Wie die vorangegangenen Beiträge zeigten, macht die Große Landesausstellung 2024/25 den Bauernkrieg auf vielfältige Weise erlebbar: In der Ausstellung „PROTEST!“ werden wir ihn mit Bewegungen der Gegenwart vergleichen, im Kindermuseum wird es um Streit an sich gehen, im Digitalprojekt begegnen wir Zeitzeugen. Doch bei der Ausstellung in Bad Schussenried liegt der Schwerpunkt auf dem historischen Ereignis selbst. Titel der Ausstellung: „UFFRUR! Utopie und Widerstand im Bauernkrieg 1524/25“. Aber Moment mal: Wieso eigentlich „Uffrur“?
Das Ziel war, der Ausstellung einen Titel zu geben, der aufmerksamkeitsstark, kurz und eingängig ist. Er sollte neugierig machen und signalisieren, dass es hier nicht einfach um eine weitere Bauernkriegsausstellung geht, sondern ein gänzlich neuer Blick auf die Zeit und ihre Menschen geworfen werden soll. Hinzu kommt, dass diese Ausstellung Teilprojekt einer insgesamt fünfteiligen Großen Landesausstellung ist und zudem in ganz Württemberg und auch in anderen Regionen viele weitere Ausstellungen und Veranstaltungen an „500 Jahre Bauernkrieg“ erinnern werden. Hier gilt es, unsere Ausstellung eindeutig zu positionieren und zu differenzieren.
Der Prozess der Titelfindung
Mit diesem Ziel vor Augen wurden einige hundert Titelideen zusammengetragen und geprüft: Was wirkt? Was ist sachlich richtig? Was gab es schon? Was ist möglicherweise urheberrechtlich geschützt? Was ist attraktiv? Was wird schneller verstanden?
Die Ideen waren sehr vielfältig: Es war Naheliegendes dabei und Versponnenes. Es gab schnelle Entscheidungen und lange Diskussionen. Es gab Vorschläge, die spontan Zustimmung erhielten, aber bei längerem Nachdenken wieder verworfen wurden. Und es gab diesen einen Vorschlag, der alle Diskussionsrunden überstand und an dem die Augen immer wieder hängenblieben: „Uffrur“. Dieses Wort hatte offenbar seinen Reiz. Doch was waren die Gründe – und woher kommt es überhaupt?
Dem Uffrur auf der Spur
Einem Mitglied unseres Teams war das Wort beim Lesen von Originalquellen aufgefallen – zunächst wegen seines ungewöhnlichen Schriftbilds (zwei u, zwei f) und wegen seines lautmalerischen Klangs, der mehr als das hochdeutsche „Aufruhr“ die Explosivität der Ereignisse von 1524/25 in sich trägt. Die Recherche ergab, dass der Begriff „uffrur“ bislang weder für eine Ausstellung noch für ein anderes vergleichbares Projekt verwendet worden war.
Eine weitere Stärke: „Aufruhr“ bezeichnet die Ereignisse von 1524/25 weit treffender als „Bauernkrieg“. So wurde der „Bauernkrieg“, der eben dies nicht war, zwar schon von Chronisten des 16. Jahrhunderts polemisierend als „Krieg“ bezeichnet. In den Quellen der Zeit ist aber auch immer wieder von einem „uffrur“ die Rede (auch in den Schreibweisen „uffruhr“, „vffrur“, „auffrur“).
Dieser Begriff findet sich in Schriften von Thüringen bis in die Schweiz – u.a. bei Melanchthon. Besonders freuen wir uns natürlich über Quellen aus Oberschwaben: Im Jahr 1536 berichtet Nicolaus Thoman, Kaplan zu St. Leonhard in Weißenhorn bei Ulm, in seiner „Weißenhorner historie“ von „Ain uffrur hie zu Weyssenhoren.“ Und eine unbekannte Nonne verwendete „uffrur“ in der „Heggbacher Chronik“, die die Geschichte des Klosters Heggbach nahe Biberach erzählt. Die zitierte Textstelle berichtet von der Entstehung des Baltringer Haufens.
Dialekt? Ja und Nein!
