3D im Museum – römerzeitlicher Kamelknochen in 360 Grad Ansicht

Eine Besonderheit in der Sammlung das Landesmuseums Württemberg (LMW) ist das Fragment eines Beckenknochens von einem römerzeitlichen Kamel (Abb. 1). Das Tier lebte um das Jahr 300 im Kastell Vemania bei Isny im württembergischen Allgäu. Im Frühsommer 2024 wurde von dem Knochenfragment ein professioneller 3D-Scan gemacht und daraus ein 3D-Druck erstellt. Auftraggeber war das Stadtmuseum Isny. In dessen neuer Dauerausstellung zur Römerzeit wird ein koloriertes Modell des Kamelknochens (Abb. 2) künftig präsentiert. Das Original ist nach wie vor in der provinzialrömischen Sektion unserer Schausammlung LegendäreMeisterWerke zu sehen.

Mit diesem Blogbeitrag geben wir nicht nur einen Einblick in die Arbeit der Archäolog*innen am LMW. Sondern wir schauen auch hinter die Kulissen unserer Abteilung Digitale Museumspraxis und werfen einen Blick auf ein benachbartes Museum sowie eine auf 3D-Scans spezialisierte Firma. Denn ohne interdisziplinäre Zusammenarbeit geht heute auch im Museum fast gar nichts mehr. Diese war notwendig für die Anfertigung der Replik des Isnyer Kamelknochens.

Fragment eines Knochens vor schwarzem Hintergrund.

Abb. 1: Kamelknochen aus Isny, Beckenfragment, um 300.

Exakter Replik des Knochenfragments durch 3D-Druck, die entsprechend bräunlich bemalt wurde.

Abb. 2: Bemalter 3D-Druck des römerzeitlichen Kamelknochens aus Isny.

 

 

Wie kam das Kamel nach Isny?

Der im LMW in Stuttgart ausgestellte Kamelknochen (Abb. 1) steht in Zusammenhang mit bedeutenden Funden aus dem Reiterkastell Vemania. Dieses spätrömische Truppenlager bei der heutigen Stadt Isny war Teil des am Ende des 3. Jahrhunderts unter Kaiser Diokletian angelegten Donau-Iller-Rhein-Limes. Es lag in der römischen Provinz Raetia II.

Moderne Ausgrabungen fanden im und um das Kastell Vemania seit Mitte des 19. Jahrhunderts und vor allem in den 1960er Jahren statt. Spektakuläre Funde waren vier Horte, bestehend aus Münzen und einem berühmten Goldschmuck (Inv. R68.161) (Abb. 3).

Verschiedene Ketten, Ohrringe, Ringe aus Gold und anderen Materialien sowie drei Münzen.

Abb. 3: Goldschmuck einer römischen Offiziersgattin versteckt im Römerkastell Isny.

Die Kastellbewohner*innen hatten ihre Wertsachen in den Jahren 282 bis 303 an verschiedenen Stellen des Kastells in Erdgruben deponiert aus Angst vor feindlichen Überfällen. Dieses Vorgehen zeugt von den unruhigen Zeiten am römischen Limes Ende des 3. und zu Beginn des 4. Jahrhunderts. Das Kastell Vemania wurde wiederholt von den dem westgermanischen Kulturkreis zugehörigen Alamannen eingenommen und ausgeplündert. Um 405 gaben die Römer das Truppenlager endgültig auf.

Neben den bekannten Hortfunden wurden unzählige Reste von Werkzeugen, Waffen, Geschirr, Fahrzeugteilen und Steigbügeln entdeckt. Zudem haben Archäolog*innen Schlackereste, Gruben, Kalkbrennöfen und Feuerstellen gefunden. Unter den ca. 5.700 ausgegrabenen Tierknochen waren auch wenige Fragmente von Kamelknochen. Sie stammen von einem zweihöckrigen oder Baktrischen Kamel. Dieses wurde offensichtlich als Lasttier von der Reitereinheit „Ala II Valeria Sequanorum“ mitgebracht, die zuvor in Nordafrika stationiert war.

Wie entsteht ein 3D-Modell?

Der Kamelknochen liegt auf einem Arbeitstisch. Im Hintergrund verschiedene Messinstrumente.

Abb. 4: Vorbereitung der Vermessung des Kamelknochens.

