Diese Woche steht auf unseren Online-Kanälen ganz im Zeichen des Internationalen Frauentages, welcher am Montag, den 8. März stattfand und der auf Frauenbewegungen zu Beginn des 20. Jahrhunderts zurückgeht. Er steht auch für die rechtliche Gleichstellung. Gerade über die Mode, in der sich aktuelle Haltungen und gesellschaftliche Veränderungen widerspiegeln, lassen sich emanzipatorische Botschaften ablesen. Die Farben Weiß und Lila wurden beispielsweise zu zentralen Farben der Frauenbewegung, die noch heute einen hohen symbolischen Wert haben.
Im Zuge der Ausstellung „Fashion?! Was Mode zu Mode macht“, widmen wir uns daher den Frauen in der Mode in all ihren Facetten. Wir haben ein Gespräch zwischen den Ausstellungsmacherinnen, der Kunsthistorikerin Dr. Maaike van Rijn (MvR), den Kulturwissenschaftlerinnen Raffaela Sulzner (RS) und Agnes Obenhuber (AO) sowie der Modehistorikerin Marie Helbing (MH), dokumentiert, in dem sie die Mode und ihre Bedeutung für Frauen mit Anknüpfungspunkten an die aktuelle Ausstellung thematisieren.
Frauen und Mode früher …
MH: Mode wird ja häufig als oberflächlich abgetan, dabei ist sie ein Spiegel unserer Zeit. An der Mode lässt sich beispielsweise die Stellung der Frau innerhalb der Gesellschaft ablesen. Habt Ihr vielleicht ein paar Beispiele parat?
MvR: Am leichtesten lässt sich diese Frage historisch gesehen beantworten, wenn man nach der Bewegungsmöglichkeit des jeweiligen Kleidungsstückes fragt. Da zeigt sich dann recht schnell, wie aktiv, wie handlungsfähig die Frau jeweils in ihrer Zeit sein konnte. In Miedern und Reifröcken ist die Bewegungsfreiheit deutlich eingeschränkter als in einem Hosenanzug oder einer Jeans.
MH: Stimmt, am Mieder beziehungsweise Korsett lässt sich das ganz gut verdeutlichen. Es war ein täglicher Begleiter der Frau aller Schichten gerade um 1900. Entsprechend des Schönheitsideals wurde damit die Brust raus und der Bauch reingedrückt. Für die Frauen bedeutete das nicht nur eine unnatürliche Körperhaltung, sie trugen auch enorme gesundheitliche Schäden davon, in Einzelfällen führte das Tragen sogar zum Tod. Die Einschränkungen spiegeln die Rolle der Frau insofern wider, dass sie quasi handlungsunfähig war und keinerlei Entscheidungen treffen durfte. Abgesehen von dem ihr zugewiesenen Hoheitsgebiet, dem Haushalt, war die Frau in ständiger Abhängigkeit von ihrem Ehemann, der über Geld, Wohnort bestimmte und auch darüber, ob sie arbeiten durfte.
RS: Ich musste direkt an das Textilunternehmen Bleyle denken, das bis in die 1980er Jahre lokal produzierte. Das Unternehmen stellte zu Beginn seiner Firmengeschichte Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts zunächst nur Kleidung für Männer und Jungen, später auch für Mädchen, her. Als Frauen in den 1960er und 1970er Jahren oftmals neben ihrer Verantwortlichkeit für die Kindererziehung und den Haushalt auch einer Erwerbstätigkeit nachgingen, begann Bleyle auch Kleidung für Frauen herzustellen und prägte damit auch die Arbeitskleidung von Berufsbildern, die vor allem oder ausschließlich von Frauen ausgeübt wurden.
… und in der Gegenwart
AO: Es ist auch spannend wie die Mode das zeitgenössische Frauenbild abbildet: Hier findet man eine große Diversität. Vom weit geschnittenen Hosenanzug über Oversizekleider bis hin zu knapper und sexualisierter Mode. Ich denke eher, dass es nicht mehr das eine Frauenbild gibt, sondern dass sich dies je nach Milieu und individueller Haltung unterscheidet.
MH: Davon haben wir auch einige Beispiele in der Ausstellung, die ja eigentlich das System Mode unter die Lupe nimmt, gleichzeitig wird aber auch die Rolle der Frauen in der Mode seit den 1950er Jahren dokumentiert: da wären die verschiedenen über Mode transportierten Frauen- und Körperideale oder bekannte Designerinnen wie Jil Sander, die sich im männerdominierten System der Mode etablierte. Gibt es für Euch Objekte, die das besonders gut vermitteln?
