Das Löwenköpfchen aus dem Vogelherd und der Bär und der „Adorant“ aus dem Geißenklösterle gehören zu den Highlights in der Schausammlung im Alten Schloss. Sie sind etwa 40.000 Jahre alt und stehen am Beginn der Ausbreitung des modernen Menschen in Mitteleuropa.
Rund 10.000 Jahre jünger ist die sogenannte Venus von Willendorf. Benannt ist die Venus nach dem Fundort in der österreichischen Wachau an der Donau, ihre Entdeckung 1908 stieß auf große Aufmerksamkeit. Sie gehört zu den zahlreichen Frauenfiguren, die von Frankreich bis in die Ostukraine und Westrussland gefunden wurden und ist heute im Naturhistorischen Museum in Wien zu sehen.
Nun konnte ein eher unscheinbares Objekt aus der Sammlung des Landesmuseums dabei helfen, die Herkunft des Rohmaterials der wohl bekanntesten Frauenfiguren der jüngeren Altsteinzeit zu bestimmen.
Moderne Methoden für einen besonderen Kalkstein
Bei dem Stück handelt es sich um einen flachen Anhänger aus der Brillenhöhle bei Blaubeuren. Er besteht aus einem sogenannten Oolithen („Eierstein“), einem aus kleinen Kügelchen verbackenen Kalkstein. Aus dem gleichen Gesteinsmaterial ist auch die Venus von Willendorf gearbeitet. Beide Objekte sind die einzigen aus diesem Material, die aus dieser Zeit bekannt sind. Kolleg*innen vom Naturhistorischen Museum und der Universität Wien haben die Venus und den Anhänger einem Scan mit hochauflösender Mikro-Computer-Tomographie unterzogen. So konnte die innere Struktur der Objekte so detailliert wie nie zuvor analysiert werden. Da sich die Größe der Kalkkügelchen und der Anteil von Fossilien in den verschiedenen Oolithvorkommen in Europa unterscheiden, wollte man versuchen, mit dieser Methode die Venus einer bestimmten Lagerstätte zuzuordnen. Gleichzeitig sollte überprüft werden, ob der Anhänger in der Zusammensetzung mit der Venus überstimmt.
Über die Alpen oder doch aus der Ostukraine?
Wie häufig in der Wissenschaft ist das Ergebnis nicht ganz eindeutig. Die größte Übereinstimmung zeigt die Venus mit einer Oolithlagerstätte in Norditalien. Zwei Routen für den Transport in die Wachau an der Donau sind denkbar. Entweder führte der Weg über die Alpen, allerdings ist unklar, ob diese zu dieser Zeit aufgrund des kalten Klimas überhaupt zugänglich waren. Oder aber im Osten durch die Poebene und durch das heutige Westungarn um die Alpen herum, eine Strecke von 1.000 km. Auch eine Herkunft aus der Ostukraine ist denkbar. In jedem Fall handelt es sich um eine immense Distanz, die für eine erhebliche Mobilität schon in der jüngeren Altsteinzeit spricht. Ob aber nur das Gestein oder schon die fertig hergestellte Venus transportiert wurde, lässt sich natürlich nicht sagen.
Und der Anhänger?
Die Zusammensetzung der beiden Objekte, Anhänger und Venus, stimmen nicht überein. Sie stammen also aus unterschiedlichen Lagerstätten. Aber aus der Brillenhöhle gibt es noch ein anderes Stück, das diesen Fundplatz vielleicht mit der Venus von Willendorf verbindet.
Es handelt sich um ein bearbeitetes Fragment aus Elfenbein, das von einer ähnlichen Frauenfigur stammen könnte. Es wäre das bisher einzige Exemplar aus dieser Zeit von der Schwäbischen Alb, allerdings ist das Bruchstück zu klein und zu unspezifisch, um sicher sagen zu können, ob es zu einer solchen Frauenfigur gehört hat.
Ihr wollt es noch genauer wissen? Hier ist der Artikel zur Zusammensetzung der Venus von Willendorf abrufbar. Eine PDF-Version findet sich hier.
Headerbild: © Bjørn Christian Tørrissen via Wikimedia Commons, CC BY-SA 4.0