin Charlotte Mathilde von Württemberg (1766–1828), begrüßen wir den Frühling. Aus Lotto-Mitteln konnte im letzten Herbst eine Holz-Kassette mit einer Porzellanmalerei der Königin angekauft werden. Die Neuerwerbung können Sie nun im 2. Obergeschoss des Alten Schlosses am Eingang zu den „Legendären MeisterWerken“ bewundern.
Geschenk von Königin Charlotte Mathilde an das englische Königshaus
Bekannt als hoch gebildet und künstlerisch begabt, war Charlotte Mathilde nicht nur die erste Königin von Württemberg, sondern auch die älteste Tochter des englischen Königs Georg III. (1738–1820). Auch nachdem sie 1797 den württembergischen Erbprinzen Friedrich (1754–1816), den späteren König Friedrich I. von Württemberg, in London geheiratet hatte, blieb sie ihrer englischen Familie ein Leben lang eng verbunden. Die Mahagoni-Kassette war ein Geschenk an die Royals und ist ein Symbol der Verbindung zwischen den württembergischen und englischen Königshäusern.
Jugend in England
In ihrer Jugend am englischen Königshof hatte die Tochter von Georg III. und seiner Gemahlin Sophie Charlotte von Mecklenburg-Strelitz (1744–1818) eine umfassende künstlerische Erziehung genossen. Neben der üblichen Ausbildung erhielt Charlotte Mathilde mit ihren Geschwistern auch Mal- und Zeichenunterricht. Zu ihren Lehrern gehörten der Hofmaler Paul Sandby (1731–1809) sowie die Künstler John Alexander Gresse (1741–1794) und Benjamin West (1738–1820). Sie sollte Blumen und Tiere malen und dabei sowohl englische als auch italienische und niederländische Meister kopieren. Zudem erhielt sie Unterricht in Stickkunst, eine Handarbeit, die in England eine besondere Tradition hatte.
Ankunft in Württemberg und Sanierung der Residenzschlösser
Zahlreiche Briefe an ihren Vater belegen, dass Charlotte Mathilde ihrer Familie auch nach ihrer Ankunft in Stuttgart tief verbunden blieb. Kurz vor Weihnachten verstarb Herzog Friedrich Eugen (1732–1797). Der Erbprinz wurde rasch als Friedrich II. zum neuen Herzog von Württemberg und Charlotte Mathilde zur „Landesmutter“. Nach ihrem Regierungsantritt machte sich das Paar sogleich daran, die sanierungsbedürftigen Residenzschlösser in Stuttgart und Ludwigsburg zu renovieren.
Die Liebe zu Ludwigsburg
Besonders das Schloss und die Gärten in Ludwigsburg lagen Charlotte Mathilde am Herzen. In einem Brief an ihren Vater aus dem Jahr 1799 schrieb sie:
„Ludwigsburg gefällt mir so sehr, weil ich jeden Abend, sogar bei wärmstem Wetter, einen langen Spaziergang unter den alten Eichen machen kann.“1
Das Herzogspaar baute das Schloss und die Gärten im neuen Empire-Stil um. Besonders die englischen Landschaftsgärten mit „gotischen“ Ruinen und rustikalen Cottages galten als modern. Die Gärten des englischen Königs in Kew bei London dienten als stilistisches Ideal. Nach dem Vorbild englischer Farmen richtete die Herzogin in Ludwigsburg einen Bauernhof ein. Ihrem Vater berichtete sie am 30. März 1800:
„Die Gärten und die englische Farm […] sind bedeutend erweitert worden. Das ist mein Lieblingsort, denn sie sieht aus wie ein freundliches englisches Dorf, und der Garten passt vollkommen dazu.“2
Verbindung mit der Heimat
Auch für die Neugestaltung des Schlosses spielte England eine wichtige Rolle. Die Umbauten in Windsor Castle im „gotischen“ Stil waren beispielhaft. Für die Innenraumgestaltung ließ sich Charlotte Mathilde von Frogmore House, dem Landsitz von Georg III. in der Nähe des Schlosses Windsor, inspirieren.
Charlotte Mathilde fertigte außerdem künstlerische Arbeiten für die Ausstattung der englischen Herrenhäuser. Sie stickte etwa Bilder und entwarf Möbel für die Häuser von George III. und schickte diese in die alte Heimat. Ihre Kunstgegenstände ließ sie unter anderem in der 1758 gegründeten Porzellanmanufaktur Ludwigsburg fertigen. Bereits 1805 sandte die Herzogin ihrem Vater eine selbstentworfene Schüssel aus Ludwigsburger Porzellan in einem Koffer, der vom herzoglichen Kabinettschreiner gefertigt worden war.
Als Herzog Friedrich gezwungenermaßen im Oktober 1805 ein Bündnis mit dem französischen Kaiser Napoleon (1769–1821), dem Gegner des englischen Königs, einging, brach der Briefwechsel mit ihrer Familie ab. Die seit 1806 zur Königin gekrönte Charlotte Mathilde befasste sich indes weiterhin mit der Neugestaltung von Schloss Ludwigsburg. Sie bestickte Möbelbezüge und widmete sich der Porzellanmalerei.
