Bali oder doch Balingen? Die Reise zur Entstehung eines Wandelkonzerts

Konzertsaal, Bühne, schweigendes Publikum.
Wenn ich ins Konzert gehe, genieße ich es, mich voll und ganz auf die pure Musik einzulassen. Doch wie abwechslungsreich und inspirierend es sein kann, mit dieser Konzertsaaltradition zu brechen und die Musik in andere Kontexte zu stellen, erlebe ich fast noch ein Stückchen lieber. Daher war ich begeistert, als ich die Kooperation mit dem Landesmuseum Württemberg einging: Endlich selbst ein alternatives Konzertformat entwickeln!

Museum und Musik

Von meinem Studienort aus – der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Stuttgart – kann ich das Alte Schloss tagtäglich sehen. Unzählige Male zog es mich seit Beginn der Kooperation in die Ausstellungen: Auf der Suche nach einem Thema, das zum Museum passt, auf die Stimmungen und Räumlichkeiten anspielt und musikalisch interessant ist. Gar nicht so einfach, denn bei der Fülle an Exponaten und den ausführlichen Erläuterungen der Ausstellungskataloge bieten sich viele Anknüpfungspunkte an.

Historisch und aktuell

Auf meiner Suche nach einem Thema entdeckte ich Folgendes: Das Landesmuseum stellt einen Spiegel dar, von Württemberg und der Region hier und ihrer Vergangenheit. Wir erfahren aber noch weitaus mehr: Wie das Leben der Menschen hier aussah. Wohin sie außerhalb der heutigen Grenzen Württembergs Kontakte hatten. Wie sie reisten, welche Interessen sie dabei hatten – politischer, ökonomischer, religiöser oder künstlerischer Natur. Wie sich Grenzen über Jahrtausende verschoben haben. Und immer wieder wird aufgezeigt, was sich sonst in der Welt abspielte. Globalisierung ist keine Innovation von heute, sondern schon lange präsent.

Turmraum zum Thema „württembergische Identitäten“ in der Schausammlung „LegendäreMeisterWerke“ im 2. OG

Heimweh und Fernweh

Zwei Themen, die auch heute immer wieder diskutiert werden, durch politische und gesellschaftliche Veränderungen. Jede Woche werden wir und die Politik zum Beispiel durch die „Fridays for Future“-Demonstrationen angehalten unser eigenes Reiseverhalten zu überdenken. Wir sollen über unseren globalen Lifestyle nachdenken. Dieser kann uns zwar zu weltoffenen, interessierten Menschen machen, führt uns aber gleichzeitig die Kehrseite unserer fast grenzenlosen Privilegien vor Augen. Für manche findet Reisen nicht nur ab und zu statt –  ob Urlaub, geschäftlich oder familiär bedingt – sondern ist ein regelrechtes Hobby.

Auch in der Kunst sind diese Themen längst angekommen, wie 2017 beim Heidelberger Frühling mit dem Thema „In die Fremde“. Der Bariton Benjamin Appl betitelte eine seiner CDs mit dem Stichwort „Heimat“. Diese Verortungen scheinen wichtig zu sein.

Schauen wir in die Historie, treffen wir auch hier regelmäßig auf diesen Themenkomplex. Auch wenn wir ihn nicht hören werden, schon Schuberts Wanderer in der Winterreise beklagt „Fremd bin ich eingezogen, fremd zieh ich wieder aus“.

Bali? Oder doch Balingen?!

Im Landesmuseum Württemberg ergeben sich vielseitige Anknüpfungen zu diesem Zusammenhang: Ob wir zu der enormen Ausbreitung des Römischen Reiches oder auch in die Kunstkammer der Württemberger schauen. Diese standen mit ihren Schätzen aus der ganzen Welt in einem regelrechten Wettstreit mit anderen Adelshäusern.

Die Kunstkammer in der Schausammlung „Wahre Schätze“ im 1. OG

Welche Fernreisen wurden unternommen? Und was passierte im 19. Jahrhundert, in dem die Nationalstaatenbildung die Frage aufwirft, was das Verbindende ist, womit sich die Menschen identifizieren und ob das überhaupt so einfach zu beantworten ist?
Und natürlich die Frage: Wie hört sich die Musik dazu an? Wer wurde wie inspiriert? Welche Stimmung kann die Musik einfangen und transportieren?

Fragen und Antworten

Dieses Kaleidoskop an Fragen soll anregen und auf eine Reise durch die Zeit und das Landesmuseum führen. Ein lohnender Ausblick könnte sein, die Begriffe Heimweh und Fernweh differenzierter zu betrachten, bürokratische Grenzen zu überdenken und sie zu überwinden. Vielleicht hilft es, wenn wir uns vor Augen führen, dass sie schon vor tausenden von Jahren überschritten wurden – ob nach Bali oder Balingen.

Antworten lassen sich beim Wandelkonzert am 20.9. im Alten Schloss finden. Tickets dafür gibt es an der Museumskasse und im Online-Ticketshop!

2 Kommentare zu “Bali oder doch Balingen? Die Reise zur Entstehung eines Wandelkonzerts”

  1. Das Wandelkonzert war super! Die Darbietungen der Künstler waren ausgezeichnet und der rote Faden war gut gewählt und erklärt. Ein tolles neues Format. Nebeneffekt – ich bin auch wieder neugierig auf das Museum mit seinen wundervollen Exponaten geworden. Weiter so – ich freue mich auf weitere Konzerte an ungewöhnlichen Orten.

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