Im Ortsteil Eschelbach der Stadt Neuenstein im Hohenloher-Kreis war bis Anfang des 20. Jahrhunderts ein ungeheurer Schatz verborgen: Dort wurden laut einer kleinen unscheinbaren Notiz wohl von einer Privatperson 10 Kilogramm Silbermünzen entdeckt – was geschätzt gut 5.000 Stücken entsprochen haben dürfte. Eine solche Masse an Münzen hätte mich sicherlich einige Semester lang in Atem halten können, doch hatte ich in diesem August das numismatische Vergnügen mit nur 210 auserwählten Vertretern dieses Schatzes. Denn mehr als diese 383 Gramm Silber wurden 1925 nicht für das Stuttgarter Münzkabinett erworben.
Was wirklich zählt
Zu den näheren Umständen gibt die spärliche Notiz, die den Münzen beilag, keine Auskunft. Kein konkreter Fundort, kein genaues Datum, lediglich das Fundjahr 1921, keinerlei Beschreibung der Fundumstände, nicht einmal der Name des Finders. Die Zeit – fast ein Jahrhundert ist seit der Auffindung vergangen – hat ihr Übriges für den Prozess des Vergessens getan.
Dafür war die erste Bestimmung der Münzen umso sorgfältiger. Auf vergilbtem Papier sind in kunstvoller Kalligraphie die Nominale, Datierungen und Prägeherren zu lesen. Selbst der damalige Seltenheitswert einiger Münzen. Diese handschriftliche Liste wurde noch von einem späteren, mit Schreibmaschine abgetippten Verzeichnis ergänzt, das mir meine Arbeit mit Referenzen auf numismatische Nachschlagewerke einen großen Dienst erwies. Wer hätte gedacht, dass analoge Datenträger aus dem 20. Jahrhundert in unserer heutigen digitalen Welt so hilfreich sind.
Ein arbeitsreicher Rekordsommer
Finanziert vom Numismatischen Verbund in Baden-Württemberg begab ich – Heidelberger Geschichtsstudentin – mich tagein, tagaus in die Hände der Deutschen Bahn, um ins Münzkabinett Stuttgart zu gelangen, dort Fotos zu schießen, Umschriften und Motive zu entziffern, Bücher zu wälzen, Münzen zu bestimmen, Datensätze zu erstellen und meine Beziehung zu IMDAS, der Objektdatenbank, zu vertiefen – und das bei der Sommerhitze des Jahrhunderts im berüchtigten Stuttgart. Doch wusste der Chef mich zur Arbeit anzuhalten und die sehr freundlichen Kurzzeit-Kollegen mit Kaffee, Keksen und der ein oder anderen Kugel Eis aufzubauen.
Nur ein Bruchteil an Silber – doch ein großer persönlicher Gewinn
Allerdings wurde ich nicht nur kulinarisch, sondern auch mit neuen Kenntnissen belohnt, vor allem in der Heraldik. Geboten waren von Hirschstangen, über Barben und Widder bis hin zu unzähligen Rauten und Balken alles, was eine Heraldikerin erfreuen könnte. Einzig die mehr als spärlichen Informationen über die Fundumstände selbst und die riesige Wissenslücke zu dem Löwenanteil des Schatzes trüben das Bild. Dennoch war dieses Projekt über die Semesterferien eine wunderbare Abwechslung zum Universitätsalltag in Heidelberg.
So reise ich nach letzten prüfenden Blicken über die 210 Münzen und Datensätze, die im Digitalen Katalog abrufbar sind, ein letztes Mal zurück mit dem Kopf voller Adelslinien, Wappen und Groschen – und mit süßen Stuttgarter Maultaschen im Gepäck.