Zusammenarbeit mit dem Hofschreiner und der Ludwigsburger Porzellanmanufaktur
In den Jahren zwischen 1810 und 1820 entstanden zahlreiche Schreibschränke, Kommoden und Tische, die Charlotte Mathilde gemeinsam mit dem Hofschreiner Johannes Klinckerfuß (1770–1831) fertigte. Dafür bemalte die Königin mehrere Porzellanplaketten, die sie auf der Rückseite mit ihren Initialen „CM“ oder „CAM“ signierte und in der Ludwigsburger Porzellanmanufaktur brennen ließ. Als Motive wählte sie neben ländlichen Idyllen und Tierszenen auch Blumengebinde. Stiche von niederländischen und englischen Künstlern aus dem 17. und 18. Jahrhundert, die sie nach eigenen Vorstellungen neu zusammensetzte, dienten als Vorlagen.
Witwenschaft und Versöhnung mit England
Nach dem Tod König Friedrichs zog sich Charlotte Mathilde 1816 endgültig auf ihren Witwensitz im Schloss Ludwigsburg zurück, wo sie sich den linken Flügel des neuen Corps de Logis neu einrichtete. Als Witwe versöhnte sich Charlotte Mathilde wieder mit ihren englischen Verwandten. 1819 wurde sie Taufpatin ihrer Nichte Viktoria von Kent, der zukünftigen Königin. Im Jahr 1827 reiste sie zum ersten Mal seit ihrer Hochzeit für eine ärztliche Behandlung zurück nach England.
Aus diesem Lebensabschnitt, genauer von 1817, stammt auch die neu angekaufte Kassette. Sie kann damit als Symbol der Versöhnung Charlotte Mathildes mit ihrer Herkunftsfamilie gesehen werden. An ihrem Lieblingsort malte sie die Porzellanplakette mit dem Motiv eines Blumenkorbs. Die Mahagoni-Kassette stammt, wie viele Vergleichsstücke, wohl aus der Werkstatt von Johannes Klinckerfuß.
Die Kassette enthält zudem ein silbernes Teebesteck bestehend aus sechs Löffeln, einer Zuckerzange, einem Dosierlöffel und einem Teesieb. Das in filigranem Silber gearbeitete und floral verzierte Besteck ist mit der Stadtmarke für Ludwigsburg sowie dem Meisterzeichen „NH“ markiert. Dieses deutet auf den Ludwigsburger Silberarbeiter und Oberzunftmeister Christoph Jacob Nikolaus Häberle (1785–1848) als Hersteller hin.
Die Reise der Kassette – Von England über Hannover und Österreich zurück nach Württemberg
Die Kassette wurde zunächst in einer Nebenlinie des Königlichen Hauses Hannover weitervererbt. Sie ging wohl in den Besitz von Charlotte Mathildes Bruder, des fünften Sohnes von Georg III., König Ernst August I. von Hannover (1771–1851), über.
Ein Etikett in der Kassette bezeugt, dass sich das Objekt zwischenzeitlich im Familienmuseum auf Schloss Cumberland in Gmunden, Österreich, befand.
Nachdem sich das Haus Hannover im Preußisch-Österreichischen Krieg 1866 auf die Seite der österreichischen Habsburger stellte und verlor, musste die Fürstenfamilie ins Exil. Zunächst gingen sie nach Wien und errichteten ab 1882 einen neuen Familiensitz in Gmunden. Nach der Auflösung der deutschen Monarchien gab es keinen Grund mehr für das Exil der Welfenfamilie. 1930 wurde Schloss Cumberland zunächst in ein Familienmuseum umgewandelt, bis es 1938 von den Nationalsozialisten beschlagnahmt wurde und sich die Fürstenfamilie auf ihren Stammsitz, die Marienburg bei Hannover, zurückzog.
Die Kassette war bis 2005 im Familienbesitz. Bei einer Auktion von Sotheby’s ließ Ernst August, Prinz von Hannover, Prinz von Großbritannien und Irland, Herzog zu Braunschweig und Lüneburg (geb. 1954), das heutige Familienoberhaupt des königlichen Hauses Hannover, mehrere Kunstwerke aus Schloss Marienburg versteigern. Danach befand sich das Objekt im Kunsthandel und konnte nun vom Landesmuseum angekauft werden.
Quellenangaben:
1Arthur Aspinall, „The Later Correspondence of George III., Volume 3 (1798-1801),” Cambridge 1967, S. 220 Nr. 1970 (Ludwigsburg, 10.6.1799), in: Eberhard Fritz, “«Ich kann es kaum erwarten, bis wir nach Ludwigsburg gehen» Schloss und Gärten in den Briefen der Charlotte Mathilde von Württemberg an ihren Vater König Georg III. von England“, Ludwigsburger Geschichtsblätter 71/2017, S. 99.
2Aspinall 1967, S. 328 Nr. 2121 (Ludwigsburg, 30.3.1800), in Fritz 2017, S. 101.