Seit über einem Vierteljahrhundert arbeite ich nun schon in Museen – und doch gibt es immer wieder Überraschungen für mich. Immer wieder kommt etwas völlig Neues auf meinen Schreibtisch, immer wieder darf ich mich mit Sachen beschäftigen, mit denen ich mich bislang noch nie beschäftigt habe. Und das ist einer der Gründe, warum ich so gerne im Museum arbeite!
Post vom Zoll: Ein Päckchen aus Amerika wartet auf uns.
Los ging es mit einem Schreiben vom Zoll, in dem Päckchen mit „paintings and medals“ aus den USA angekündigt wurde. Wir hatten keine Ahnung, worum es sich dabei handeln könnte. Uns war diese Sendung nicht angekündigt worden, und auch der Absender war uns nicht bekannt.

Abb. 1: Vorderseite einer Medaille des bayerischen Kronprinzen Ludwig I. und seine Ehefrau Therese von Sachsen-Hildburghausen.
Eine Kollegin fuhr zur Abholung, das Päckchen wurde geöffnet – und darin befanden sich tatsächlich einige Miniaturgemälde und Medaillen und daneben noch zwei kleine Porträts aus Gips, einige Orden und ein Pfeifenkopf.
Ein Brief bringt Aufklärung …

Abb. 2: Gipsporträt des Grafen Georg August Graf von Ysenburg-Büdingen.
Diesen Objekten lag auch ein Schreiben bei, in dem der Absender die spannende Geschichte der Objekte erläuterte. Ein Freund von ihm, ein US-Soldat, war im Frühjahr 1945 mit dem Flugzeug abgeschossen und inhaftiert worden.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs kam er mit anderen Gefangenen frei. Sie „zogen herum und da damals wohl alles drunter und drueber ging, landeten sie in einem Museum wo sich alle ‚Soveniers‘ (in Ermanglung eines besseren Ausdrucks) in die Taschen stopften. Mein Freund war immer sehr stolz auf diese Dinge und hielt sie in gutem Zustand … Zum Abschied brachte er mir seine gestohlenen Deutschen Schaetze … Es handelt sich jedoch um Museumstuecke, die ich Ihnen hiermit zurueckerstatte und hoffe, dass Sie ihren Wert kennen und Verwendung dafuer haben.“
Was für eine Geschichte – mehr als acht Jahrzehnte nach Ende des Zweiten Weltkriegs!
… oder doch nicht?

Abb. 3: Miniaturbildnis eines bayerischen Oberleutnants.
Bevor wir die Objekte beim Zoll endgültig abholen konnten, mussten wir sie bestimmen und ihren Wert festsetzen. Bei dieser Aufgabe wurde ich tatkräftig unterstützt von unserem Registrar Chris Gebel und von Wiebke Werther, die im Moment ein Praktikum bei uns absolviert.
Als wir die Objekte dann bei uns im Haus hatten, kamen uns doch größere Zweifel, ob sie wirklich aus Stuttgart stammten, denn es gibt kaum Bezüge nach Württemberg. Stattdessen ergaben sich sehr enge Zusammenhänge mit Bayern: Die Medaillen und Miniaturgemälde zeigen bayerische Könige und Soldaten, die Orden stammen aus dem Königreich Bayern.
Die Suche geht weiter
Wir haben uns deshalb an Kolleg*innen in bayerischen Museen und der Provenienzforschung gewandt. Und wir hatten Glück (oder ein gutes Händchen): Gleich unsere erste Anfrage war von Erfolg gekrönt: Die Inventarnummern auf den Rückseiten der Miniaturporträts deuten darauf hin, dass sie aus dem Bayerischen Armeemuseum in Ingolstadt stammen. Im Moment laufen noch genauere Prüfungen. Es bleibt also spannend – wir werden Sie über unsere Social Media-Kanäle und unseren Blog über die Entwicklungen auf dem Laufenden halten.
Abbildungsnachweis und Nutzungsbedingungen
Abb. 1: Landesmuseum Württemberg (InC)
Abb. 2: Landesmuseum Württemberg, Foto: Chris Gebel (InC)
Abb. 3: Landesmuseum Württemberg, Foto: Jonathan Leliveldt (InC)