Im berühmten Musikmärchen für Kinder Peter und der Wolf von Sergej Prokofiev spielt die Klarinette die Rolle der Katze mit ihrer schleichenden Melodie. Die Playlist #3 „Von Barock bis Pop“ widmet sich vielen Kompositionen und Musikstilen, in denen das Instrument seine unterschiedlichsten Facetten zeigt – wie die Katze hat auch die Klarinette viele Leben. Hört in die Auswahl rein und lest dabei mehr Details über das Repertoire und die Geschichte des Instruments.
Die Klarinettenfamilie
Die Klarinette hat einen sehr charakteristischen Klang mit einer großen dynamischen Spannbreite, von Pianissimo bis Fortissimo. Die Klarinettenfamilie besteht aus Instrumenten in verschiedenen Größen, von Sopran bis Kontrabass.
Am häufigsten wird die Klarinette in B gespielt, wobei im Orchester die Klarinette in A, die Sopranklarinette in Es sowie die Bassklarinette auch üblich sind. Seit dem 18. Jahrhundert wurde das Instrument in weiteren Stimmungen gebaut. Aus den verschiedenen Klappensystemen, die mit der Zeit entwickelt wurden, ergeben sich die französische und die deutsche Bauweise, die heutzutage gängig sind. Eine andere Variante mit Merkmalen von beiden Systemen wird außerdem in einigen Volksmusiktraditionen gespielt. Mehrere historische Exemplare in unterschiedlichen Bauweisen sind in der Sammlung des Landesmuseums Württemberg erhalten.
Klarinetten der LMW-Sammlung.>>
Von links nach rechts: Hess, München, um 1850 ; Buffet, Paris, um 1850; Lebret, Paris, 1860 ; Schuster, Markneukirchen, um 1825 ; Rudhardt, Stuttgart, um 1830
Die Klarinette als Orchesterinstrument
Die Familie Denner, Blasinstrumentenbauer aus Nürnberg, erfand die Klarinette um 1700 ausgehend vom Chalumeau, einem Blasinstrument mit einfachem Rohrblatt und geringem Tonumfang. Die Einführung eines Überblaslochs mit einer Klappe ermöglichte das Spielen im hohen Register. Der starke Klang der höhen Töne, die dem Clarino-Register der damaligen Trompeten ähnelten, verliehen dem Instrument seinen Namen und verschafften ihm einen festen Platz im Orchester.
In der Klassikperiode verbreitete sich die Klarinette, u. a. dank den Komponisten des Mannheimer Hoforchesters wie Carl Stamitz oder Franz Danzi, von denen die Playlist Beispiele anbietet. Viel hat sie außerdem Wolfgang Amadeus Mozart (im Header oben links) zu verdanken. Er mochte die Klarinette so sehr, dass er sie in seinen Opern und als Solistin in seiner Instrumentalmusik einsetzte, z. B. im Klarinettenkonzert KV 622.
Im Laufe des 19. Jahrhunderts schrieben viele deutschen Komponisten wichtige Werke für das Instrument, u. a. Carl Maria von Weber, Louis Spohr, Robert Schumann und Johannes Brahms, dessen Klarinettenquintett Op. 115 und zwei Klarinettensonaten Op. 120 einen Höhepunkt im Repertoire bilden. Auch im Frankreich entstanden bedeutende Kompositionen wie die Première Rhapsodie von Claude Debussy für Klarinette und Klavier (in der Playlist mit der Orchesterbearbeitung des Autors), die Sonate Op. 167 von Camille Saint-Saëns und Werke der Groupe des Six, z. B. die Sonate von Francis Poulenc oder die Arabesque der Komponistin Germaine Tailleferre. In der Liste darf die großartige Rolle der Klarinette in der Arie „E lucevan le stelle“ von Tosca, der Oper von Giacomo Puccini, auch nicht fehlen. Zuletzt sind Kreationen aus jüngeren Zeiten vertreten durch die minimalistische Komposition New York Conterpoint (1985) von Steve Reich für Klarinette und Tonband oder für 11 Klarinetten.
Die Klarinette in der populären Musik
In der Popmusik ist die Klarinette zwar nicht so verbreitet wie andere Blasinstrumente wie etwa das Saxophon, aber ihre charakteristische Klangfarbe wird von vielen Musiker*innen verwendet. Entsprechend findet ihr Titel in der Playlist z. B. von The Beatles, Supertramp, Tom Waits und anderen Singer-Songwriter*innen. Andere Musikstile etwa aus Kuba mit Paquito d’Rivera und Compay Segundo oder der Funk von Vulfpeck sind auch dabei.
Klezmer
Die Klarinette wurde außerhalb der institutionellen und akademischen Kreisen ebenfalls sehr populär, etwa in der Folklore der osteuropäischen Länder und im Klezmer, der jüdischen Musiktradition, die sich durch die Einwanderung in die USA seit Ende des 19. Jahrhunderts dort weiter verbreitete. Giora Feidmann ist wohl der bekannteste Klarinettist, der diese jüdische Festmusik ab den 1970er Jahren wiederbelebt und internationalisiert hat.
Jazz und Swing
Auch in den Anfängen des Jazz in New Orleans sowie im Swing der 1920er und 1930er Jahre spielt das Instrument eine große Rolle. Die Klarinettisten Benny Goodman (im Header oben rechts neben Mozart) und Artie Shaw leiteten zwei der erfolgreichsten Big Bands ihrer Zeit. Die Jazzmusik beeinflusste auch US-amerikanische Komponisten wie Aaron Copland, der sein Clarinet Concerto (1947–9) für Benny Goodman schrieb, und George Gershwin, dessen Rhapsody in Blue (1924) mit einem der berühmtesten Klarinettensolos der Geschichte beginnt – dieses wird stimmungsvoll eingesetzt am Anfang von Manhattan, dem Film von Woody Allen, der auch prominenter Klarinettist ist.
Türkische Musik
Auch in der Türkei ist die Klarinette ein typisches Instrument der populären Musik. Das Instrument wurde zuerst in die türkische Militärmusik eigeführt, als Giuseppe Donizetti, Brüder des Opernkomponisten Gaetano Donizetti, im Jahre 1826 als Musikdirektor in Istanbul ernannt wurde. Seit der Republik von Atatürk (ab 1923), der die moderne Definition einer nationalen Identität anstrebte, verschmolzen die Formen und Melodien der türkischen Folklore mit der westeuropäischen Kultur, was die Klarinette beispielhaft darstellt. Künstler aus verschiedenen Generationen wie Mustafa Kandıralı und Serkan Çağrı bieten in der Playlist einen Einblick in diese Tradition.
Ihr seht also, wie vielseitig das Instrument ist! Lasst euch überraschen von einem bunten Repertoire vom 18. bis ins 21. Jahrhundert, von den rhythmischen, lyrischen und melancholischen Melodien der Klarinette und ihren brillanten, samtigen, rauen und dunklen Klangfarben.