Bezoar, Nashorn und Serpentin – Magische Substanzen in der zauberhaften Kunst- und Wunderkammer

Was tun, wenn der Rivale bei Hofe einem nach dem Leben trachtet? Was wenn Seuchen sich von einer Stadt zur anderen verbreiten? Oder gar der Böse Blick auf einen geworfen wurde? Aber auch bei Schwierigkeiten mit Amor kann man Hilfe benötigen. Gerade hat uns die Kleine Hexe verlassen, aber sind deshalb alle magischen und wundersamen Dinge auch aus dem Alten Schloss verschwunden? Nicht doch! Denn nicht nur Hexen haben magische Dinge – auch die Herzöge von Württemberg sammelten sie. So suchte man in vergangen Zeiten Zuflucht bei magischen Substanzen und glaubte vielversprechende Rezepte und Materialien zu haben, die für das Unterschiedlichste Verwendung fanden. Wunder und Fabeltiere gab es natürlich auch in der Kunstkammer, Einhörner kann man entdecken oder gehörnte Hasen. Die Kunstkammer der Herzöge von Württemberg beherbergt auch Gefäße und Objekte mit magischen wundersamen Fähigkeiten.

Seit langem bekannt!

Eine bunte Ansammlung von Kelchen mit verschiedensten Formen und Farben.

Abb. 1: Verschiedene Steingefäße aus der württembergischen Kunstkammer

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Seit der Antike sprach man bestimmten Mineralien entsprechende Eigenschaften zu. Verbunden mit den Materialien war die Edelsteinsymbolik, die sich im Manierismus großer Beliebtheit erfreute, so spiegeln sich seit frühster Zeit diese Kräfte unter anderem in den Bezeichnungen der Steine wie Nephrit (griech. „nephros“– Niere) oder Amethyst (griech. „amethystos“ – nicht-trunken) und galten in pulverisierter Form als Arznei. Sie sollten bei Nierenleiden heilen oder den Kater als morgendlichen Besucher abwehren. Die apotropäische Wirkung des Amethyst schützte zusätzlich vor Diebstahl. Neben glücks- und unglücksbringenden Steinen wurde den Farben eine Symbolik zugesprochen und mit dem verstärkten Interesse an astrologisch-kosmischen Vorstellungen bekamen die Edelsteine magische Kräfte, die im Bezug zum Makrokosmos der Planeten und Tierkreiszeichen gesehen wurden. Unter Einbeziehung antiker Schriften erschienen Publikationen, die durch ihren hohen Absatz zur weiten Verbreitung des Glaubens an die magischen, heilbringenden und apotropäischen Eigenschaften der Steine führten.

Eine Ansammlung gräulicher Teller sowie einiger Trinkbecher und Krügen.

Abb. 2: Schalen, Teller, Trinkbecher und Krüge aus Serpentin

Ein bräunliches und rundes Gefäß mit feingearbeitetem Stil und Mundstück aus Gold.

Abb. 3: Trinkgefäß aus Bezoar gearbeitet, ca. 1600

Serpentin hatte in zweifacher Weise seine Vorzüge: Im felsfeuchten Zustand lässt er sich wie Holz drechseln und ist daher vorzüglich geeignet um daraus Teller und Becher herzustellen, die auch für seine zweite Funktion nützlich waren: Gift ließ den Stein springen. Gegen Vergiftung, die an intriganten Höfen häufig drohte, halfen einerseits Mundschenke und Vorkoster aber auch Bezoar (Magenstein), Nashorn, Koralle, Nuss oder Bernstein, der auch noch reinigend wirkte, weshalb er häufig auch für Bestecke Verwendung fand. Der Bergkristall, dem man nachsagte Getränke frisch zu halten, half aber auch gegen Fieber, so wurde Fiebernden eine Bergkristallkugel in die Hand gegeben, die das Fieber senken sollte. In Liebesangelegenheiten half ein Zaubertrank, der am besten aus Perlmuttgefäßen getrunken wurde, war doch die Liebesgöttin Venus aus Meerschaum geboren. Nach Plinius d. Ä. trank die ägyptische Pharaonin Kleopatra eine in Essig aufgelöste Perle und ihr verfielen Herrscher wie Julius Cesar und Marc Anton.

Eine schimmernde und verzierte Nautilusschnecke mit goldenem Stil und Fuß.

Abb. 4: Nautiluspokal, 1576/91

Eine Ansammlung gläserner verzierter Schalen sowie Becher.

Abb. 5: Auswahl von Schalen und Trinkgeschirr aus Bergkristall

Gesucht wird…

…der „Stein der Weisen“, konnte man doch mit ihm angeblich aus unedlen Materialien Gold herstellen. Mit Alchemie wurde in den Laboratorien experimentiert, dabei entdeckte man einiges und einige „Goldmacher“ endeten am Galgen.

Eine Ansammlung von roten, gläsernen Tellern, Bechern, Kelchen, Karaffen, Schälchen und Fläschchen.

Abb. 6: Rubinglasarbeiten, 17. und 18. Jahrhundert

Gold konnte man nicht künstlich herstellen, dafür kam man dem Geheimnis zur Herstellung von Porzellan Anfang des 18. Jh. in Dresden auf die Spur – das „weiße Gold“ bereicherte seither die europäischen Tafeln. Ebenso das kostbare Goldrubinglas, für dessen Herstellung man richtiges Gold benötigte, glich in seiner Farbe echten Rubinen. Gefäße aus Heilerde hergestellt unterstützten den Genesungsprozess und noch heute nehmen wir Heilerde in Form von Pulver oder Kapseln zum Ausgleich des übersäuerten Magens zu uns oder lassen uns im Wellnessurlaub damit einreiben, um eine Pfirsichhaut zu bekommen. Anhänger der Alchemie waren auch Herzog Friedrich I. von Württemberg und seine Frau Sibylla. Die Leidenschaft des Herzogs für schöne Steinschnittgefäße, die auch seine Nachfahren teilten, ist noch heute mit einer großen Anzahl in der Kunstkammer sichtbar. Ein Besuch lohnt sich und wer weiß welch Leiden geheilt oder welch Liebesbeteuerung erhört wird.

Abbildungsnachweis und Nutzungsbedingungen

Abb. 1: Landesmuseum Württemberg, Hendrik Zwietasch (CC BY-SA 4.0)

Abb. 2: Landesmuseum Württemberg, Hendrik Zwietasch (CC BY-SA 4.0)

Abb. 3: Augsburg, Landesmuseum Württemberg, (CC BY-SA 4.0)

Abb. 4: Bartel Jamnitzer, Nürnberg, Landesmuseum Württemberg, Hendrik Zwietasch (CC BY-SA 4.0)

Abb. 5: Landesmuseum Württemberg, Hendrik Zwietasch (CC BY-SA 4.0)

Abb. 6: Landesmuseum Württemberg, Hendrik Zwietasch (CC BY-SA 4.0)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.