MvR: Aus heutiger Sicht wirkt es vielleicht bieder, aber das Chanel-Kostüm, das Coco Chanel als kurzes Tweedkostüm schon 1925 entwarf und in den 1950er Jahren in zahlreichen Facetten präsentierte, markiert einen wichtigen Umbruch. Wir haben ein sehr schönes Exemplar von Karl Lagerfeld ausgestellt. Ihr war es als Designerin wichtig, Kleidung für aktive Frauen zu entwerfen, die tagsüber ihrer Arbeit nachgehen und dennoch gut gekleidet sein wollen. Für Coco Chanel stand – nach vielen Jahren mit Taillenbetonung und weiten Röcken – vor allem die Alltagstauglichkeit im Vordergrund.
RS: Wichtig finde ich bei der Rolle der Frau im System Mode auch einen Blick auf die Arbeitsbedingungen von Frauen in der Modeproduktion zu werfen. Wir thematisieren das in der Ausstellung anhand einer Kleiderhimmel-Installation, die den globalen Produktionskreislauf von Mode thematisiert. Rund 75% der Textilarbeiter*innen weltweit sind Frauen. Vor allem in den Produktionsländern reichen die Löhne der Arbeiter*innen oft nicht zur Deckung der Lebenskosten. Viele leiden aufgrund oftmals unzureichender Schutzausrüstung zudem an arbeitsbedingten Krankheiten.
AO:Spannend ist auch der Diskurs um den Minirock. Wir stellen ein Minikleid des Designers André Courrèges aus und einen Mini-Regenmantel der britischen Designerin Mary Quant. Als der Minirock in den 1960ern populär wurde, löste er große Debatten aus: Für die Trägerinnen stand er für Freiheit, Aufbruch, das Lösen von alten Rollenbildern – andere empfanden die Rockkürze als Skandal und Unsittlichkeit.
Schönheitsideale und Diversität
MH: Das Modesystem ist sehr visuell geprägt: Es braucht Medien wie Modenschauen und Modemagazine, um die neuen Moden zu verbreiten. Besonders die Modefotografien und die Magazinwall in der Ausstellung machen dabei deutlich, dass auch immer ein – leider nicht unbedenkliches – Schönheitsideal vermittelt wird. Es gibt aber auch immer mehr Models jenseits der Maße 90-60-90, wobei sich da aktuell die Frage stellt, ob das nur ein vorübergehender Trend ist oder sich langfristig etwas ändert?
MvR: Mode hat sich in den letzten Jahrzehnten zunehmend von einem unerreichbaren Ort der Träume, Sehnsüchte und Schönheit, an dem nur wenige Menschen aktiv teilhaben konnten, in einen Ort alltäglicher Freude an Ausdruck und Verwandlung verändert. So ist es nicht verwunderlich, dass eine umfassende Teilhabe von Menschen unterschiedlichster Körperformen gefordert und zunehmend auch sichtbar wird. In einer so komplexen und vielseitigen Welt wie der unseren, scheint mir ein verbindliches Körper- und Schönheitsideal, wie es die Mode lange kommuniziert hat, kaum länger erfolgsversprechend. Zunehmend wird der Ruf laut, dass Mode für Körper da sei und nicht andersherum – und diese sind nun einmal recht unterschiedlich.
AO: Die Modeindustrie hat gemerkt, dass sie sich wandeln muss und ich freue mich auf etwas mehr Diversität auf dem Laufsteg. Dennoch ist es bei fast allen Labels mehr Werbekampagne als wirkliches Umdenken. Um der Quote wegen ein Curvy-Model mitlaufen zu lassen markiert noch lange kein verändertes Frauenbild. Hier muss ein wirkliches Umdenken stattfinden – und zwar global und auf allen Ebenen der Firmenkulturen und Fashionindustrie.