Hinzu kam eine Hoffnung: Wird „Uffrur“ vielleicht auch in der oberschwäbischen Mundart verwendet und ist umso treffender für eine Ausstellung in Bad Schussenried? Für den Autor dieser Zeilen ist „Uffrur“ in seinem pfälzischen Dialekt die naheliegende Aussprache für „Aufruhr“. Auch in anderen Regionen, die vom Bauernkrieg betroffen waren, ist dies so.
Aber was sagen die Menschen in Bad Schussenried und Umgebung? Wir haben sie gefragt: (Ober-)Schwaben und „Reigschmeckte“, Experten und Laien, alt und jung konnten spontan auf unsere Titelvorschläge reagieren und uns dann, mit etwas Abstand, ein reflektiertes und wertvolles Feedback geben.
Einige waren sich erst mal sicher: „Das ist unser Dialekt!“ Aber nach kurzem Hinterfragen und Überlegen wurde klar: Ist es nicht! Denn im (Ober)Schwäbischen wird der Diphtong au nicht verkürzt, man sagt also „Aufruhr“. Die spontane erste Reaktion war daher erstaunlich, zeigt aber auch: Unabhängig vom jeweiligen eigenen Dialekt wurde das Wort sofort verstanden und richtig interpretiert. Selbst Gesprächspartner*innen aus dem hohen Norden Deutschlands haben „Uffrur“ verstanden – auch wenn sie einen Moment länger gebraucht haben.
„UFFRUR!“ – starker Titel für eine starke Ausstellung
Das weitere Feedback war durchweg positiv – wie auch die Zitate am Ende dieses Artikels zeigen. Die Befragten fanden „Uffrur“ als Titel für die Ausstellung zunächst überraschend und ungewöhnlich – auf eine Weise, die sie neugierig auf die Ausstellung machte. Sie lobten, dass das Wort kurz, knackig und kraftvoll ist – insbesondere in der Großschreibung „UFFRUR!“. Auch treffe es das Thema sehr gut und verständlich.
„Uffrur“ ist also kein Oberschwäbisch – das wäre das i-Tüpfelchen gewesen. Aber es ist ein treffender und starker Quellenbegriff und somit passend für eine Ausstellung über den Bauernkrieg, der weite Teile des oberdeutschen Raums erfasst hat und bei dem der Schwerpunkt der Ereignisse in Baden-Württemberg lag.
Mit „UFFRUR!“ laden wir Menschen zu dieser Ausstellung ein – egal, woher sie stammen und ob sie bereits Bauernkriegs-Experten oder einfach an einer spannenden Ausstellung interessiert sind. Und das können wir Ihnen bereits jetzt versprechen: Wo „UFFRUR!“ draufsteht, steckt auch jede Menge Uffrur drin!
Neugierig, wie es weiter geht?
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Die Große Landesausstellung „Der Bauernkrieg 1524/25“ wird gefördert aus Mitteln der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM), durch das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst des Landes Baden-Württemberg, sowie durch die Baden-Württemberg Stiftung.
Bereits vor dem sogenannten Bauernkrieg gab es nicht nur mit dem Bundschuh oder dem Armen Konrad viel „Uffrur“. Für einen Flächenbrand, der sich 1524/25 vom Harz bis an die Adria und von den Vogesen bis zu den Ostalpen ausbreiten sollte, fehlte allerdings eine tragfähige, gemeinsame Idee. Das sollte durch die Reformation anders werden. Die Idee des Göttlichen Rechts, die das Evangelium zur Richtschnur für menschliches Handeln machte, war der Funke der nicht nur die Bauern entflammen ließ. Dieses Göttliche Recht gab den Aufständischen eine gemeinsame Stoßrichtung, zusammengefasst in den Zwölf Artikeln, die von Sebastian Lotzer verfasst wurden, dessen Geburtsort Horb in Baden-Württemberg am schwäbischsten aller Flüsse, dem Neckar, gelegen ist. Im Juni 2020 hat der Memminger Stadtrat den Namenszusatz „Stadt der Freiheitsrechte“ beschlossen. In diesem Namenszusatz soll sich die gewichtige Rolle, die die ehemalige freie Reichsstadt in der Geschichte gespielt hat, widerspiegeln. Unter dieser Prämisse kann man Sebastian Lotzers Geburtsort Horb, zwischen Schwarzwald und Schwäbischer Alb gelegen, mit Fug und Recht zur „Wiege der Freiheitsrechte“ deklarieren.