Mehrere Personen waren beim Erstellen der 3D-Produkte am Werk. Zunächst holte eine am LMW tätige Restauratorin das Objekt aus der Vitrine in der Schausammlung und bereitete einen Arbeitsbereich für die Spezialaufnahmen vor. Anschließend vermaßen Spezialisten der bayerischen Firma ArcTron 3D GmbH das Knochenfragment vor Ort im Museum mittels hochaufgelöster Nahbereichs-Photogrammetrie und Strukturlichtscannern und digitalisierten es (Abb. 4-6).

Da der originale Knochen im LMW verbleibt, erstellten andere Mitarbeiter*innen der Firma – basierend auf dem entstandenen 3D-Modell – im 3D-Drucker ein physisches Replikat des Originalfundes und kolorierten es. Das Fund-Replikat ist in der neuen Ausstellung im Museum Isny zu sehen.

 

Computerbild des 3D-Modells.

Abb. 5: Screenshot aus dem 3D-Modell des Kamelknochens.

Veröffentlichung von 3D-Modellen auf Portalen

Detailbild des 3D-Modells. Man erkennt die Struktur des Knochens.

Abb. 6: Screenshot (Detail) aus dem 3D-Modell des Kamelknochens.

Das Landesmuseum Württemberg veröffentlicht Objektbiographien auf verschiedenen Plattformen und Portalen. Damit Museen ihre entstandenen 3D-Modelle auch digital präsentieren können, braucht es sogenannte 3D-Viewer, die in der Lage sind, verschiedene Datenformate abzuspielen und die Datenmengen zu verarbeiten. Die Museumsplattform Museum-Digital bietet die Möglichkeit eines solchen Viewers und präsentiert 3D-Scans direkt zum jeweiligen Objekt. Zum jetzigen Zeitpunkt publiziert noch eine geringe Anzahl von Museen 3D-Modelle in Museum-Digital, die Tendenz ist aber stetig steigend.

Das Landesmuseum Württemberg veröffentlicht dort derzeit zwei 3D-Modelle: Neben dem römischen Kamelknochen kann auch die Büste der römischen Kaiserin Agrippina Minor in 3D-Ansicht betrachtet werden.

Im Bereich der 3D-Visualisierung stellen viele nationale und internationale Institutionen ihre 3D-Rekonstruktionen auf Sketchfab zur Verfügung. Die auf 3D-Modelle spezialisierte Plattform bietet Einrichtungen einen strukturierten Rahmen zur Veröffentlichung von 3D-Visualisierungen. Seit 2021 hat das Landesmuseum vier 3D-Modelle auf Sketchfab publiziert. Mittlerweile verzeichnen die 3D-Modelle ca. 600 Views. Im Vergleich zur Gesamtzahl an veröffentlichten 3D-Modellen anderer Museen, wie dem British Museum, steht das LMW erst am Anfang der 3D-Digitalisierung. Vergleicht man aber die Anzahl der Views pro 3D-Modell, ist die Büste der Agrippina Minor durchaus konkurrenzfähig.

Als neustes 3D-Modell wurde der römische Kamelknochen hochgeladen und mit allen relevanten Metadaten versehen.

Mithilfe des Uploads auf Sketchfab können wir auch auf unserer Sammlung Online auf die 3D-Scans verlinken und Besucher*innen eine Ansicht des 3D-Modells ermöglichen.

3D-Scans entwickeln sich zu einem probaten Mittel, um ein Objekt in all seinen Ansichten detailliert zu erfassen und wiederzugeben – virtuell oder haptisch als 3D-Ausdruck. Museen befinden sich derzeit noch in einem Aushandlungsprozess über Standards, Struktur und Darstellung. 2023 testete und verglich das Deutsche Museum im Rahmen einer Digitalisierungsmaßnahme 3D-Scantechniken und -verfahren. Gerade die Frage nach genügend Speicherplatz für solch große Datenmengen stellt Museen vor Herausforderungen.

In die Archäologie hat diese Scantechnik inzwischen auf vielfältige Art und Weise Einzug gehalten – in der Forschung ebenso wie im Museum. Auch für andere archäologische Projekte am LMW werden 3D-Scans angefertigt, so beispielsweise von unseren eigenen Mitarbeiter*innen für das immersive Projekt „Zeit / Reise. Keltenland digital“. Doch davon in einem anderen Blogbeitrag.

Abbildungsnachweis und Nutzungsbedingungen

Abb. 1: Landesmuseum Württemberg, Jonathan Leliveldt / Alexander Lohmann [CC BY-SA].

Abb. 2: ArcTron 3D, Martin Schaich.

Abb. 3: Landesmuseum Württemberg, P. Frankenstein / H. Zwietasch [CC BY-SA].

Abb. 4-6: ArcTron 3D, Martin Schaich.

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