RS: Zum einen ist es ja historisch gesehen so, dass es unterschiedliche Schönheitsideale gab, sowohl zeitlich als auch räumlich betrachtet. Es hat also immer wieder ein Wandel stattgefunden und das aktuelle Schönheitsideal, davon bin ich überzeugt, bleibt auch weiterhin in Bewegung. Zum anderen wäre es spannend, genau hinzusehen, um zu erkennen und zu verstehen, wodurch und wie ein Schönheitsideal aufrechterhalten wird, aber auch welche Gegenbewegungen und Gleichzeitigkeiten es jeweils gab und gibt. Ganz persönlich würde ich mir natürlich wünschen, dass sich das Frauenbild in der Mode noch mehr ausdifferenziert.
Banalisierung oder Chance?
MH: Man kann nur hoffen, dass sich da langfristig etwas ändern wird. Zum Teil wird die Thematik von Modefirmen ja auch schon selbst aufgegriffen. 2015 inszenierte Chanel eine Modenschau als feministischen Protestmarsch – jedoch mit vielen schlanken und vornehmlich weißen Models. Das Unternehmen erhielt folglich Kritik, ähnlich erging es Dior mit dem Shirt „We should all be feminists“, das wir auch ausstellen. Der Vorwurf stand im Raum, mit dem Verkauf des Shirts die eigene Gewinnspanne zu steigern und damit feministische Bewegungen zu kommerzialisieren. Auch wenn ich die Gefahr der Banalisierung der Inhalte sehe, frage ich mich, ob darin nicht auch eine Chance liegt?
MvR: Die postfeministischen, intersektionellen Bewegungen der Gegenwart zeigen deutlich, dass es den Feminismus nicht gibt, alle Aktivist*innen jedoch der Wunsch nach Sichtbarkeit struktureller Ungleichheiten eint. Von daher sehe ich die teilweise etwas kommerzielle Nutzung feministischer Parolen in der Mode dennoch als wichtigen Beitrag, um Sichtbarkeit zu generieren und viele Menschen überhaupt auf feministische Themen aufmerksam zu machen.
RS: Ich würde mich dem anschließen und noch einmal unterstreichen, dass es nicht den einen Feminismus gibt, sondern unterschiedliche Zugänge und Schwerpunkte. Konkret bei dem Shirt von Dior ist ja auch interessant zu wissen, was dahintersteckt. Das Zitat „We should all be feminists“ bezieht sich auf einen Buchtitel der nigerianischen Schriftstellerin Chimamanda Ngozi Adichie, die darin auf strukturelle Geschlechterungleichheit in der Erziehung von Kindern verweist. Zudem eröffnete Maria Grazia Chiuri mit dem Shirt als erste weibliche Chefdesignerin des Hauses Dior eine Modenschau. Abseits der Ungleichheiten, die hinter verschlossenen Türen voraussichtlich noch vorhanden sind, zeigt es dennoch, wie Modeunternehmen ihre Öffentlichkeit dafür nutzen können, eine Haltung einzunehmen.
AO: Es ist doch gut, wenn Feminismus im Mainstream ankommt. Klar kann man bei den Labels noch lange nicht von feministischer Mode oder feministischen Labels sprechen. Aber ich freue mich, dass Postfeminismus hip ist und junge Menschen sich selbstverständlich als Feminist*innen bezeichnen. Klar war die Chanel-Schau keine feministische oder diverse Schau, doch besser so als gar nichts infrage zu stellen. Es wäre schön, wenn der Trend zu einer gesellschaftlichen Haltung werden würde …
Hallo, eure Ausstellung scheint sehr schön zu sein, was ich Online sehe. Aber ist „Fashion“ nur weiblich besetzt, wie sieht es mit „Fashion“ für Männer aus. Ihr habt einige wenige Exponate, die Männer in Kleidern/Röcke zeigen, aber insgesamt sieht es alles sehr frauenlastig aus. Auch Männer zeigen sich gerne in schicker Mode.
Hallo, ich habe die Ausstellung gestern besucht. Ich finde sie sehr gelungen. Es geht eigentlich nicht primär um das Zeigen schicker Mode, sondern um das Thema Mode in unserer westlichen Gesellschaft, Kontext Baden-Württemberg. Wie, wo, unter welchen Umständen etc. entsteht oder entstand Mode, was drückt sie aus, wie wird sie präsentiert, wie hat sie sich entwickelt, was bedeutet sie für die einzelnen Personen etc.. Der Anteil an gezeigten Modellen weiblich/männlich würde ich auf 5/2 schätzen. Ein Besuch lohnt sich besonders auch im Moment, wo der Andrang durch die geltenden Beschränkungen im Zaum gehalten wird.
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