Eine andere Zeit – die gleiche Strategie
Heute stehen sogenannte Influencer wegen (angeblicher?) Werbung in den Sozialen Netzwerken beständig unter Kritik – und doch hat genau diese Strategie der Promotion eine lange Tradition. Vor genau hundert Jahren endete der Erste Weltkrieg, der nicht nur an der fernen Front tobte – sei es in der Luft, auf dem Meer oder zu Lande – sondern auch in der Heimat eifrig von der Presse und der deutschen Heeresleitung befeuert wurde, um die Kriegseuphorie der restlichen Bevölkerung anzustacheln. Ein regelrechter Werbefeldzug schüttete Unmengen an Kriegssouvenirs aus.
Durch den Erwerb unterschiedlichster Medaillen und Plaketten konnte der Einzelne seinen Teil zur Kriegsfinanzierung leisten. Unter der Parole „Gold gab ich zur Wehr, Eisen nahm ich zur Ehr“ präsentierte so manch einer seinen Patriotismus durch die im Tausch für Goldschmuck erhaltenen Eisenstücke. Doch wir wissen ja: Es ist nicht alles Gold, was glänzt – der ein oder andere mag diesen übereifrigen Tausch im Steckrübenwinter, spätestens aber nach Ende des Krieges bedauert haben.
Aus dem Vorlesungssaal direkt zur Quelle selbst…
Im Rahmen dieser Stimmungsmache wurden Medaillen und Plaketten en masse produziert, von denen sich heute ein Bruchteil im Münzkabinett des Landesmuseums Württemberg befindet, der nur darauf gewartet hat, von einer Generation hoffnungsvoller Numismatiker in spe erfasst und digitalisiert zu werden. Im Rahmen dieses Projektes, gefördert vom Numismatischen Verbund in Baden-Württemberg , konnten wir unserer Kreativität freien Lauf lassen bei dem Versuch, hinter all den ironischen Motiven auf Avers und Revers die richtige Nachricht zu entschlüsseln.
Vor allem jedoch die im Geschichtsstudium eingebläute und ad adsurdum geübte Literaturrecherche konnte nun wieder angewendet werden – so griffen wir bei der Anfertigung der Beschreibungstexte auf allerlei Nachschlagewerke zurück. Auch das Interpretieren von Quellen war durch die im Studium geübte Praxis nichts Neues.
Am Ende stehen nun die inventarisierten Münzen, Medaillen und weiteren Prägungen einem interessierten Publikum in Form einer digitalen Präsentation zur Verfügung, die die Möglichkeit bietet, die Sammlung des Landesmuseums Württembergs auf dem heimischen Bildschirm zu erforschen.
Der Erste Weltkrieg als makabre Zirkusmanege
Trotz aller Ehrfurcht vor dem Original, welches einem angehenden Historiker als Zeugnis einer vergangenen Zeit schon einmal einen Schauer über den Rücken jagen kann, wunderten wir uns bei der Erkundung und Erschließung der Medaillen um das ein oder andere Mal. So schienen die Medailleure des Ersten Weltkrieges ihre Inspiration wohl in einem Märchenwald gefunden zu haben: Überdimensionale Hasen, tanzende Bären, stolze Hähne, der König der Tiere, der Löwe, sowie – man mag es kaum glauben – ein Seelöwe, der fröhlich einen Ball auf seiner Nase balanciert, tummelten sich auf den Medaillen.
Diese Vielzahl an tierischen Motiven verwies dabei eindeutig auf die am Krieg beteiligten Länder; der Bär stand für das große Russische Kaiserreich, der Gockel für das verhasste Frankreich, der Hase für die aufgrund ihres späten Kriegseintrittes als feige karikierte USA, der Seelöwe als Zeichen der Seemacht Großbritannien und, wie sollte es auch anders sein, der majestätische Löwe als Sinnbild des prätentiösen Deutschen Kaiserreichs. Das eine oder andere Mal wussten wir angesichts dieser makabren Zirkusmanage wirklich nicht, ob wir über die plumpe Bildsprache lachen oder weinen sollten.
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